VUKA

"Wofür machst du denn NOCH eine Weiterbildung?" - Über Wissensdurst, Lernsucht und Perfektionsstreben.

“Du lernst im Leben nie zu viel, das sei auch stets dein Ziel!”

Diese Worte hat mir Mark bereits im Grundschulalter in meinem Poesiealbum hinterlassen. Ich glaube er hatte keine Ahnung, wie prophetisch sie sein sollten.

Gestern habe ich meine Ausbildung zum systemischen Change Manager und Business Coach abgeschlossen, inklusive IHK Prüfung am Freitag. Als ich vor einigen Wochen darüber im Büro erzählte, platzt es voller Erstaunen aus einem Kollegen heraus: “Wofür machst du denn noch eine Ausbildung?” Es war definitiv als Kompliment gedacht und eine absolut berechtigte Frage. Ich musste ganz kurz überlegen. Und meine Antwort an diesem Sommertag in Frankfurt war: “Professionalisierung!”. Ja, es stimmt, über die Jahre habe ich mir einen beeindruckenden Werkzeugkoffer im Bereich Training, Mediation und Coaching zugelegt. Wofür eine weitere Ausbildung, von der auch meine wunderbare Ausbilderin sagte, dass es für mich sicher viele Wiederholungen geben würde. War ich vielleicht lernsüchtig, oder war es dieses Gefühl noch immer nicht gut genug zu sein, das mich zuvor jahrelang auf Trab gehalten hat? Während die Ausbildung langsam startete, merkte ich, dass diese Ausbildung die erste in meinem Leben war, die ich nicht auch aus dem Motiv heraus, (noch) nicht gut genug zu sein, begonnen habe. Es ging mir tatsächlich darum, Bekanntes zu festigen, bzw. speziell im Businesskontext zu betrachten und durch neue Elemente insbesondere aus der systemischen Change-Beratung zu ergänzen, um mich weiter zu professionalisieren. Ja, ich habe einen ausgeprägtes Perfektionsstreben. Ich möchte für meine Kunden, intern wir extern, die beste Coach oder Beraterin sein, die sie finden können. Nicht mehr und nicht weniger! Allein schon dafür brauchte es eine stetige Weiterentwicklung.

Dynamik und Komplexität managen

Schon als sich die Ausbildung dem Ende zuneigte, war mir klar, dass es mir im Kern noch um viel mehr ging, als um Professionalisierung und Perfektionsstreben. Schon vor gut zwei Monaten habe ich meine parallel laufende Ausbildung zum NLP Master Coach abgeschlossen. Schaute ich damals in die Zukunft, freute ich mich sehr darauf, zukünftig nicht mehr etwa zwei Wochenenden im Monat in diversen Weiterbildungen zu verbringen, das erste Mal seit fast drei Jahren… Und während ich mich also auf meine neue Extraportion Freizeit freute, machte sich in einem Teil von mir Unbehagen breit. Eine innere Unruh, die durch den Gedanken, nicht mehr zweimal im Monat etwas hinzuzulernen und den Horizont zu erweitern, so groß wurde, dass ich bereits angefangen habe, zu schauen, was ich als nächstes lernen kann. Und glaubt mir, bei alle dem, was ich in den letzten Jahren bereits gemacht habe, wird es langsam wirklich herausfordernd, etwas zu finden, das sinnvoll daran anknüpft. Bin ich wohl lernsüchtig? Auf dieser Frage habe ich ziemlich lang herumgekaut und bin sehr tief in mein ganz persönliches Wofür eingestiegen. Während einer Gassi-Runde mit meinem Hund Kurt kam mir die Antwort: Es ist meine Strategie, um die große Dynamik und Komplexität unserer Welt für mich zu managen. Es ist offensichtlich meine Strategie um mich im Chaos dieser Welt nicht zu verlieren. Dadurch, dass ich stetig lerne und mich stetig weiterentwickle, machen mir die permanenten Veränderungen im Außen keine Angst. Ich gehe einfach ganz geschmeidig mit, indem ich auch permanent in der Veränderung bleibe.

Lebenslanges Lernen

Natürlich kannte ich das Prinzip des lebenslanges Lernens und habe es auch schon immer für wichtig und hilfreich erachtet. Ich habe über die Jahre sogar feststellen dürfen, dass mir das Lernen mit zunehmenden Alter immer leichter fällt. Sicher hängt das damit zusammen, dass ich mich inzwischen ausschließlich mit Themen beschäftige, die mich interessieren. Im Gegensatz zu Schulzeiten darf ich mir nun aussuchen, was ich lernen möchte. Allerdings bin ich mir zusätzlich sicher, dass meine Leichtigkeit des Lernens auch daran liegt, dass ich inzwischen Lernstrategien entwickelt habe, die perfekt auf mich abgestimmt sind. Ich habe gelernt zu lernen. Das macht es mir wahrscheinlich noch leichter, mich von Weiterbildung zu Weiterbildung zu begeben, manchmal sogar durch mehrere Weiterbildung parallel zu laufen und trotzdem nicht müde zu werden.

Wenn ich heute kurz inne halte, stelle ich fest, dass mich all dieses Lernen, meine Fähigkeit zur inneren Dynamik, unglaublich ruhig und angstfrei gemacht hat. Die Welt ist so verrückt und unberechenbar wie gefühlt noch nie und nein, ich bin nicht sorglos, aber ich ruhe so tief in mir wie ich es zuvor nicht kannte. Dadurch, dass ich nicht stillstehe, scheint es der Dynamik der Welt einfach nicht möglich zu sein, mich zu überholen. So sitze ich tatsächlich im “Driverseat” meines Lebens. -Dank meiner Idee des lebenslangen Lernens.

Und nun…???

Die Frage, die mich an diesem Sonntag umtreibt, ist natürlich die, wie es weitergeht. Erstmal bewusst freuen über das, was ich erreicht habe. Aber meine ursprünglich Idee, nun mal ein Jahr Pause zu machen und meine Wochenende einfach zu genießen, habe ich inzwischen wieder verworfen. Die Welt dreht sich so schnell wie nie und ich möchte mich mitdrehen, weil es mir guttut, mir innere Ruhe und Gelassenheit verschafft.

Im März werde ich meine Kompetenzen im provokativen Coaching vertiefen. Dafür habe ich mir einen dreitägigen Workshop mit der Mutter des provokativen Coachings in Deutschland, Dr. Noni Höfner, herausgesucht. Und im Juni geht es für ein paar Tage nach Heidelberg ans Milton Erickson Institut, wo ich mich unter der Anleitung von Dr. Gunther Schmidt mit dem interaktionellen Kreislauf von Führung beschäftigen werde. Mal schauen, was mir ansonsten noch in den Schoß fällt.

Es war eine wilde Reise bis hierher und ich habe verstanden, dass ich nicht um des Lernen willen lerne. Es geht mir auch nicht mehr darum, dieses Gefühl nicht gut genug zu sein, loszuwerden. Heute weiß ich, dass ich gut bin, manchmal sogar sehr gut. Ich lerne aus Neugierde und Offenheit, aus dem Wunsch, fachlich die Beste Version meiner selbst zu sein. Vor allem aber lerne ich, weil ich weiß, dass ich so nicht verloren gehe, in dieser schnellen Welt im Wandel. Ich trage meinen Kompass in mir und bin deshalb weniger stark auf den Kompass im Außen angewiesen.

So wird es mir dann auch in Zukunft leicht fallen, alle vierzehn Tage Themen zu finden, die es aus meiner Sicht wert sind, in meinem Blog beschrieben zu werden. Ich möchte niemals an den Punkt kommen, an dem ich nichts mehr zu erzählen habe.

Habt einen schönen Sonntag und bis in zwei Wochen!

Eure Constance

PS: Vielleicht habt ihr ja auch nun Lust bekommen zu lernen. Oder vielleicht fragt ihr euch schon eine Weile, wie auch ihr Coach werden könnt. Oder ihr coached bereits erfolgreich und tragt den Wunsch in euch, euch noch weiter zu professionalisieren. Eigentlich mache ich in meinem Blog keine Werbung. Aber aus tiefster Überzeugung möchte ich euch die Ausbildung zum Systemischen Business Coach und Changemanager bei Dr. Jasmin Messerschmidt ans Herz legen. Die nächste Ausbildung geht im kommenden Frühjahr los und ich finde, sie ist perfekt sowohl für Neueinsteiger, als auch für alte Hasen, die den nächsten Schritt gehen wollen. Schaut mal rein. Hier ist der direkte Link! Denn nachdem am Freitag auch die Beisitzerin der IHK das hohe Niveau aller “Prüflinge” betonte, wurde mir auch von außen bestätigt, was mir im Innen bereits klar war: Diese Ausbildung war ein großartiges Investment in mich und meine Zukunft.

Eine Ausbildung, zwei Zertifikate

Man lernt eben nie aus…

Gut geplant ist nicht auch immer gut gemacht - Wenn Change einfach nicht funktionieren will

Denn ein Autofahrer ist ja auch kein Formel 1 Fahrer

Ich gehe davon aus, die meisten meiner Leserinnen und Leser haben einen Führerschein und fahren regelmäßig Auto. Alles kein Problem. Wahrscheinlich fahrt ihr auch mal mit fremden Autos. Selbst der Wechsel von Schaltgetriebe auf Automatik oder umgekehrt läuft halbwegs geschmeidig.

Nun stellt euch vor, morgen gibt es ein riesiges Upgrade für euch! Anstatt eines normalen Autos steht ein Formel 1 Rennwagen vor der Tür und ihr sollt damit zur Arbeit fahren! Läuft bei euch? Bei mir auf keinen Fall. Klar, er hat vier Reifen, ein Lenkrad und einen Motor und ich habe einen Führerschein. Zur Arbeit werde ich es mit diesem Gefährt jedoch sicher trotzdem nicht schaffen. -Auch wenn ich es noch so gerne wollte.

So wie mir mit dem Rennauto geht es vielen Menschen während oder nach sogenannten Transformationsprozessen der Organisationen für die sie arbeiten. Im Hintergrund wird geplant, analysiert, optimiert und irgendwann stellt die Organisation den Mitarbeitenden das Formal 1 Auto untern den Arbeitsmodellen vor die Tür (nennt es New Work, Agilität oder wie auch immer) und keiner ist da, der es fahren kann. Blöd irgendwie.

Die vier Seiten ganzheitlicher Transformation

Was gilt es also zu beachten, damit eine Transformation oder ein Change erfolgreich ist? Die Herren Wilber und Ackerman haben hierfür ihr “Vier-Quadranten-Modell” erstellt, das die vier Felder auf welchen “transformiert” werden muss um nachhaltigen Erfolg zu erzielen, beleuchtet. Hierbei gibt es eine Achse aus Kollektiv und Individuum und einer Achse aus Innen und Außen.

Auf der Seite des Kollektivs im Außen entsteht das Rennauto. Hierbei wird intensiv an Strukturen und Prozessen gearbeitet. Im Innern wird an den Themen Kultur und Kommunikation gearbeitet, damit das schicke neue Rennauto auch auf Begeisterung stößt. Ich kann mich noch lebhaft an Zeiten erinnern, in denen im Prinzip nur und ausschließlich auf struktureller und prozeduraler Ebene gearbeitet wurde und nehme inzwischen wahr, dass immer intensiver auch Wert auf den kulturellen Wandel und ein angemessenes Kommunikationskonzept gelegt wird. Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung erfolgreicher Change-Prozesse. Allerdings fehlen bei dieser Herangehensweise noch immer zwei der laut Wilber und Ackerman relevanten vier Quadranten. -Also die Hälfte!

Denn New Work braucht Inner Work

Da steht es also, unser Rennauto. Dank eines guten Kommunikationskonzeptes finden es zunächst auch alle toll. Die Freude ist groß. Allerdings stellt sich sehr schnell Ernüchterung ein, denn so wie ich am Montagmorgen um mein Rennauto schleiche, so schleichen auch die betroffenen Menschen um das tolle neue Arbeitsmodell und wissen nichts damit anzufangen. Der Frust steigt!

Auf der Ebene des Individuums muss sich im Außen um die Themen Verhalten und Fähigkeiten gekümmert werden. Hierbei stellen zum Beispiel Agile Coaches eine tolle Unterstützung dar. Sie vermitteln das notwendige Handwerkszeug, spiegeln Verhalten und geben Feedback. Zusätzlich erstellt HR eine Lernreise hin zu Agilität, Scrum, Kanban, neuen IT-Systemen oder was es auch immer braucht. Drei von vier Quadranten sind abgedeckt.

So lernen die Menschen in einer Organisation Schritt für Schritt wie das neue, tolle Auto bedient werden muss, um von A nach B zu kommen. So weit so gut. Allerdings ist das neue Auto einfach deutlich schneller als das alte. Ein kleinwenig mehr Gas fühlt sich an wie eine Explosion und die Geschwindigkeit macht unsicher, ggf. sogar ängstlich. Und was ist mit denen die vorher lieber Bus gefahren sind? Es läuft zwar irgendwie, trotzdem wirkt es künstlich, unnatürlich, verkrampft. Man passt sich eben notgedrungen an. Dabei haben weder der Rennwagen noch der Fahrer Spaß. Der Rennwagen muss sich damit abfinden permanent in der Under-Performance zu sein, was dem Motor sicher nicht gefällt. Und der Fahrer ist permanent unsicher oder wenigstens niemals absolut sicher.

Was fehlt ist der vierte Quadrant in Wilbers und Ackermans Modell: Im Inneren muss sich mit dem Individuum inklusive seiner oder ihrer Haltung und Psyche beschäftigt werden, damit die Transformation erfolgreich sein kann. Warum ist das so wichtig? In modernen Kollaborationsmodellen verändert sich vor allem das Thema Führung und Macht. Jede und jeder bekommt in New Work Strukturen einen kleinen Teil der Macht, die in traditionellen Kollaborationsmodellen zentral bei der Führungskraft lag. Das nennt sich dann Empowerment und bedeutet selbstverständlich nicht, dass sich plötzlich alle so verhalten wie früher die Chefs. Vielmehr müssen nun alle gemeinsam im Team entscheiden, sich weiterentwickeln und gemeinsam lernen. Um hier gut und sicher zu agieren braucht es bestimmte Kompetenzen, die Menschen lernen müssen, wie eben auch Rennauto fahren, um dann nicht nur theoretisch schnell fahren zu können, sondern auch so viel Spaß dabei zu haben, dass die Performance des Autos wirklich Formel 1 würdig wird.

Persönlichkeitskompetenzen in einer dynamischen und komplexen Welt

In diesem Zusammenhang haben bereits vor einem guten Jahr Bettina Rollow und Joana Breidenbach drei Kompetenzfelder beschrieben, die in neuen Arbeitsmodellen eine besondere Rolle spielen: die individuellen Kompetenzen, die Beziehungskompetenzen und die Feldkompetenzen. Was gilt es in diesen drei Bereichen konkret zu lernen?

Im Bereich der individuellen Kompetenzen gibt es zwei Ebenen, auf denen ein besonderes Augenmerk liegen sollte: der Selbstkontakt und die Selbstreflexion. In der neuen Arbeitswelt mit fluiden Führungsrollen und weniger äußeren Vorgaben wird der Mensch selbst zu seinem wichtigsten Kompass und Richtungsgeber. Ist der Mensch in einem guten Selbstkontakt ist er sich seiner eigenen Gefühle stärker bewusst und somit in der Lage seine Umwelt bewusster und realistischer wahrnehmen. So können Beziehungen bewusster gestaltet werden, was wiederum dazu führt, dass zum Beispiel Entscheidungen informierter und analytischer getroffen werden, da diese auf mehreren Perspektiven und einer breiteren Faktenlage basieren. Eine gute Selbstreflexion wiederum bedeutet eigene Verhaltensmuster und dahinterliegende Bedürfnisse zu erkennen und so das persönliche Handlungsspektrum zu erweitern. Zum üblichen Reagieren kommt proaktives Agieren hinzu. Auf diese Weise kommen Menschen in der Selbstorganisation deutlich besser zurecht und können leichter eigenverantwortlich mitgestalten.

Schauen wir uns genauer an was sich konkret hinter dem Feld der Beziehungskompetenzen verbirgt, fällt hier zunächst das Thema Empathie, bzw. die transparente und empathische Kommunikation ist Auge. Erfolgreiche Zusammenarbeit im Team hängt in erster Linie von einer guten Beziehungsbasis ab, die eine Arbeitsatmosphäre der von mir so oft beschriebenen psychologischen Sicherheit schafft. Damit eine positiv bewertete Beziehungsbasis entstehen kann, sind unter anderem Fähigkeiten und Techniken der empathischen Kommunikation notwendig. Nur wenn alle im Team in der Lage sind sich auch hinsichtlich ihrer Gefühle und Bedürfnisse präzise und klar auszudrücken, wird es möglich, offen zu diskutieren, ehrliches Feedback zu geben und Konflikte konstruktiv anzugehen. Das Thema Konflikte bringt uns auch schon automatisch zum zweiten Feld im Bereich der Beziehungskompetenzen, das für uns von besonderem Interesse ist: die Fähigkeit, Spannungen auszuhalten. In selbstorganisierten Teams mit hoher Eigenverantwortung wird sehr intensiv um den besten gemeinsamen Kurs gerungen. Hierbei verstecken sich nicht selten Beziehungskonflikte im Mäntelchen der Sachkonflikte. Es ist wichtig, Spannungen im Team zu erkennen und die Angst vor Konflikten abzubauen. Offen über alle relevanten auch nicht fachlichen Themen zu sprechen ist von großer Bedeutung, wenn man das Team tatsächlich als Gesamtressource nutzen möchte. Unangenehmes unter den Teppich zu kehren ist kontraproduktiv.

Im dritten relevanten Bereich, den sogenannten Feldkompetenzen, geht es darum in all der Dynamik und Komplexität, aber auch in dieser Welt voller Möglichkeiten den Überblick nicht zu verlieren. Zwei besonders interessante Bereiche sind hier die sogenannte Metareflexion und die Fähigkeit zur Multiperspektivität in einem Team. Unter Metareflexion versteht man die Fähigkeit die kollektiven mentalen Modelle des Teams zu verstehen. Das heißt welche kulturellen Normen hinsichtlich der Zusammenarbeit gibt sich ein Team und welche sozialen Dynamiken herrschen im Team? Besonders in einem Umfeld der hohen Eigenverantwortung ist diese Fähigkeit von besonderer Bedeutung, da sie eine Voraussetzung dafür ist, einen gemeinsamen Rahmen für das Handeln der einzelnen Teammitglieder zu setzen. Ferner hat die Fähigkeit zur Metareflexion auch direkten Einfluss auf die Multiperspektivität. Multiperspektivität bedeutet, dass jede und jeder im Team ein Verständnis dafür entwickelt, dass Menschen auf Grund ihrer unterschiedlichen Erfahrung auch unterschiedliche Perspektiven und Haltungen entwickeln, wobei jede dieser Perspektiven eine wichtige und wertvolle Ergänzung des Gesamtbildes darstellt. Bei Multiperspektivität geht es nicht darum, andere Perspektiven oder Einschätzung zu respektieren. Multiperspektivität geht hier noch einen Schritt weiter: Es geht darum diese unterschiedlichen Perspektiven wertzuschätzen und jede unterschiedliche Einschätzung dankbar zu durchdenken.

In diesem dritten Bereich passiert aus meiner Erfahrung unter der Überschrift “Diversity & Inclusion” bereits eine Menge in Deutschlands Organisationen. Allerdings müssen wir meiner Meinung nach ein wenig aufpassen, dass diese wichtigen Bestrebungen nicht zur Modeerscheinung verkommen. Außerdem würde ich als Coach gerade mit Fokus auf die Feldkompetenzen der Mitarbeitenden zusätzlich zu Mann-Frau-Herkunft-sexuelle Orientierung-Generationen-Thematik den Fokus auch auf das Thema der kognitiven Diversität richten, denn in letzte Konsequenz geht es auch hierbei darum Unterschiedlichkeit zu integrieren und einen gemeinsamen Weg zu finden.

Der systemische Coach und Change Manager als Fahrlehrer in Rennwagen-Organisationen

Ja, Unternehmen sind gut beraten, wenn sie ihren Mitarbeitenden Fahrstunden für das neue Arbeitsmodell, die neue Struktur, den neuen Prozess anbieten. - Und zwar ganzheitlich, auf allen im Modell beschriebenen Ebenen. Hierbei können systemische Coaches und Change Manager so viel mehr leisten, als Kommunikationskonzepte zu entwickeln. Sie habe das Handwerkszeug um auch an den individuellen Kompetenzen, den Beziehungskompetenzen und den Feldkompetenzen zu arbeiten, wenn man ihnen den Raum und den Rahmen dafür gibt. New Work needs inner work! Und hierbei sollte man beim Management beginnen. Nur so kann es zu diesen wunderbaren Flow-Erlebnissen auch in der wilden Welt der New Work kommen. Nur so werden Organisationen zu lernenden und hoch performanten Organisationen und sind nachhaltig den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen. Eigentlich dürfte ich mir mit dieser Perspektive keine Gedanken hinsichtlich meiner beruflichen Zukunft machen. Dennoch merke ich wieder und wieder, dass es ein ewiger Kampf zu sein scheint, bei den Entscheidungsträgern für die Notwendigkeit systemischer Begleitung zu werben. Change wir häufig nur auf der Dimension der Strukturen und Prozesse gesehen. In diesem Zusammenhang ist klar, dass Menschen ihr neues Handwerk oder neue Fähigkeiten lernen müssen. Hier wird der Rahmen für gewöhnlich automatisch geschaffen. Im besten Fall wird die Ebene der Kultur und Kommunikation ebenfalls mit einbezogen. An dieser Stelle darf ich als Coach und Beraten häufig unterstützen und mitgestalten. Trotzdem fehlt die vierte Ebene, die individuelle innere Arbeit. Schauen wir uns all diese Veränderungsvorhaben an, die langfristig scheitern (es gibt Statistiken, die behaupten es seien 75%), liegt das gefühlt immer wieder daran, dass diese vierte Dimension einfach nicht Teil des Prozesses war und die Menschen ihre neuen Rennwagen zwar fahren, dabei aber viel zu vorsichtig sind, unter ihren Möglichkeiten agieren und dadurch irgendwann zunehmend frustriert werden.

Wie nehmt ihr diese unterschiedlichen Dimensionen in Veränderungsprozessen wahr? Besonders interessant würde ich Feedback von “Betroffenen” finden. Aber auch Feedback und Erfahrungen meiner Coach und Consultant Kolleginnen und Kollegen würde mich interessieren.

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

PS: Wer jetzt auf die Idee kommt, dass all die “Leader as Coaches”, also die Führungskräfte mit coachendem Führungsansatz, diese Lücke in Dimension vier füllen könnte, dem sei ganz klar gesagt “Nein!”. Eine Führungskraft ist und bleibt Führungskraft und der coachende Ansatz in der Führung hat ganz klare Grenzen. Mehr dazu findet ihr in meinem letzten Artikel. Also einfach weiter nach unten scrollen! ;)

Den Blick aufs grosse ganze

Erfolgreiche Transformation geht nur mit ganzheitlichem Ansatz. Denn New Work braucht auch Inner Work!

Die fünf Sprachen der Mitarbeitermotivation - und was das mit Körperkontakt zu tun hat...

Denn Neugier hält die Welt am Laufen

Gebt es zu, ihr fangt gerade nur an zu lesen, weil ihr über das Wort Körperkontakt im Zusammenhang mit Mitarbeitermotivation gestolpert seid und euch denkt, dass das ganz schön schräg ist! Willkommen im Club! Einzig und allein, weil ich das mit dem Körperkontakt verstehen wollte, habe ich mir bei meiner zauberhaften NLP-Ausbilderin Anita gleich ein ganzes Buch ausgeliehen. Eigentlich wollte ich wirklich nur das mit dem Körperkontakt genauer wissen, doch jetzt ertappe ich mich dabei, gefühlt den ganzen 300 Seiten-Schinken zu lesen! Hat meine Neugier mal wieder dazu geführt, dass ich immer klüger werde!

Gary Chapman und die Geheimnisse der Mitarbeitermotivation

Aber für euch beschränke ich mich auf das Wesentliche und fasse mich kurz! Ich fange mal von vorne an. Also, dass ich meine Wochenenden momentan vorzugsweise im NLP-Training verbringe, habe ich, glaube ich, bereits erzählt. Klares Ziel ist es noch weitere Coaching Tools im Bereich Persönlichkeitsentwicklung zu erlernen. Besonders an diese sagenumwobene Glaubenssatzarbeit möchte ich ran. Und natürlich möchte ich mich dann ab Frühsommer NLP Master nennen! Titel sind schon fein…

Im Rahmen dieser Ausbildung ging es am letzten Wochenende um Systeme. In diesem Zusammenhang durfte ich dank Anita einen Herren namens Gary Chapman kennenlernen. -Eigentlich Paartherapeut! Aber im Job geht’s ja manchmal zu wie in einer guten oder schlechten Ehe. Das hat auch Chapman gemeinsam mit Dr. Paul White festgestellt und hat sich die Beziehungen und das Miteinander im Job intensiv angeschaut. Die Frage war und ist, was braucht der Mensch um sich wohl zu fühlen, um motiviert zu sein. Chapman hat festgestellt, dass sich das nicht so pauschal benennen lässt, dass wir Menschen eben ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben. Möchte ich als Chef alle meine Mitarbeiter gleichermaßen motivieren, muss ich auch alle Bedürfnisse befriedigen. Das hört sich nach einer fast unlösbaren Aufgabe an. Zum Glück bietet Chapman hierfür eine wie ich finde formidable Lösung an. Denn den Herren Chapman und White ist es gelungen, diese diffuse Bedürfnislandschaft zu clustern und auf fünf Gruppen runterzubrechen. Sie nennen das die fünf Sprachen der Mitarbeitermotivation, die ich euch natürlich gerne vorstelle:

  1. Lob und Anerkennung

  2. Sich Zeit nehmen

  3. Hilfsbereitschaft

  4. Geschenke (ja, Geschenke!)

  5. Körperkontakt (wot?)

So weit so gut…

Ich weiß nicht wie es euch geht, aber bei der Betrachtung dieser fünf Punkte ist mir sofort mein wichtigster ins Auge gesprungen: Hilfsbereitschaft! -Wahrscheinlich, weil ich durch und durch ein Teamplayer bin, oder es vielleicht durch meine vielen Jahre in der Luftfahrt geworden bin, habe ich während dieser Zeit doch verstanden, dass ich allein ziemlich verloren bin, egal wie gut ich bin. Selbst Perfektion reicht nicht, denn “A flying mission is always a team task!” sagte dereinst ein gewisser Herr Foushee, seines Zeichens Luftfahrtpsychologe und Human Factors Experte. Wenn ich genauer darüber nachdenke, werden mir tatsächlich immer mehr Job-Situationen bewusst, in welche ich diese Hilfsbereitschaft erfahre. Vielleicht bin ich auch deshalb stets hoch motiviert. Außerdem gebe ich zu, dass mich auch die anderen Bereiche nicht kalt lassen. Lob und Anerkennung tut auch mir gut. Ich liebe es, wenn meine Kollegen sich auch mal Zeit für einen (virtuellen) Kaffee nehmen und die Weihnachtspäckchen, die ich kürzlich von meinem Arbeitgeber bekommen habe, habe mich riesig gefreut. Sie haben mich tatsächlich sogar ein bisschen Stolz gemacht.

So weit so gut. Ich attestiere, Punkte eins bis vier funktionieren auch im virtuellen und hybriden Raum ganz formidabel. Tatsächlich hätte ich bei allen Punkten selbst sogar die ein oder andere Idee, was man noch zusätzlich tun könnte, um Mitarbeiter ganzheitlich zu erreichen und zu motivieren, wenn das eben diese Kanäle sind, die es zu bespielen gilt.

Und dann sind da nur Fragezeichen…

So weit so gut. Jedoch gebe ich unumwunden zu, dass ich in Hinblick auf Punkt fünf tatsächlich mehr Fragezeichen im Kopf hatte als sinnvolle Ansätze. De Facto hatte ich noch nicht mal den Hauch einer Idee… Körperkontakt zur Mitarbeitermotivation erschien mir zunächst mehr als befremdlich. Und Anfassen in eine virtuellen Umgebung… Ausgesprochen lustig, Herr Chapman!

Was mir einleuchtet sind Chapmans Beispiel mit dem festen Händedruck, dem aufmunternden “Schulter-Klapps”, vielleicht sogar noch das mit der Umarmung. Aber sollte ich die Führungskräfte, mit denen ich als Coach arbeite, tatsächlich dazu motivieren, ihre Mitarbeiter bewusst zu berühren??? Allein der Gedanke sorgt bei mir für Gänsehaut und die Nackenhaare stellen sich auf. Denn Körperkontakt ist ja nicht gleich Körperkontakt und ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich mich als junge Frau mehr als einmal als Opfer unangemessenen Körperkontakts gefühlt habe. Zum Glück differenziert Chapman da ganz klar und spricht von angemessenem Körperkontakt und was als angemessen gelte bestimme hier ganz klar die jeweilige Kultur in der ich mich bewege, schreibt er. Innerhalb meiner Kultur habe ich hinsichtlich der Angemessenheit einer Berührung ein gutes intuitives Gefühl. Was bleibt ist natürlich die Frage, ob Chefs, die einen Klapps auf den Hintern der jungen Kollegin als angemessen einordnen, nun in einer anderen Kultur leben als ich. Aber das würde für diesen Blog zu weit führen.

Nehmen wir also an, ich bewege mich in einem Umfeld, in dem alle das gleiche Verständnis für angemessenen Körperkontakt hätten, wäre ja alles gut… -Wäre da nicht die fortschreitende Digitalisierung, virtuelle und hybride Arbeitswelt und der Fakt, dass viele Kollegen sich nur sehr selten bis gar nicht sehen. Hier ist guter Rat teuer. Dann ist das ein Bedürfnis dem ich als Chef nicht gerecht werden kann!

Also lasst uns doch mal ein paar Chefs dazu befragen

Nein, ich habe diesbezüglich keine sinnvolle Lösung parat, aber zu Glück arbeite ich ja tagtäglich mit Führungskräften zusammen, die eigentlich vor genau diesem Dilemma stehen müssten. Also habe ich dieses Thema mal in einem Workshop zum Thema Führung (in virtuellen und hybriden Teams) zur Diskussion gestellt und war mehr als erstaunt, was ich zu hören bekam. Am meisten war ich darüber erstaunt, dass die in der Mehrzahl männlichen Führungskräfte das Thema Körperkontakt nicht “weggelacht” haben, sondern sich sehr differenziert damit auseinandergesetzt haben. Die Kollegen konnten alle Situationen benennen, in denen Körperkontakt subjektiv empfunden wichtig war und gegenwärtig fehlt. - Zur Erklärung: Die betreffenden Führungskräfte befinden sich mitsamt all ihren nachgeordneten Strukturen Corona-bedingt seit zwei Jahren im Homeoffice und werden nach dem offiziellen Ende der Pandemie in hybriden Teams zusammenarbeiten.

Zurück zur Diskussion auf Führungskräfteebene: Ich war erstaunt, dass, nachdem sie etwas Zeit hatten darüber nachzudenken, eine Vielzahl konkreter Beispiele benannt wurden, wann Körperkontakt “damals” gefühlt wichtig für sie, oder die Kollegen war. Diese Diskussion ging weit über den Händedruck, oder den aufmunternden oder unterstützenden Klapps auf das Schulterblatt hinaus. -Highfives wenn etwas gut gelaufen ist und sogar Umarmungen, wenn eine besonders knifflige Aufgabe gelöst war, wurden genannt! Während erzählt wurde war eine wirklich positive Energie zu spüren. Und dann machte sich plötzlich etwas Ratlosigkeit breit, denn man hatte sich bisher nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, was in der neuen Welt fehlt und vor allem was das für Auswirkungen hat. Plötzlich stand da einer dieser großen rosa Elefanten im Raum und man wusste nicht damit umzugehen. Problem erkannt! Lösung leider nicht! Denn unter den gegenwärtigen Umständen und auch in Hinblick auf die zukünftige Zusammenarbeit in vielen Unternehmen gibt es keine Lösung, die so einfach wäre, als dass die Führungskraft wieder Hände schütteln könnte, Teams sich bei Erfolgen abklatschen und in den Arm nehmen können, die unterstützende Hand im Rücken lässt sich nicht mehr so einfach darstellen.

Gemeinsam stellten wir fest, dass es etwas ganz Neues braucht, etwas Anderes, etwas, das es noch nicht gibt, um der Herausforderung der virtuellen Führung wirklich gerecht zu werden. Natürlich werde ich als Coach gerne fragend angeschaut. Jedoch weiß auch ich (noch) keinen Rat und keine Methode. Ich freue mich aber etwas ganz Neues zu erfinden, was für diesen einen Kontext passt und in diesem einen Kontext die Nähe aufbaut, für die es eigentlich Körperkontakt bräuchte. Ob und das gelingt? Keine Ahnung, aber einen Versucht ist es wert. Meine Pionier-Gruppe begibt sich jedenfalls ab nächster Woche auf eine zwölfwöchige Reise zum Thema “Kommunikation als Führungstool (in einer virtuellen Welt)”, die ich Leading out Loud Circle genannt habe. Ziel ist es, die subjektiv empfunden psychologische Sicherheit innerhalb der Organisationseinheit zu verbessern indem wir das Thema Kommunikation zum bewussten Aufbau von Nähe und Beziehungen in die “neue Welt” tragen. Ich bin mehr als gespannt und werde das ein oder andere sicher auf diesem Kanal mit euch teilen.

Für heute wünsche ich euch einen wunderschönen Sonntag und einen guten Start in die Woche, egal ob virtuell oder analog! Vielleicht werdet ihr ja auch an der ein oder anderen Stelle darüber nachdenken, ob es etwas Neues braucht!

Eure Constance

Körperkontakt - ein verdammt heißes Eisen

… und ein Grundbedürfnis, auch im Büro?!