Amy C. Edmondson

Führung von unten leicht gemacht! - Das Phänomen der "Unterwachung"

Wer führt, wird geführt!

-Die Frage ist nur durch wen! Selbst in den hierarchischsten Organisationen findet Führung nicht nur in eine Richtung, nämlich in der Hierarchie nach unten, statt, sondern immer auch von unten nach oben. Offiziell und formell werden Entscheidungen zwar an der Spitze der Organisation getroffen aber die Informationen, auf deren Grundlage die Entscheidungen getroffen werden, kommen von “unten”. So hat die Basis eines Unternehmens großen Einfluss auf ihre Führenden. Dieses Phänomen bezeichnete der große Systemtheoretiker Niklas Luhmann als “Unterwachung”. - Eine systemische Dynamik, die für Chefs und Organisationen geradezu überlebenswichtig ist, sagte er. Das tiefe Eintauchen in Themen ist für Führende häufig ein viel zu großer Aufwand und ich als Coach unterstütze daher die Aussage, dass die Führungskraft stets der/die schlechteste Fachexperte oder -Expertin sein sollte. Diese Aussage stammt übrigens von meiner Chef-Chefin und ich liebe sie für diese Haltung! Aber woher kommt dann die Grundlage für viele Entscheidungen? -Richtig, von “unten”!

Wann Führungskräfte wie tief in die einzelnen Themen einsteigen, ist selbstverständlich ihnen überlassen. Allerdings können sie selbst bei größter Detailorientierung ihre Nasen nur in das stecken, was ihren Horizont auch erreicht. Hierbei muss ich direkt an Gunther Schmidt denken, der mich gelehrt hat, die Macht und den Einfluss von Assistenzen nicht hochgenug einzuschätzen und zu würdigen. Sie sind die Türsteher, die gnadenlos filtern. Das tun sie nicht aus Spaß, sondern weil auch sie Luhmanns Theorien unbewusst verinnerlicht haben: “Würden Untergebene alle Probleme nach oben geben, wären ihre Vorgesetzten verloren”, hat Luhmann dereinst geschrieben. Somit haben Assistenzen und Business Manager natürlich immer auch einen kleinen “Schutzauftrag” und bestimmen gleichzeitig die Strategien eines Unternehmens ziemlich machtvoll mit, indem sie die Chefin oder den Chef strategisch “unterwachen”.

Warum wir alle früher oder später “unterwachen”

Sicher gibt es unterschiedliche Gründe für “Unterwachung”. Ich möchte euch gerne drei vorstellen, Vielleicht findet ihr euch ja irgendwo wieder. Ich persönlich habe mich bei allen dreien schon ertappt:

  1. Die Form der “Unterwachung”, die ich gerne als altruistisch bezeichne: Hier geht es um das Wohl der Organisation, der Abteilung oder des Teams. Man unterliegt der Annahme, die ein oder andere Entscheidung nach Möglichkeiten von der Führung fern zu halten, weil man glaubt, die Mitarbeitenden haben einen besseren Blick für die große Gemengelage und ein besseres Verständnis dafür, was auf Arbeitsebene zu tun oder nicht zu tun ist.

  2. Die Form der “Unterwachung”, die ich als strategisch-egoistisch bezeichne: Haben wir nicht alle schon einmal Entscheidungen bewusst in eine Richtung beeinflusst, weil uns diese strategisch und in Hinblick auf unsere eigenen Weiterentwicklung besser passt?

  3. Die Form der “Unterwachung”, die ich als ausgesprochen ressourcenorientiert bezeichne, weil sie zu einem entspannten Arbeitsalltag beiträgt: Halte ich den Chef mit Aufgaben beschäftigt, die mir nicht wehtun, lässt er mich ansonsten in Ruhe vor mich hinarbeiten.

In der Realität treten diese drei Arten für gewöhnlich als Mischform auf, da das eine häufig mit dem anderen zusammenhängt.

Und dann bilden sich “Unterwachungs-Netzwerke”

Da die Zufriedenheit im Team häufig eine wichtig Basis für meinen individuellen Erfolg darstellt und der Wunsch in Ruhe arbeiten zu können, direkt auch auf die Zufriedenheit im Team bzw. das Wohl der Organisation einzahlt, bilden sich für gewöhnlich ganz automatisch und wie von Zauberhand ganze “Unterwachungs-Netzwerke”. Kaffeeküchen oder Kantinen sind hierbei willkommene Geburtshelfer. Inzwischen tun es aber auch Teams-Kanäle oder Skype!

Laut Luhmann lässt sich das Phänomen der “Unterwachung” nicht unterbinden. Es ist eine Dynamik die in dem Moment losgetreten wird, in dem sich Menschen in hierarchisch organisierten Gruppen zusammenfinden und ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Er bezeichnet dieses Phänomen als “brauchbare illegale Verhaltensweise”, die sich jenseits der Formalstruktur einer Organisation ausbildet und einen wertvollen Beitrag dazu leistet, die Organisation am Laufen zu halten. Als Führungskraft würde mir an dieser Stelle erst einmal angst und bange werden. Ist das Ziel doch meistens eher Verantwortung und Macht, vielleicht sogar Kontrolle und weniger Fremdbestimmung in Kombination mit Verantwortung. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich der unterschiedlichen Machtressourcen seines Team bewusst zu sein, um diese entweder für sich zu nutzen, oder bewusst punktuell gegenzusteuern. Generelle Gegensteuerung ist nicht möglich, sagt nicht nur Luhmann!

Teams haben hierbei die Macht, die Themen, die nach “oben” kommen zu filtern. Heute wird dieses Vorgehen auch gerne als “Nudging” bezeichnet: Ich habe eine gewünschte Variante und stelle dieser Variante zwei ziemlich blödsinnige Optionen zur Seite. Die dritte vielleicht ähnlich erfolgsversprechende Variante lasse ich weg, weil sie nicht meinen Wünschen entspricht. Wer trifft hier wirklich die Entscheidung? Die Chefin oder der Chef, oder die Person, die die Optionen auswählt?

Eine weitere Macht ist diejenige, die meine Chef-Chefin geradezu ins Schaufenster stellt, indem sie sagt, dass die Führungskraft für gewöhnlich die schlechteste Expertin oder der schlechteste Experte ist. - Es ist die Macht des Fachwissens. Diese Macht hat sich seit der Veröffentlichung von Luhmanns Systemtheorien in den 70ern und 80ern noch verschärft, da Businesswissen in einer zunehmend digitalen Welt nun auch noch durch IT-Wissen ergänzt werden muss. Luhmann würde nicht skandieren “IT’ler an die Macht!”, sondern “IT’ler an der Macht!”.

Die dritte große Macht über die Mitarbeitende verfügen, ist die, die Perspektive auf das Thema zu bestimmen. Und machen wir uns nichts, vor, wir alle haben schon einmal Informationen cheftauglich eingefärbt!

Die vierte und letzte Macht, die Mitarbeitende in diesem Zusammenhang haben, ist etwas anders gelagert, als die ersten drei, aber ein verdammt spannendes Tool der “Unterwachung”: Es ist die Macht, Probleme bewusst nach oben abzugeben, denn auch Chefinnen und Chefs müssen ja beschäftigt bleiben, nicht dass sie ihre Nase doch in meine Themen stecken…

“Unterwachung” als bewusstes Prinzip der Zusammenarbeit in modernen Unternehmensstrukturen

Tja, liebe Führungskräfte, da bleibt man doch am Montag besser mal im Bett! Man denkt, man führt, gestaltet, hat neben der Verantwortung auch Macht und dann kommt da so ein wild gewordener Soziologe und Gesellschaftstheoretiker daher und führt einem vor Augen, dass man am Ende doch ziemlich fremdbestimmt agiert. Schlimmer noch, es sind die, die wir dachte zu führen, die uns fremdbestimmen und manipulieren! Aber Kopf hoch, die Realität ist deutlich weniger tragisch als sich das Prinzip der “Unterwachung” im ersten Moment liest. Nehmen wir zum Beispiel die Vorstandsassistentin, die “unterwacht” um auf den Chef aufzupassen. - Ich kannte mal eine, die sogar ein Blutdruckmessgerät in ihrem Schreibtisch hatte. - Für Notfälle. Wie fürsorglich. Und auch ich ertappe mich meistens aus sehr fürsorglichen Gründen dabei, meine Chefin zu “unterwachen”! - Liebe Grüße an dieser Stelle! Ich weiß, dass sie meine Artikel immer mal wieder liest! Und ich weiß, dass die “Unterwachung” meinerseits für meine Führungskraft völlig OK ist. Denn kluge Führungskräfte und kluge Unternehmen sind sich diesem unvermeidbaren Phänomen bewusst und haben es umgedreht um es für sich zu nutzen. Sie nennen es “Empowerment” und bezeichnen es als eine der wichtigsten Antworten auf ein zunehmend dynamisches und komplexes Marktumfeld. Kein Mensch kann mehr alles verstehen, wissen, können, mitbekommen. Es braucht Teams, Teams die Höchstleistungen erbringen. Und schaut man sich an, welche Zutaten ein High Performance Team braucht, findet sich da nicht nur Kommunikation, Konfliktfähigkeit, ein gemeinsames Ziel und kognitive Diversität, sondern auch Eigenverantwortung (also den Mut zu “unterwachen”) und Führung. Es braucht Führungskräfte, die “empowern”, die sich bewusst “unterwachen” lassen, weil sie zum einen wissen, dass es ohnehin stattfindet und zum anderen darauf vertrauen, dass die “Unterwachung” im positivsten Sinne stattfindet, weil sie am Ende doch nicht alles mitbekommen oder wissen können.

Vertrauen, da ist es wieder: Die Basis für Empowerment oder eine positive “Unterwachung”, die eine Organisation erfolgreich am Laufen hält, ist Vertrauen. Bereits in den 1980er Jahren schreibt Luhmann, dass “Unterwachung” am wirkungsvollsten sei, wenn sie in vertrauensvolle Kooperation eingebettet sei, indem “jede Seite, im Interesse der besonderen Macht über den anderen, dessen Macht schont und beachtet.” Danke Niklas Luhmann! Inzwischen wurde Amy C. Edmondson zum zweiten Mal in Folge mit dem Thema Vertrauen, oder Psychological Safety, zur wichtigsten Vordenkerin in der Wirtschaft gewählt und Studienreihen wie das Projekt “Aristoteles” von Google belegen, dass die Leistung eines Teams oder einer Organisation mit dem subjektiv empfundenen Vertrauen der einzelnen Mitglieder anwächst.

Liebe Führungskräfte, ihr könnte “Unterwachung” nicht unterbinden. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass der Versuch der Unterbindung die “Unterwachung” nur noch größer werden lässt. Ihr könnt sie aber umdeuten und aus ihr Empowerment machen. Ja, dieser Schritt braucht Mut, vor allem aber eine vertrauensvolle Teamkultur. An dieser Kultur könnt ihr bewusst arbeiten. - Und sollte ihr nicht so richtig wissen wie, dann unterstützen euch systemische Coaches und Berater wie ich sicher gerne!

Liebe Mitarbeitenden, ihr seid mit Nichten Machtlos! Im Gegenteil, ihr seid sogar sehr machtvoll. Luhmann hätte in diesem Zusammenhang den Tipp, dass Macht auch immer mit Verantwortung einher gehen sollte. Nutz eure Macht, aber nutzt sie verantwortungsvoll, achtsam und im Sinne aller!

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Unterwachung…

Lass dich nicht zum Narren machen! Wer führt wird geführt.

Und die Zukunft im Business ist menschlich

Digitalisierung hin, Digitalisierung her

Betrachtet man sich die Welt da draußen, könnte man fast unweigerlich zu der Schlussfolgerung kommen, dass Technik, Technisierung und vor allem Digitalisierung unser aller Zukunft sind. Folglich sollten wir all unser Augenmerk auf die technische und digitale Weiterentwicklung richten. -Eine Idee, die mir als Human Factors Trainer und Coach überhaupt nicht schmeckt. Ja, Technik macht das Leben leichter und online bin ich ohnehin ständig. Doch schon während meiner Zeit in der Luftfahrt war einer meiner großen Leitsätze, dass der Mensch der Schlüssel zum Erfolg unserer (technischen) Systeme ist. Denn selbst die beste Technik braucht zum einen ausreichend kompetente Anwender, sowie Menschen, die in der Lage sind, der zunehmenden Dynamik und Komplexität unseres Umfeldes Rechnung zu tragen, angemessen zu reagieren, zu gestalten, anzupassen und die Technik entsprechend der permanenten Veränderung unseres Umfeldes weiterzuentwickeln. Inzwischen bin ich sogar so weit zu sagen, dass gut funktionierende Teams von Menschen der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme sind. Denn in Anbetracht der stetig zunehmenden Komplexität aller unserer Lebensbereiche, ist eine einzig Wahrnehmung, die auf diese eine Art interpretiert wird, schon lange nicht mehr ausreichend, um wirklich nachhaltig erfolgreich agieren zu können.

Teaming up!

Zu eben dieser Erkenntnis kam auch die Harvard Professorin Amy C. Edmondson schon lang bevor irgendjemand etwas von Agilität zu erzählen wagte. So hat Edmondson erforscht, beschrieben und wissenschaftlich belegt, dass es für erfolgreiches Arbeiten in einem dynamischen Umfeld immanent wichtig ist, dass Menschen sich in Teams zusammenfinden. Allerdings sind laut Edmondson stabile, klar definierte und abgegrenzte Strukturen hierbei nicht zielführend. Vielmehr brauche es flexible, interdisziplinäre Teams, die sich je nach Zielsetzung zusammenfinden und wieder neuformieren, um sich dann in neuer Zusammensetzung einer neuen Aufgabe widmen. Eine der Ideen, die dahinter steckt ist, dass auch Arbeits- und Lernprozesse verändert oder neu gedacht werden müssen, wenn eine Organisation etwas vollbringen möchte, das sie zuvor noch nie vollbracht hat. So könnte man meinen, Amy C. Edmondson gehörte zu den Müttern und Vätern der Agilität.

Die Wirtschaft wird “soft”

Mit ihrem Fokus auf den Faktor Mensch steht Amy C. Edmondson bei weitem nicht allein da. Seit etwa 20 Jahren identifiziert die Thinkers50 Initiative jährlich Menschen, deren Ideen die (Business-) Welt verändern können. Im Rahmen der letzten Ernennung der aktuellen Thinkers50 war ein Trend deutlich erkennbar: Im Management im Allgemeinen und in der Führung im Speziellen gewinnen die sogenannten Soft Skills zunehmend an Bedeutung. Schaut man sich das Ranking der aktuellen Top Ten der richtungsweisenden Vordenker an, stellen wir fest, dass sich derer acht mit Soft Skills beschäftigen.

Die Krone für den ersten Platz darf sich Amy C. Edmondson endlich aufsetzen, nachdem sie 2011 auf Platz 35 einstieg um ihren stetigen Weg Richtung Spitze zu beschreiten, Jahr für Jahr. Unterwegs nahm sie noch den Talent- und den Breakthrough Idea Award mit. Edmondson scheint sich nicht nur hinsichtlich ihrer Teaming-Idee als echter Trendscout zu erweisen. Noch spannender und visionärer erscheint ihr Hauptthema: Die psychologische Sicherheit und die damit zusammenhängende Angstfreiheit in Unternehmen. Im Rahmen ihrer Studien zur Fehlerforschung in den 90er Jahren, war das Klima der psychologischen Sicherheit eher eine zufällige Nebenentdeckung. Heute gilt das Herstellen eines psychologisch sicheren Umfeldes als Grundvoraussetzung für eine gute Performance, da der Mensch, der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme, nur im Zustand der psychologischen Sicherheit seine Ressourcen voll und ganz in seine Arbeit einfließen lassen kann. Hinzu kommt, dass Edmondson nachweisen konnte, dass psychologische Sicherheit mit dem Lernverhalten korreliert und somit auch deutliche Auswirkungen auf die individuelle Leistung hat. Das wiederum heißt, dass eine lernende Organisation, die in der Lage ist, der Dynamik und Komplexität unserer Welt erfolgreich Rechnung zu tragen, vor allem eine angstfreie Organisation ist. Nur in einem angstfreien Klima, in einem Klima der psychologischen Sicherheit können Innovationen gedeihen, kann sich Weiterentwicklung vollziehen. Nur in einer angstfreien Organisation sind Menschen in der Lage, nachhaltig zu lernen. - Die Kernqualifikation für ein Umfeld, das sich in einem stetigen Wandel befindet.

Krise und Sicherheit

Gar nicht so einfach, mit der subjektiv empfundenen Sicherheit, wenn mich das Gefühl ereilt, unsere Welt stünde dauerhaft Kopf. Krise über Krise! Finanzkrise, Klimakrise, Flüchtlingskrise, Corona, Krieg in der Nachbarschaft, Energiekrise, seit Neustem auch noch ein deutlich sichtbare und gesetzlich implementierte Gleichberechtigungskrise in den USA… Es gibt unendlich viele Themen an die meine Angst andocken könnte. Ich glaube das Angebot war noch nie so breit gefächert. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, Räume der subjektiv empfundenen Sicherheit zu schaffen. Denn grade jetzt brauchen wir innovative, kreative Ideen, um eine Rückwärts-Entwicklung der Gesellschaft zu verhindern. Es geht nicht mehr darum, etwas zu optimieren. Ich glaube es geht darum, etwas ganz Neues zu denken und zu gestalten. - Politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Hierbei ist der Mensch mit Nichten überflüssig. Klar, geraten wir in der Arbeitswelt immer stärker unter Druck. Die Robotisierung und Algorithmierung schreiten stetig voran. Es gibt Momente, in denen die Technisierung mir vorkommt, wie eine Dampfwalze, die alles platt zu walzen droht, die stetig und unaufhaltsam weiterrollt. Trotzdem müssen wir vor diesen Maschinen nicht kapitulieren. Die Zukunft unserer Arbeitswelt braucht unsere ausschließlich menschlichen Kompetenzen, die keine Maschine darstellen kann. Hierbei sind vor allem neun Skills von zentraler Bedeutung:

  • Empathie

  • Kreativität

  • Komplexe Probleme lösen

  • Kritisches Denken

  • Kommunikative Kompetenzen

  • Lebenslanges Lernen

  • Selbstmanagement und bewusste Selbstführung

  • Resilienz

  • Unternehmerisches Denken

Prüft gerne selbst, wie viel “Mensch” Eure Tätigkeit gemessen an diesen neuen Kriterien braucht. Vielleicht werdet Ihr erstaunt sein. Die Zukunft ist menschlich! Wären dem nicht so, würden die wichtigsten Vordenker der Wirtschaft uns Menschen nicht so deutlich in den Fokus rücken.

Das Herzstück der Wirtschaft

Diejenigen von Euch, die mir auf den sozialen Medien folgen, können sich vielleicht noch an meinen Buchtipp vom letzten Wochenende erinnern: “The Heart of Business” von einem Gewissen Hubert Joly. Joly wurde von den Thinkers50 mit dem Award in der Kategorie Leadership ausgezeichnet. Joly geht es um nicht mehr oder weniger, als den Kapitalismus neu zu erfinden! -Und zwar so, dass aus ihm ein Beitrag für einen nachhaltige Zukunft erwächst. Der ehemalige Top-Manager, der inzwischen an der Harvard Business School lehrt, bringt die Ansätze des Servant Leadership in Verbindung mit einer klaren Werteorientierung. In seinem Buch beschreibt er eindrucksvoll, wie er diesen Ansatz über Jahrzehnte für sich entwickelt hat. Und der Erfolg gibt ihm recht. Joly wurde mehrfach als weltbester CEO ausgezeichnet und sein Erfolgsgeheimnis ist so revolutionär, wie es auch einfach ist: Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen setzte Joly nicht auf Kostenreduzierung, sondern auf eine neue Dimension des Kundenerlebnisses durch begeisterte und motivierte Beschäftigte! Für Begeisterung und Motivation sind laut Joly die Führungskräfte verantwortlich. Fünf essentielle Tätigkeiten, auf die sich Führende fokussieren sollen, hat Joly dafür ausgedeutet:

  1. Sinn vermitteln

  2. Beziehungen aufbauen

  3. Mitarbeiterautonomie stärken

  4. Exzellenz fördern

  5. Potenzial fokussieren, statt sich von Beschränkungen leiten zu lassen

Um diese fünf Kernpunkte erfolgreich und nachhaltig umzusetzen, braucht es laut Joly vor allem eines: Eine entsprechende innere Haltung, ein Mindset, erfüllt von Empathie und Wertschätzung für die Mitarbeitenden. Dieses Mindset macht Joly ebenfalls an fünf Kernpunkten fest:

  1. Sinnorientierung

  2. Wertefokussierung

  3. Authentizität

  4. Das Verständnis der Führungsrolle als Ermöglichung und Raumöffnung

  5. Das Bewusstsein, dass die Mitarbeitenden die wichtigsten Stakeholder im Führungsprozess sind

Die Erfolgsgeheimnisse eines ausgesprochen überdurchschnittlich erfolgreichen Managers…

Die Zukunft ist definitiv menschlich! Sie gehört uns. Alles was es braucht ist etwas Mut, die Dinge neu und anders zu denken. Es braucht einen sicheren Rahmen und ein Wir-Gefühl! Dann ist alles möglich!

In diesem Sinne setze ich mich jetzt in meinen DeLorean und düse los, zurück in die Zukunft und schaue welche Schrauben ich drehen kann, um die Welt zu verändern und sie etwas schöner, bunter, sicherer zu machen, für all diese großartigen, kreativen, innovativen Ressourcen, die wir Menschen nennen! Der Begriff “Humanvermögen” scheint mir hierfür bei weitem nicht ausreichend.

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

Die zukunft ist menschlich

Denn der Mensch ist der Schlüssel zum Erfolg all unserer Systeme

Fünf Dysfunktionen (agiler) Teams und die Frage nach dem Huhn oder dem Ei

Teams an ihren Grenzen

In Scrum Umgebungen spricht man gerne von fünf Dysfunktionen, die dazu beitragen, dass ein Team nicht erfolgreich agieren kann:

  1. Mangel an Vertrauen

  2. Angst vor Konflikten

  3. Fehlendes Engagement oder Commitment

  4. Scheu vor Eigenverantwortung innerhalb des Teams

  5. Fehlende Ergebnis- oder Zielorientierung

Selbstverständlich sind diese fünf Killer-Facts für ein erfolgreich agierendes Team nicht erst mit der Erfindung von Scrum aufgetaucht. Bereits seit den siebziger Jahren ist der Mensch und die menschliche Leistung zunehmend in den Fokus geraten, wenn es darum ging, die Frage zu beantworten, warum es Organisationen und Teams gibt, die bei vergleichbaren Voraussetzungen erfolgreicher sind als andere. Die Idee des Humanvermögens eines Unternehmens war geboren.

Mit steigender Dynamik und Komplexität des Marktumfeldes war es nicht mehr nur der einzelne Mensch, der im Fokus der Berater und Erfolgsforscher stand, sondern das Team. Im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung wurde nämlich schnell klar, dass ein einzelner Mensch nicht mehr in der Lage sein würde, schnell genug und mit ausreichendem Überblick erfolgreich zu agieren. Erste Trendsetter waren hierbei die sogenannten High Risk Environments wie zum Beispiel die von mir so gerne zitierte Luftfahrt, da in diesen Bereichen Misserfolge absolut sind, nicht relativierbar und auch nicht zu vertuschen. Bereits 1977 kam es in Teneriffa zu einem Flugzeugunglück, dass einem ganzen Industriezweig verdeutlichte, dass es nicht ausreichend ist, die Technik stetig zu verbessern, um Unglücke (also Misserfolge) auszuschließen. Es war die Geburtsstunde des sogenannten Human Factors oder Crew Ressource Management Trainings, dass inzwischen seit etwa 40 Jahren fester Bestandteil der Schulungen für Piloten, Kabinenbesatzungen und zunehmend auch der operationellen Strukturen am Boden ist.

Inzwischen bin ich kein Human Factors Trainer mehr. In meinem neuen Leben als Agile Coach beschäftige ich mich interessanterweise mit ausgesprochen ähnlichen Themen. Ich arbeite mit meinen Teams an deren gemeinsamen Ziel- oder Kundenorientierung, nicht nur weil es Sinn mach das Ziel seiner Arbeit und somit eben auch den Kunden stets im Blick zu behalten, sondern weil ein gemeinsames Ziel das Team zusätzlich eint und zusammenschweißt. Außerdem merke ich immer wieder, dass Eigeninitiative und Eigenverantwortung die absolute Basis dafür sind, in agilen Strukturen erfolgreich sein zu können. Team bedeutet eben nicht eine Gruppe von Menschen, hinter denen man sich verstecken kann. In der Luftfahrt kann mangelnde Eigenverantwortung fatale Folgen haben, in agilen Strukturen bedeutet es mangelnde Innovationskraft und Geschwindigkeitsverlust! - Beides fatal, wenn sich die Welt immer schneller dreht. Wer sich da nicht mit bewegt, bleibt schnell auf der Strecke. Mit dem Thema Eigenverantwortung und Eigeninitiative gehen auch Engagement und Commitment einher. Je mehr ich von dem überzeugt bin, was ich tue, je mehr ich mich mit meiner Arbeit identifizieren kann, je mehr Sinnhaftigkeit ich in meinem Tun sehe, desto mehr Leistung bin ich bereit zu erbringen. Befinde ich mich in einem Team, dass durch ein gemeinsames Commitment geeint ist, nimmt das Team gemeinsam an Geschwindigkeit auf und es geht nicht mehr um persönliche Befindlichkeiten, Eitelkeiten und die ganz persönliche Karriere, sondern vor allem um das gemeinsame Ziel. In der Luftfahrt ist dieses Ziel gemeinsam gesund und munter zu landen.

Warum hat die Angst vor Konflikten sowohl in agilen Strukturen als auch in der Luftfahrt negative Auswirkungen auf die Teamperformance? Menschen die keine Konflikte wollen, vielleicht sogar Angst davor haben, streiten sich doch auch weniger und genau das ist doch gut für ein Team, oder? -Mehr Harmonie! Tja, was soll ich sagen, als Mediator und Konflikt-Sucher?! Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Menschen in einem Team gemeinsam arbeiten können, ohne Konflikte zu haben. Die Konflikte und Meinungsverschiedenheiten sind da und nur weil sie aus Angst vor einer vermeidlichen Eskalation ignoriert werden, sind sie trotzdem nicht weg. Sie bleiben wie unsichtbare aber spürbare rosa Elefanten im Raum und beeinflussen die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. All das totgeschwiegene und nicht gesagte sorgt dafür, dass ich unsicher bin, anders kommuniziere und mich permanent in Alarmbereitschaft befinde. Da bleibt nicht viel Kapazität für außergewöhnliche Leistungen. Hinzu kommt, dass man im Bereich der High Performance Teams sogar nach einer möglichst heterogenen Gruppe von Menschen sucht, um eine größtmögliche Bandbreite unterschiedlicher Perspektiven, Ansätze, Wahrnehmungen, etc. zu vereinen. Davon profitiert das Team jedoch nur, wenn man eben genau darüber diskutiert, ohne Angst davor, jemanden zu widersprechen, oder selbst widersprochen zu bekommen. In der Luftfahrt stellt man aus genau diesem Grund dem Piloten nicht nur einen Autopiloten zur Seite, sondern mindestens noch einen weiteren Piloten. Die Dynamik und Komplexität in der Luftfahrt ist so groß, dass eine zweite Meinung oder Perspektive ausgesprochen wertvoll für einen bestmöglichen Entscheidungsfindungsprozess ist.

Vertrauen und Psychological Safety als Basis für funktionierende Teams und Organisationen

An all diesen Punkten kann man als Human Factors Trainer oder Agile Coach arbeiten. Jeder einzelne von uns kann daran arbeiten. Jedoch gibt es eine absolute Grundvoraussetzung dafür, dass diese Arbeit auch von Erfolg gekrönt ist. Diese Grundvoraussetzung führt uns schließlich zur ersten Dysfunktion: Mangel an Vertrauen. Wenn ich nicht Vertraue, werde ich potenzielle Konflikte nicht ansprechen, ich werde mich nicht committen, weil ich mich unwohl fühle, ich werde keine Eigenverantwortung übernehmen, weil ich Angst davor habe, Fehler zu machen und weil ich ständig auf der Hut sein werde, werde ich auch nicht in der Lage sein, mich stets auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren, da ich mich ja darauf fokussieren muss, auf mich selbst aufzupassen.

Die Basis aller Dysfunktionen in Teams ist ein Mangel an Vertrauen, oder ein fehlendes Sicherheitsgefühl. Es ist dieses Sicherheitsgefühl, dass die Harvard Professorin Amy C. Edmondson als Psychological Safety beschreibt und das für sie die Basis jeder High Performance ist. Google beschreibt Psychological Safety als den absoluten Grundbaustein ihres Unternehmenskodex, da der Rest ohne das Gefühl von Sicherheit nicht funktioniere. Und ich, als Coach, Trainer, Mediator habe gelernt, dass ich, wenn ich mit Teams oder Organisationen daran arbeiten möchte, in die Sphären der High Performance aufzusteigen, muss ich zunächst am Sicherheitsgefühl, der Psychological Safety arbeiten. Ohne dieses Gefühl gibt es keine Feedbackkultur, auch wenn ich allen ausführlich erklärt habe, wie Feedback technisch funktioniert und warum es wichtig ist. Es gibt keine Fehlerkultur, auch wenn jeder weiß, dass es eigentlich wichtig ist, aus Fehlern zu lernen. Es gibt keine Eigenverantwortung und auch das Engagement wird nie bei hundert Prozent sein, wenn ich mich nicht sicher fühle.

Die Gretchenfrage

Die absolute Gretchenfrage ist nun natürlich wie man in einem Team, oder am besten in einer ganzen Organisation zu diesem Gefühl gegenseitigen Vertrauens, bzw. diesem Gefühl von Sicherheit, das Edmondson als Psychological Safety beschreibt, kommt. Wann fühlt ihr euch denn im beruflichen Kontext absolut sicher? Was braucht ihr, um absolutes Vertrauen in euch, euer Umfeld und in das was ihr tut, zu haben? Bei mir kommt dieses Gefühl der Psychological Safety immer dann auf, wenn ich genau weiß, woran ich bin. Wenn ich weiß, was mein Umfeld über das denkt, was ich tue und wenn ich mir ganz sicher sein kann, dass man mir nicht nur sagt, dass das, was ich tue gut ist, sondern auch, wenn man der Meinung ist, dass ich dabei bin, mich auf den Holzweg zu begeben. Ich fühle mich sicher, wenn man mit mir und nicht über mich spricht. Das was ich brauche, um mich sicher zu fühlen, ist Feedback, eingebettet in ein natürlich und funktionierende Feedbackkultur, in der jeder zu jeder Zeit frei und offen sprechen kann.

Henne Babs und die Frage nach dem Huhn oder dem Ei

So weit, so einfach! Psychological Safety braucht also eine lebendige Feedbackkultur. Wenn ich euch jetzt jedoch bitte, kurz darüber nachzudenken, was ihr braucht, um zu jeder Zeit offen und frei sprechen zu können, wird es kompliziert! Denn eure Antwort wird sicher sein, dass ihr euch sicher fühlen müsst, dass ihr Vertrauen benötigt, sprich Psychological Safety… Wenn wir über Feedbackkultur und Psychological Safety sprechen, führt uns das ziemlich schnell zu dieser uralten Menschheitsfrage: Was war zuerst? -Das Huhn oder das Ei? Das eine bedingt das andere! Was Henne Babs, die mir dankenswerterweise ihr Portrait für diesen Artikel zu Verfügung gestellt hat, völlig egal ist, da dieser Kreislauf in ihrem Fall ganz formidabel läuft, treibt mich als Coach dieser Tage non-stop recht intensiv um! Auf spontane Zellteilung oder göttlich Intervention kann ich auf Organisationsebene sicher nicht hoffen. Diesen Kreislauf muss ich schon selbst irgendwie in Gang bringen. Fakt ist, einer muss eben anfangen! In Organisationen ist es für gewöhnlich die Führungsebene, die aus ihrer Position heraus am ehesten in der Lage ist, einen Kreislauf aus Feedbackkultur und Psychological Safety in Gang zu bringen, indem sie vorlegt. Die Erfahrung zeigt, dass all jene, die im Organigramm nachgeordnet sind, recht schnell nachziehen.

Hierbei gibt es jedoch einen Knoten gordischen Ausmaßes, der vorher gelöst werden will. Denn auch Führungskräfte benötigen dieses Gefühl von Sicherheit, um in eine Feedbackschleife einzusteigen. Leider wird es an der Spitze der meisten Organisationen oft etwas einsam. Wenn ich permanent damit beschäftigt bin, meinen Posten verteidigen zu müssen, aus Angst, da sägt jemand an meinem Stuhl, wenn ich meine Ellenbogen gegen meinen Mit-Führungskräfte einsetzen muss, um mich durchzusetzen und wenn ich stetig Angst davor haben muss, einen Fehler zu machen, weil dieser gegen mich verwendet werden könnte, dann habe ich keine Zeit und keine Lust, mich mit Feedback und Feedbackkultur zu beschäftigen, denn die Kultur, die ich tatsächlich erlebe, ist eine andere.

Das gute alte Teambuilding

Was es braucht, um diesen gordischen Knoten zu lösen, ist eine Gruppe von Führungskräften, die sich als Team versteht, die sich vertraut, zusammenarbeitet, miteinander Probleme löst und nicht die Probleme der anderen für eigene Zwecke ausnutzt. Feedbackkultur und Psychological Safety lassen sich nicht einführen, indem ich erkläre, wie Feedback funktioniert und warum es wichtig ist. -Beides kann auch in Büchern nachgelesen werden. Vielmehr handelt es sich um mühsame, aber auch wunderschöne Arbeit am kulturellen Miteinander innerhalb einer Organisation und beginnt damit, ein Führungsteam zu formen. Rosen brauchen breit gefächerte Wurzeln und einen festen Stamm, damit sie die Jahreszeit gut überdauern, aber sie duften oben, an der Blüte! Ich weiß, das hört sich etwas “cheesy” an, aber ich wollte mir diesen Spruch vom Fisch, der vom Kopf her stinkt, gerne ersparen, bzw. ihn in sein Gegenteil umkehren. Denn an dieser Stelle muss auch betont werden, dass alle nicht-Führungskräfte nicht raus sind aus der Verantwortung für ein Kultur von Psychological Safety und Feedback. Im Gegenteil! Denn im zweiten Schritt braucht es eine breite Basis, die die Impulse, die von oben kommen, auch aufgreifen und mitziehen, die den Wandel mitgehen, proaktiv und eigenverantwortlich. Denn auch zu vertrauen ist manchmal eben eine aktive Entscheidung.

Wie lange so ein Prozess dauert? Keine Ahnung! Aber ganz sicher deutlich länger, als meine Tages-Workshops zu Thema. Je nach individuellen Voraussetzungen eineinhalb bis zwei Jahre, die nachhaltig und ganzheitlich begleitet werden wollen. Allerdings sagt die Erfahrung, dass hierbei der erste Schritt der schwerste ist. Kommt der Ball einmal ins Rollen, wird es leichter, fast wie ein ganz natürlicher Prozess, den man als Coach oder als Trainer einfach nur begleitet.

Zu guter Letzt

So viel für heute von mir. Ich freue mich jetzt auf mein Sonntagsei! Euch wünsche ich einen schönen Tag. Vielleicht gab es bei euch ja heute auch ein Ei zum Frühstück! Oder vielleicht gönnt ihr euch ja heute sogar euer Frühstücksei auswärts. Langsam aber sicher scheint die Welt ja wieder Schritt für Schritt zu öffnen!

Eure Constance

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Henne Babs

… der die Frage nach dem Huhn und dem Ei sicher völlig egal ist!