Weiterentwicklung

"Wofür machst du denn NOCH eine Weiterbildung?" - Über Wissensdurst, Lernsucht und Perfektionsstreben.

“Du lernst im Leben nie zu viel, das sei auch stets dein Ziel!”

Diese Worte hat mir Mark bereits im Grundschulalter in meinem Poesiealbum hinterlassen. Ich glaube er hatte keine Ahnung, wie prophetisch sie sein sollten.

Gestern habe ich meine Ausbildung zum systemischen Change Manager und Business Coach abgeschlossen, inklusive IHK Prüfung am Freitag. Als ich vor einigen Wochen darüber im Büro erzählte, platzt es voller Erstaunen aus einem Kollegen heraus: “Wofür machst du denn noch eine Ausbildung?” Es war definitiv als Kompliment gedacht und eine absolut berechtigte Frage. Ich musste ganz kurz überlegen. Und meine Antwort an diesem Sommertag in Frankfurt war: “Professionalisierung!”. Ja, es stimmt, über die Jahre habe ich mir einen beeindruckenden Werkzeugkoffer im Bereich Training, Mediation und Coaching zugelegt. Wofür eine weitere Ausbildung, von der auch meine wunderbare Ausbilderin sagte, dass es für mich sicher viele Wiederholungen geben würde. War ich vielleicht lernsüchtig, oder war es dieses Gefühl noch immer nicht gut genug zu sein, das mich zuvor jahrelang auf Trab gehalten hat? Während die Ausbildung langsam startete, merkte ich, dass diese Ausbildung die erste in meinem Leben war, die ich nicht auch aus dem Motiv heraus, (noch) nicht gut genug zu sein, begonnen habe. Es ging mir tatsächlich darum, Bekanntes zu festigen, bzw. speziell im Businesskontext zu betrachten und durch neue Elemente insbesondere aus der systemischen Change-Beratung zu ergänzen, um mich weiter zu professionalisieren. Ja, ich habe einen ausgeprägtes Perfektionsstreben. Ich möchte für meine Kunden, intern wir extern, die beste Coach oder Beraterin sein, die sie finden können. Nicht mehr und nicht weniger! Allein schon dafür brauchte es eine stetige Weiterentwicklung.

Dynamik und Komplexität managen

Schon als sich die Ausbildung dem Ende zuneigte, war mir klar, dass es mir im Kern noch um viel mehr ging, als um Professionalisierung und Perfektionsstreben. Schon vor gut zwei Monaten habe ich meine parallel laufende Ausbildung zum NLP Master Coach abgeschlossen. Schaute ich damals in die Zukunft, freute ich mich sehr darauf, zukünftig nicht mehr etwa zwei Wochenenden im Monat in diversen Weiterbildungen zu verbringen, das erste Mal seit fast drei Jahren… Und während ich mich also auf meine neue Extraportion Freizeit freute, machte sich in einem Teil von mir Unbehagen breit. Eine innere Unruh, die durch den Gedanken, nicht mehr zweimal im Monat etwas hinzuzulernen und den Horizont zu erweitern, so groß wurde, dass ich bereits angefangen habe, zu schauen, was ich als nächstes lernen kann. Und glaubt mir, bei alle dem, was ich in den letzten Jahren bereits gemacht habe, wird es langsam wirklich herausfordernd, etwas zu finden, das sinnvoll daran anknüpft. Bin ich wohl lernsüchtig? Auf dieser Frage habe ich ziemlich lang herumgekaut und bin sehr tief in mein ganz persönliches Wofür eingestiegen. Während einer Gassi-Runde mit meinem Hund Kurt kam mir die Antwort: Es ist meine Strategie, um die große Dynamik und Komplexität unserer Welt für mich zu managen. Es ist offensichtlich meine Strategie um mich im Chaos dieser Welt nicht zu verlieren. Dadurch, dass ich stetig lerne und mich stetig weiterentwickle, machen mir die permanenten Veränderungen im Außen keine Angst. Ich gehe einfach ganz geschmeidig mit, indem ich auch permanent in der Veränderung bleibe.

Lebenslanges Lernen

Natürlich kannte ich das Prinzip des lebenslanges Lernens und habe es auch schon immer für wichtig und hilfreich erachtet. Ich habe über die Jahre sogar feststellen dürfen, dass mir das Lernen mit zunehmenden Alter immer leichter fällt. Sicher hängt das damit zusammen, dass ich mich inzwischen ausschließlich mit Themen beschäftige, die mich interessieren. Im Gegensatz zu Schulzeiten darf ich mir nun aussuchen, was ich lernen möchte. Allerdings bin ich mir zusätzlich sicher, dass meine Leichtigkeit des Lernens auch daran liegt, dass ich inzwischen Lernstrategien entwickelt habe, die perfekt auf mich abgestimmt sind. Ich habe gelernt zu lernen. Das macht es mir wahrscheinlich noch leichter, mich von Weiterbildung zu Weiterbildung zu begeben, manchmal sogar durch mehrere Weiterbildung parallel zu laufen und trotzdem nicht müde zu werden.

Wenn ich heute kurz inne halte, stelle ich fest, dass mich all dieses Lernen, meine Fähigkeit zur inneren Dynamik, unglaublich ruhig und angstfrei gemacht hat. Die Welt ist so verrückt und unberechenbar wie gefühlt noch nie und nein, ich bin nicht sorglos, aber ich ruhe so tief in mir wie ich es zuvor nicht kannte. Dadurch, dass ich nicht stillstehe, scheint es der Dynamik der Welt einfach nicht möglich zu sein, mich zu überholen. So sitze ich tatsächlich im “Driverseat” meines Lebens. -Dank meiner Idee des lebenslangen Lernens.

Und nun…???

Die Frage, die mich an diesem Sonntag umtreibt, ist natürlich die, wie es weitergeht. Erstmal bewusst freuen über das, was ich erreicht habe. Aber meine ursprünglich Idee, nun mal ein Jahr Pause zu machen und meine Wochenende einfach zu genießen, habe ich inzwischen wieder verworfen. Die Welt dreht sich so schnell wie nie und ich möchte mich mitdrehen, weil es mir guttut, mir innere Ruhe und Gelassenheit verschafft.

Im März werde ich meine Kompetenzen im provokativen Coaching vertiefen. Dafür habe ich mir einen dreitägigen Workshop mit der Mutter des provokativen Coachings in Deutschland, Dr. Noni Höfner, herausgesucht. Und im Juni geht es für ein paar Tage nach Heidelberg ans Milton Erickson Institut, wo ich mich unter der Anleitung von Dr. Gunther Schmidt mit dem interaktionellen Kreislauf von Führung beschäftigen werde. Mal schauen, was mir ansonsten noch in den Schoß fällt.

Es war eine wilde Reise bis hierher und ich habe verstanden, dass ich nicht um des Lernen willen lerne. Es geht mir auch nicht mehr darum, dieses Gefühl nicht gut genug zu sein, loszuwerden. Heute weiß ich, dass ich gut bin, manchmal sogar sehr gut. Ich lerne aus Neugierde und Offenheit, aus dem Wunsch, fachlich die Beste Version meiner selbst zu sein. Vor allem aber lerne ich, weil ich weiß, dass ich so nicht verloren gehe, in dieser schnellen Welt im Wandel. Ich trage meinen Kompass in mir und bin deshalb weniger stark auf den Kompass im Außen angewiesen.

So wird es mir dann auch in Zukunft leicht fallen, alle vierzehn Tage Themen zu finden, die es aus meiner Sicht wert sind, in meinem Blog beschrieben zu werden. Ich möchte niemals an den Punkt kommen, an dem ich nichts mehr zu erzählen habe.

Habt einen schönen Sonntag und bis in zwei Wochen!

Eure Constance

PS: Vielleicht habt ihr ja auch nun Lust bekommen zu lernen. Oder vielleicht fragt ihr euch schon eine Weile, wie auch ihr Coach werden könnt. Oder ihr coached bereits erfolgreich und tragt den Wunsch in euch, euch noch weiter zu professionalisieren. Eigentlich mache ich in meinem Blog keine Werbung. Aber aus tiefster Überzeugung möchte ich euch die Ausbildung zum Systemischen Business Coach und Changemanager bei Dr. Jasmin Messerschmidt ans Herz legen. Die nächste Ausbildung geht im kommenden Frühjahr los und ich finde, sie ist perfekt sowohl für Neueinsteiger, als auch für alte Hasen, die den nächsten Schritt gehen wollen. Schaut mal rein. Hier ist der direkte Link! Denn nachdem am Freitag auch die Beisitzerin der IHK das hohe Niveau aller “Prüflinge” betonte, wurde mir auch von außen bestätigt, was mir im Innen bereits klar war: Diese Ausbildung war ein großartiges Investment in mich und meine Zukunft.

Eine Ausbildung, zwei Zertifikate

Man lernt eben nie aus…

Ich schaff's! -Heute mal was fürs Herz

Ben Furman und die glücklichen Kinder

In der letzten Woche bin ich im Rahmen einer eigenen Weiterbildung in die Untiefen der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) eingetaucht und irgendwie war mir bereits am Montag klar, dass ich an diesem Wochenende etwas über NLP würde schreiben wollen. Winterkorn und Konsorten nehme ich mir dann nächste Woche vor! Natürlich dachte ich an irgendeinen Klassiker, irgendwas mit Refraiming oder Pacing, oder so… Dachte ich! Schaue ich jetzt allerdings auf die letzte Woche zurück ist es etwas ganz anderes, das besonders nachhaltig in meinem Kopf hängen geblieben ist. De Facto glaube ich sogar, dass es nicht nur in meinem Kopf, sondern direkt in meinem Herz hängen geblieben ist.

Dank meiner wundervollen Ausbilderin Anita durfte ich den finnischen Psychologen Ben Furman kennenlernen, der sich vor allem mit problematischen Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt. Dies tut er mit einer derart respekt- und liebevollen Art, dass mir das Herz aufgeht und ich nicht umhinkomme, seine Methode, die er “Ich schaff’s!” nennt, mit euch zu teilen. -Nicht zu Letzt auch, weil wir ja alle das Kind in uns mit durch unser Leben tragen und vielleicht deshalb auch als Erwachsene davon profitieren können.

Von zarten Kinderseelen

Im Rahmen des Seminars haben wir unter anderem einen Vortrag von Ben Furman angeschaut, in dem er von einer Reise nach Japan berichtet. Eine Mutter kam mit ihrem Sohn, der zwanghaft seine Fingernägel abgekaut hat, zu ihm. Dieses Problem galt es zu lösen. Interessanterweise interessierte sich Furman zunächst überhaupt nicht für das Problem. Vielmehr beschäftigte er sich in den ersten zehn bis fünfzehn Minuten mit dem, was der Junge schon alles gut konnte. Woraufhin der Junge seine Mama bat, am liebsten den ganzen Tag beim Therapeuten bleiben zu dürfen. Offensichtlich hat er sich wohl damit gefühlt, all das berichten zu dürfen, was er schon alles kann. Wie gut kann ich diesen kleinen Mann hier verstehen! Sicher fühlte er sich sehr stolz.

Als es schließlich darum ging, herauszufinden, was denn wohl das Problem sei, fragte Furman nicht nach dem Problem, sondern danach, was der Junge denn noch alles lernen möchte, obwohl er doch schon so viel konnte. Er wollte lernen, nicht mehr an seinen Fingernägeln zu kauen.

Während mir an dieser Stelle schon das Herz aufging, weil ich so berührt von diesem respektvollen und achtsamen Umgang mit diesem kleinen Menschen war, setzte Furman noch einen drauf: Gleich damit aufhören zu wollen, an allen zehn Fingern zu kauen, sei doch ganz schön viel auf einmal. Der Junge stimmte zu und Furman schlug vor, zunächst erstmal mit einem Finger zu beginnen. Furman nannte das “Baby-Steps” und der Junge entschied sich für einen seiner Daumen. Er durfte sich sogar noch Unterstützer suchen. Mit Hilfe dieser kleinen Schritte und seiner Unterstützer konnte der Junge schnell erste Erfolge feiern und war schließlich so motiviert, dass es ihm gelang, seine neue Fähigkeit, keine Fingernägel mehr zu kauen, voll umzusetzen! Er hat nichts aufgegeben, oder mit nichts aufgehört, sondern etwas Neues angefangen.

Ich schaff’s!

“Ich schaff’s” nennt Ben Furman seine zauberhafte Methode, die er in sieben Schritte einteilt:

  1. Die Definition eines Ziels: Dieses Ziel soll dabei positiv formuliert sein. Es geht nicht darum, etwas sein zu lassen, oder sich zu ändern, sondern darum, eine neue Fähigkeit zu lernen. Lernen fühlt sich immer positiv an, finde ich!

  2. Diese Fähigkeit bekommt sogar einen richtigen Namen, damit sie greifbarer, realer wird.

  3. Da wir im NLP sind, bekommt die Fähigkeit auch einen Anker, oder ein Symbol, dass man nutzen kann, um nicht zu vergessen, was man lernen möchte. -Der berühmte Knoten im Taschentuch!

  4. Weil alles mit Unterstützung leichter geht, wählt man sich als nächstes ein paar Unterstützer aus. Es geht darum, sein Ziel zu teilen und mit der Unterstützung anderen, nicht allein, daran zu arbeiten.

  5. Im nächsten Schritt geht es darum, seine bereits etablierten, individuellen Muster für das Erreichen seines Ziels zu nutzen. Es geht darum, bewusst zu überlegen, wann es einem schon einmal gelungen ist, ein Ziel zu erreichen, oder etwas Neues zu lernen und wie man das gemacht hat.

  6. In Ben Furmans Welt ist es gar nicht schlimm, eine kleine Ehrenrunde zu drehen. Natürlich wird man wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Es ist sogar zu erwarten, denn diese alten Muster sind selbstverständlich im Vorteil. Hat man sie doch über Jahre hinweg geübt! Deshalb darf man auch gerne großzügig mit sich selbst sein. Man darf sogar liebevoll mit sich umgehen, wenn man seine neue Fähigkeit doch einmal vergisst.

  7. Zu guter Letzt kommt die Party! Natürlich müssen Erfolge auch ausgiebig gefeiert werden, auch die kleinen! Das macht man dann am besten mit all seinen Unterstützern!

Jetzt stell dir mal vor…

Den Ansatz von NLP, mit dem ich mich gerade beschäftige, hat einen hypnosystemischen Hintergrund, angelehnt an Dr. Gunther Schmidt. Hypnosystemisch… -Hört sich befremdlich für dich an? Keine Sorge, ist alles ausgesprochen wissenschaftsbasiert! Und weil das eine so gute Basis hat, hast du ja jetzt vielleicht Lust auf ein kleines Gedankenspiel.

Stell dir mal vor, es gibt eine Seite von dir, ein Verhalten, oder ein fehlendes Verhalten, dass du gerne ändern möchtest. Oder es gibt dieses eine große Ziel, dass du erreichen möchtest. Jetzt stell dir weiter vor, das Ziele wäre nicht, etwas sein zu lassen, etwas los zu werden, sondern etwas Neues zu erreichen oder zu lernen. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber ich bin nicht so gut darin, etwas sein zu lassen, oder etwas los zu werden. Das fällt mir immer schwer. Egal ob es die zwei Kilo extra sind, die ich gerne loswerden möchte, oder meine ewige Ungeduld, die ich gerne sein lassen möchte. Dieses “Loswerden” klappt bei mir meistens nur semi-gut! Worin ich aber offensichtlich gut bin, ist darin, neue Dinge zu lernen. Immerhin habe ich in meinem Leben schon so unglaublich viel gelernt, ich muss gut darin sein, etwas Neues zu lernen. Du ja vielleicht auch! Wenn dein Ziel also so formuliert ist, dass du durch lernen daran arbeiten kannst, ist es plötzlich erreichbar! Vielleicht ist das ja bei dir ganz ähnlich. Stell dir also vor, du weißt ganz genau, was du lernen möchtest, um dein Ziel zu erreichen, weil du dieser neuen Fähigkeit sogar einen Namen gegeben hast. Vielleicht hat sie in deiner Vorstellung vielleicht sogar eine Gestalt. Jedenfalls ist das für dich kein abstraktes Etwas mehr. Damit du das auch nicht vergisst, hast du dir einen Knoten in dein Taschentuch gemacht. Das Ziel und damit die Marschrichtung liegen also glasklar vor dir. Jetzt stell dir vor, du musst diesen Weg nicht allein gehen, weil du Menschen hast, die dich dabei unterstützen. So gehst du also los, getragen von deinen Unterstützern, in kleinen, aber dafür realistischen Schritten. Die ersten Erfolgserlebnisse treten schnell ein. Das wird natürlich gefeiert! Und falls du bei all deinen Baby-Steps mal eine kleine Ehrenrunde drehst, lächelst du und bist ganz entspannt mit dir selbst, weil du weißt, dass das normal ist und passiert. Du bist ein Mensch und so funktionieren Menschen nun mal! “Die alten Muster haben immer einen Wettbewerbsvorteil!”, sagt meine Ausbilderin Anita in solchen Fällen! Und Recht hat sie!

Du darfst dich gerne kurz zurücklehnen, vielleicht machst du sogar die Augen zu und lässt dich für einen Moment ganz bewusst auf dieses Gedankenspiel ein. Fühlt sich gut an, oder?

Mit den Ressourcen im Scheinwerferlicht

Manchmal frage ich mich wirklich was mit uns Menschen los ist! Von Kindesbeinen an liegt der Fokus auf den Defiziten, dem was man noch nicht kann, was man falsch macht, oder worin man unbedingt noch besser werden muss. Ben Furman interessiert sich nicht dafür! Was hilft es ihm, sich in endlosen Schleifen um das Problem zu drehen. Er möchte Lösungen finden und dabei sind vor allem unsere Ressourcen hilfreich, die internen, wie unsere Fähigkeiten, die wir alle in uns tragen, aber auch die externen, unsere Unterstützer, die Menschen um uns herum, die nur darauf warten, uns unterstützen zu dürfen. Oder wie würdet ihr reagieren, wenn euch jemand um Unterstützung bittet, wenn euch jemand ins Vertrauen zieht? Ich fühle mich jedes Mal geehrt! Wann habt ihr eigentlich das letzte Mal Menschen um Unterstützung gebeten? Ich tue es zu selten und strample mich viel zu oft alleine ab, um meine Ziele zu erreichen. Aber wahrscheinlich ist das nur mein ganz eigenes Thema und Ben Furmans Modell “Ich schaff’s!” ist doch nichts für Erwachsene, sondern nur etwas für das Kind in mir! Als Coach muss ich ja auch nicht immer Recht haben.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag!

Eure Constance

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Ich schaff’s!

Denkt sich auch mein kleiner Kurt und übt lustig weiter, aufs Sofa zu klettern…

Der Mechaniker und die Harvard Professorin

To be continued…

Ich plane nicht, dass die einzelnen Beiträge meines Blogs in irgendeiner Form aufeinander aufbauen. Vielmehr soll jeder einzelne Beitrag für sich ein kleiner Appetithappen sein, der Lust macht, ein wenig nachzudenken. Heute ist das etwas anders, denn ich möchte heute gerne nochmal auf unseren Automechaniker vom letzten Mal zurückkommen. Der Mechaniker, der dem Chef nicht gesagt hat, dass er keinen passenden Schlüssel hat um das Rad zu wechseln, das Rad aber trotzdem irgendwie gewechselt hat.

“Doof!” denkt sich der geneigte Leser und denke ich mir eigentlich auch. Von außen betrachtet wirken manche Fehler so glasklar, dass man leicht zu der Arroganz gelangen kann, dass einem selbst das so niemals passiert wäre. Vor allem, weil es von außen betrachtet ja auch kein großes Ding war: “Hey, Chef, ich kann das Rad so nicht wechseln. Mir fehlt der passende Schlüssel, um alles richtig fest zu ziehen.”

Selbstreflexion für Einsteiger

An dieser Stelle ist es Zeit für uns, ein wenig in uns zu gehen und für einen kurzen Moment ernsthaft darüber nachzudenken, ob es auch in unserer beruflichen Laufbahn Situationen gab, in denen wir eigentlich hätten etwas sagen sollen, es aber nicht getan haben. Je länger man nachdenkt, desto mehr dieser Situationen schießen einen durch den Kopf. Keine Sorge, das ist normal. Ihr seid normal funktionierende Menschen und keineswegs das, was man gerne als unprofessionell bezeichnet. Auf dieses Wort bin ich ohnehin einigermaßen allergisch, weil es das nicht gibt. Es gibt nur menschlich und es ist menschlich seinen Mund zu halten. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie es unsere bunte Welt ist. Sagt ihr mir, warum ihr den Mund gehalten habt. Ich habe es getan, weil ich nicht auffallen wollte, Angst vor einem Konflikt hatte, Angst davor, ein Außenseiter zu sein, Sorgen vor möglichen disziplinarischen Konsequenzen, Angst davor, zuzugeben, dass ich offensichtlich die Einzige im Team war, die mit etwas nicht klar kommt und so weiter und so fort. Überhaupt spielen Ängste und Sorgen beim Mund halten offensichtlich eine große Rolle.

Nun wissen wir nicht nur durch die von mir bereits erwähnte Harvard Professorin Amy C. Edmondson, dass das Lernen aus Fehlern eine absolute Basis für den Erfolg von Gruppen, Teams oder ganzen Unternehmen darstellt. Amy schreibt, dass erfolgreiche High Performance nur in sogenannten Lernenden Organisationen möglich ist. Wie aber soll die Organisation lernen, wenn alle Angst davor haben, Probleme anzusprechen oder Fehler zuzugeben.

Halbgötter in weiß

Einen Teil ihrer Forschung hat Amy C. Edmondson in Krankenhäusern betrieben. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass diejenigen Krankenhäuser, die von sich selbst sagten, dass es häufig zu Fehlern käme, insgesamt erfolgreicher waren (und hier wurde nicht der wirtschaftlich Erfolg gemessen, sondern Sterblichkeitsraten, Kunstfehler, etc.), als diejenigen Krankenhäuser, die behaupteten, bei ihnen würden -wenn überhaupt- nur selten Fehler gemacht. Spätestens hier dämmerte es Amy sicher: Fehler müssen etwas ziemlich gutes sein. Fehler retten Leben! Zugegebenermaßen, eine gewagte These. Es folgt die Einschränkung: Fehler retten Leben, wenn sie aufgearbeitet werden und dazu genutzt werden, Leistung und Prozesse zu optimieren.

Das Problem ist, dass viele unserer Fehler erstmal keine wahrnehmbaren Konsequenzen nach sich ziehen und deshalb bietet es sich geradezu an, diese unter den Teppich zu kehren, getreu dem Kölschen Grundgesetz: Et hätt noch immer jot jejange! Die Gefahr ist hierbei immer, dass sich irgendwann zu viele kleine Fehler summieren, eine Fehlerkette entsteht und es den großen Schlag tut.

Zurück in die KFZ-Werkstatt

Die Frage, die sich hier unweigerlich stellt, ist, wie es gelingt, Menschen dazu zu bringen, Fehler aus freien Stücken zuzugeben und zu beleuchten. In der Praxis müssten wir uns fragen, was unser Automechaniker gebraucht hätte, um zu seinem Chef zu gehen und entweder schon vorher zu sagen, dass er die Aufgaben nicht erledigen kann, weil…, oder danach zum Chef zu gehen und zu sagen, dass er Mist gebaut habe. So hätte der Chef vielleicht den Kunden noch warnen können, eh der Unfall passiert wäre. Außerdem hätte er mit einer kleinen Investition seine Werkstatt retten können. Hierzu hat Amy eine ganz revolutionäre Idee (die eigentlich jedem von uns ebenso hätte einfallen können)! Wenn Angst uns davon abhält, den Mund aufzumachen, brauchen wir Sicherheit, die ein Gegengewicht zu unseren Ängsten darstellt. Sie nennt diese Sicherheit neuhochdeutsch Psychological Safety.

Wann immer ich im Rahmen meiner Workshops oder Vorträge auf dieses Thema zu sprechen komme, gibt es im ersten Schritt große Zustimmung. Psychological Safety ist super wichtig und alle möchten sie haben. Da man diese Sicherheit aber nicht auf dem Silbertablett serviert bekommt und ich auch leider noch keinen Weg gefunden habe, sie in Geschenkboxen zu verkaufen, entbrennt im zweiten Schritt für gewöhnlich eine sehr lebhafte Diskussion darüber, wer denn nun für diese Sicherheit verantwortlich sei. Ihr dürft gerne kurz selbst darüber nachdenken, eh ihr weiter lest.

Ich gebe unumwunden zu, dass Führungskräften auch aufgrund ihrer Vorbildfunktion diesbezüglich eine besondere Rolle zuteil wird, aber spätestens wenn wir feststellen, dass auch Führungskräfte nur Menschen sind (ich weiß, das kommt für einige überraschend), die ebenso ein Sicherheitsbedürfnis haben und wir uns fragen, wer denn den Führungskräften Sicherheit gibt, merken wir relativ schnell, dass die Katze sich irgendwie in den Schwanz beißt. Am Ende sind wir alle für diese ominöse Psychological Safety verantwortlich. Alles in allem handelt es sich hier um ein unternehmenskulturelles Thema. Und wenn ich von Unternehmenskultur spreche, meine ich keineswegs diese schicken bunten Codes of Conduct, die alle Unternehmen in irgendeiner Form ausgearbeitet und den Mitarbeitern zum auswendig lernen übergeben haben. Ich meine das, was gelebt wird, jeden Tag, Hierarchien übergreifend. Hinterfragt Euch doch einfach mal, wie ihr mit euren Kollegen und Schnittstellen umgeht. Gebt ihr den Leute um Euch Sicherheit? Seid ihr nahbar genug, dass Kollegen euch auch jederzeit mit einem ihnen unangenehmen Thema ansprechen würden? Fühlt doch auch mal in euch rein, ob es jemanden in eurem beruflichen Umfeld gibt, der euch ein ganz besonderes Sicherheitsgefühl gibt. Woran liegt das? Kann ich mir davon vielleicht sogar etwas abschauen?

Wenn wir ein besonders hohes Leistungsniveau erreichen möchten, ist die Psychological Safety eine der beiden großen Grundvoraussetzungen. Die zweite möchte ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen. Denn wenn ich mich nur sicher fühle, schaffe ich es allenfalls in meine Komfortzone. Da ist es zwar ganz nett, auf Dauer aber auch todlangweilig. Innovation findet hier nicht statt. Um in die Weiterentwicklung zu gehen, brauche ich auch jemanden der mich fordert und mich sanft und behutsam aus meiner Komfortzone lockt. Ich verspreche, dass es dazu sicher auch noch einen Beitrag geben wird. Bis dahin kann ich euch nur ermuntern, an der Psychological Safety in euren Arbeitsumfeld zu arbeiten. Denn für heute soll es das gewesen sein.

Vielen Dank fürs durchhalten bis zum Schluss. Bleibt gesund!

Constance

Immer auf der Suche…

Immer auf der Suche…