Persönlichkeit

Sinn und Sinnlosigkeit von Zielen und die Suche nach Bedeutung in einer volatilen Welt

Denn nichts ist so Gewiss wie die Ungewissheit

Wir leben in einer geradezu obszön zielorientierten Zeit. Alles braucht Ziele, persönliche Ziele, Unternehmensziele, Jahresziele, ESG-Ziele, CO2-Ziele,Kriegsziele, Friedensziele... Und natürlich müssen diese Ziele auch alle messbar, um nicht zu sagen SMART sein. Dabei frage ich mich wieder und wieder, wie nachhaltig und erreichbar diese festen Ziele in einer Zeit sind, die vor allem durch ihre Volatilität, ihre Dynamik und Unberechenbarkeit hervorsticht. Das frage ich mich nicht nur, weil ich kurz vor meinem eigenen Mid-Year-Review stehe und ich eines meiner sechs gesetzten Jahresziele in meinem Hauptberuf als Consultant wohl gnadenlos revidieren muss, da sich die Welt seitdem ich meine Ziele vor gut drei Monaten festgelegt habe, gehörig weitergedreht hat. Welchen Sinn haben langfristige Ziele in einer Zeit in der nichts so sicher ist, wie die stetige Veränderung?

Von den Polynesiern lernen

Mit Nichten behaupte ich, dass Ziele keinen höheren Zweck erfüllen. Allerdings kann dieser Zweck in einer dynamischen Umwelt eben nicht sein, die gesetzten Ziele auf Gedeih und Verderb zu erreichen. Vielmehr ist der Zweck von Zielen in einer so volatilen Umwelt aus meiner Sicht in erster Linie in Bewegung zu kommen. -Nicht mehr aber auch vor allem nicht weniger. Auf diese Art und Weise ist es den frühen polynesischen Seefahrern gelungen, sich quasi den gesamten Pazifik zu erschließen. Und der ist ganz schön groß.

In Zeiten, in denen Navigationssysteme bestenfalls die Sterne über uns waren, konnten diese mutigen Seefahrer nicht wissen, dass sie, wenn sie dort und dort lang segelten, irgendwann in Hawaii rauskämen. Trotzdem sind sie einfach losgesegelt. Dabei haben sie sich natürlich ein Ziel gegeben, eine Richtung. Während sie also in Richtung ihres zunächst gesetzten Zieles unterwegs waren, haben sie permanent geprüft ob die Richtung noch immer stimmte, oder ob sie diese ändern müssen. Hierbei zogen die alten Polynesier neben den Sternen unter anderem auch Fischschwärme, Strömungen und Wetterphänomene zu Rat und hatten keine Angst davor, die Richtung zu ändern, wann immer die Parameter ein entsprechendes Indiz darstellten. So ging es im Zickzack durch den Pazifik, den dieses kleine Inselvolk Schritt für Schritt erobert hat. Wer neue Welten entdecken möchte, der muss offensichtlich in der Lage sein, die Richtung zu wechseln.

Und apropos Segeln und neue Welten entdecken: Christoph Columbus hat sein ursprüngliches Ziel, Indien, unendlich weit verfehlt und ist dank dieser Verfehlung in die Geschichtsbücher eingegangen. Was wiederum bedeutet, dass gerade ein nicht erreichtes Ziel die Welt nachhaltig verändern kann. Denn wäre er ohne das Ziel Indien vor Augen losgesegelt? Wohl kaum!

Viktor Frankl und der Sinn hinter den Zielen

Ziele an sich seien sinnlos hat dieser österreichischer Neurologe und Psychiater in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts selbstbewusst in die Welt hinausgerufen und damit die Disziplinen der Existenzanalyse und Logotherapie, also der Therapie durch Sinn, begründet. Erst das “Wofür” des Ziels schafft seinen Wert und somit Motivation. Einfach mal so rechtsherum nach Indien segeln war wahrscheinlich nicht Columbus’ primärer Antrieb. Vielmehr wollte er wahrscheinlich Handel vereinfachen um leichter und besser leben zu können. Und vielleicht wollte er als Pionier neues entdecken und hat sich dafür entschieden, ausgetretene Pfade zu verlassen. Denn dort ist ja zu meist schon alles entdeckt.

Welchen Sinn haben also feste Jahresziele für Organisationen und vor allem für deren Mitarbeitende? Gefühlt ist die Dynamik unserer Zeit so groß, dass ein Jahresplan schon wie Planwirtschaft im sozialistischen Sinne anmutet. Als ich meine diesjährigen Ziele im Februar formuliert und mit meiner Chefin besprochen habe, war ich zumindest bei zwei meiner Ziele so frei direkt anzukündigen, dass wir uns Mitte des Jahres anschauen müssten, ob diese Ziele wirklich sinnvoll und für ein ganzes Jahr tragbar sind. Polynesisches Segeln also. Mit Blick auf eines der beiden Zielen kann ich jetzt schon sagen, dass alle Fischschwärme, die Sterne und diverse Wetterphänomene sehr deutlich darauf hinweisen, unbedingt eine neue Richtung einzuschlagen. Dieses Ziel endet nach momentanen Kenntnisstand irgendwo im nirgendwo. Für die Polynesier hätte so etwas wahrscheinlich den Tod auf hoher See bedeutet. In modernen Organisationen sind die Auswirkungen, die es hat auf ein leeres, nicht hilfreiches oder kontraproduktives Ziel hinzuarbeiten nicht so unmittelbar katastrophal. Sinnvoll ist es dennoch nicht! Zum Glück gibt es inzwischen in vielen Organisationen die Möglichkeit, Ziele zur Jahresmitte noch einmal zu schärfen oder zu revidieren, um der extremen Dynamik unserer Zeit Rechnung zu tragen.

Wofür braucht es sie dann, diese Art von Zielen? Fragt ihr eine Seite von mir, sagt diese euch ganz klar für nichts! Ich arbeite ohnehin so, dass es dem Wohlergehen meiner Organisation dienlich ist. -Zum einen, weil ich eine hohe intrinsische Motivation habe im positivsten Sinne produktiv zu sein, zum anderen aber auch, weil mein Gehalt und somit meine wirtschaftliche Existenz zu einem großen Teil vom Wohlergehen dieser Organisation abhängt. Ich brauche keine Karotte vor der Nase, ganz so wie ein Eselchen, das den Karren ziehen soll. Fragt ihr eine andere Seite in mit versteht diese natürlich auch das Bedürfnis einer Organisation die individuellen Leistungen der Mitarbeitenden messbar zu machen. Und natürlich ist es in einer Organisation immer hilfreich, wenn alle Beteiligten in eine Richtung ziehen. Wenn man entscheidet, diese Richtung über gemeinsame und abgestimmte Ziele zu geben, ist aus meiner Sicht dagegen erst einmal nichts einzuwenden. Nun folgt jedoch das große Aber: Hierbei ist es aus meiner Sicht unendlich wichtig, Ziele oder Richtungen auch wieder loszulassen und zu revidieren. Denn nur so gelingt es wirklich neue Welten zu entdecken, zu wachsen, sich erfolgreich weiterzuentwickeln. Leider erlebe ich es in ganz unterschiedlichen Kontexten noch immer zu häufig, dass der Mut, einmal gesetzte Ziele loszulassen oder zu revidieren fehlt. Damit fehlt dann auch diejenige Fehlerkultur, die wirkliches Wachstum und wirkliche Entwicklung erst ermöglicht. Was kann ein solches Verhalten im Organisationskontext bedeuten? Es wird nicht nur auf einen lahmen Esel gesetzt. Vielmehr ist es dann sogar so, dass alle Ressourcen in diesen lahmen Esel gesteckt werden und die anderen heißblütigen Rennpferde mit Potenzial verhungern am ausgestreckten Arm der Priorisierung. Natürlich bekommen das dann auch irgendwann alle Beteiligten mit und spätestens an dieser Stelle verliert das alte Ziel aus deren Sicht an Sinn und sie somit auch an Motivation und der arme lahme Esel wird nur noch halbherzig gepflegt. -Gerade so intensiv, dass man stets behaupten kann, man agiere der vorgegebenen Priorisierung folgend… Er fällt nicht um, aber rennen ist auch nicht mehr drin!

Was braucht der polynesische Segler?

Was braucht es also nun, beruflich und privat, um in einer dynamischen Welt die Segel stetig neu zu setzen ohne daran zu verzweifeln?

Zunächst muss ich wissen, wer ich bin. Wenn es keinen Kompass im Außen gibt, navigiere ich nach meinem inneren Kompass. Kenne ich meine Werte, meinen eigenen tiefen Sinn und meine damit verbundenen höheren Ziele, weiß ich intuitiv in welche Richtung ich (weiter)gehe. Sie sind mir vielleicht das, was den alten Polynesiern die Fischschwärme, Meeresströmungen, Sterne und Wetterphänomene waren, an denen sie im scheinbar endlosen Ozean Orientierung und Richtung finden konnten.

Im zweiten Schritt ist es hilfreich mir bewusst zu sein auf welche Fähigkeiten und Ressourcen ich zurückgreifen kann. -Zunächst in mir selbst. Häufig wissen Menschen recht gut was ihnen fehlt, was sie nicht können, wo sie eigenen Defizite sehen. Die wenigsten führen sich regelmäßig vor Augen, was sie können und auf welche Ressourcen sie sich tief in sich selbst verlassen können.

Habe ich diese inneren Ressourcen geklärt, richte ich meinen Blick ins Außen um zu sehen welche sozialen Unterstützungsnetzwerke es gibt, die ich nutzen kann oder deren Teil ich bin. Die Polynesier sind auch nicht allein, sondern in einer Gruppe losgesegelt.

Ist auch das geklärt, schaue ich mir an welche unterschiedlichen Ziele ich mit allen vorhandenen Ressourcen im Innen wie im Außen erreichen kann und welches dieser Ziel am Ende am meisten Sinn ergibt. Denn das als am sinnvollsten empfundene Ziel ist immer auch das, das die größte Motivation auslöst.

Diese vier Ebenen funktionieren aus meiner Sicht nicht nur für Individuen, beruflich wie privat, sondern auch für ganze Teams oder Organisationen, da sie für mich diese sagenumwobenen Change Kompetenzen unserer Zeit darstellen.

In diesem Sinne möchte ich euch ermutigen einfach loszusegeln. Habt keine Angst, ein falsches Ziel zu setzen, da es nichts gibt, das euch zwingt daran festzuhalten. Und wenn ihr nach Indien wollt, dabei aber aus Versehen eine neue Welt entdeckt, ist das doch vielleicht auch kein Drama. Der große Vaclav Haven hat einmal gesagt: “ Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.”

Ich wünsche euch ein wunderbar sinnvolles Pfingstwochenende.

Eure Constance

Segel setzen und erst einmal los

Nicht nur dem Ziel, sondern auch der Sinnhaftigkeit entgegen…

Die Macht der Schwachen - oder eine Arschbombe ins Tabu!

Weiterbildung bildet eben weiter…

Mein letztes Wochenende habe ich in Köln verbracht und mich in einem Vertiefungs-Workshop mit provokativer systemsicher Arbeit oder provokativem Coaching beschäftigt. Nach meinem Basiskurs Ende Februar habe ich Feuer gefangen und ich bin mir sicher ich werde mich in dieser Arbeitsweise noch weiter fortbilden. Vielleicht bin ich irgendwann ja mal so weit, um sie in einem Artikel auf den Punkt genau vorzustellen. Es ist ziemlich verrücktes Zeug!

Seit dem Basis-Workshop haben wir nun alle Fälle, Patienten oder Coachings-Prozesse gesammelt, die es im Vertiefungs-Workshop zu besprechen galt um den Schritt von der Theorie in die Praxis zu gehen. Ein besonderer Fokus lag auf denjenigen Fällen, in denen wir entweder gefühlt feststecken oder in denen wir uns nicht trauen, provokative Tools anzuwenden. Im Prinzip war es eine gigantische Supervision.

Irgendwie alle verrückt…

So haben wir uns also voll Fall zu Fall gearbeitet, Ideen, Vorschläge und Feedbacks unterbreitet. In diesen Settings bekomme ich gerne mal das Gefühl, die ganze Welt ist ein bisschen verrückt. Aber wahrscheinlich ist das auch so. Was ist schon normal?! Plötzlich tauchte in einem der Fälle dieser zarte, zerbrechliche und verunsicherte junge Mann auf, dem das Leben übel mitspielt. Viel zu viel hat er zu tun. Keine Unterstützung auf der Arbeit, alle Last liegt auf seinen Schultern und im Privatleben ist er fast ganz allein. - Ein Stereotype, der auch eine junge Frau sein könnte. Hilfsbedürftig, ein Opfer der Umstände, vielleicht auch noch depressiv. Die Einladung an den Coach ist groß, vom Mitgefühl ins Mitleid abzugleiten, helfen zu wollen, in Watte packen zu wollen, schützen zu wollen. Ja, ich kenne diesen Stereotypen aus meinem eigenen Erleben. Auch in mir kommt immer mal wieder ein gewisses Helfersyndrom hoch, das in letzter Konsequenz das Potenzial hat, mich daran zu hindern, meinen Job als Coach angemessen zu erfüllen, wenn mein gegenüber allzu zerbrechlich wirkt. Ich laufe also Gefahr, mein gegenüber in Watte zu packen, frage viel vorsichtiger und bohre vielleicht auch nicht so tief um schmerzhafte Reflexionsschleifen zu umschiffen. Das arme zarte Wesen braucht Schutz und Samthandschuhe… Und ganz sicher braucht das Gegenüber kein provokatives Coaching… Oder doch?

“Die Macht der Schwachen!” tönte es durch den Raum mitten in mein Mitleidskonstrukt. Ich komme aus meinem Gedankenfilm zurück und ja, da ist etwas dran. In diesen Situationen haben meine Kunden mich total in der Hand, so sehr, dass ich ihnen tatsächlich die potenziell unangenehme Reflexionsschleife erspare. Ganz schön clever von ihnen!

Die Macht der Schwachen führt im Alltag dazu, dass wir Menschen, die wir für schwach halten, in Watte packen, Konflikte oder negative Thematiken bestmöglich von ihnen fernhalten, wie als klebt ihnen dieser “Vorsicht! Zerbrechlich!-Aufkleber” auf der Stirn. In einem konkreten Fall habe ich es erlebt, dass die Kollegen der schwachen Person sogar tagtäglich das Frühstück für diese Kollegin mit zur Arbeit gebracht haben, weil sie sich ja unmöglich nicht auch noch darum kümmern könne, sich etwas zu essen vorzubereiten. Es wird also Rücksicht genommen und Vorsicht wird walten gelassen. Die Schwachen werden umsorgt und natürlich wird genau darauf geachtet nichts Falsches zu tun. Wie toll für die Schwachen! Es läuft bei ihnen könnte man sagen. Verrückt wären sie doch, würden sie plötzlich stark werden. Selbst Frühstück machen, weniger Aufmerksamkeit, dafür mehr unangenehme Themen? Nein danke. Dann doch lieber schwach und zerbrechlich und die Fäden der Manipulation fest in den unterbewussten Fingerchen. Alles andere könnte mit der Zeit ganz schön anstrengend werden. Eine Betrachtungsweise, die gefühlt eine Art Tabu darstellt, weil sie unsere Idee von Schwarz und Weiß irgendwie auf den Kopf stellt. Das macht man doch nicht! Man kümmert sich um die, die weniger fit oder stark oder stabil sind…

Der sekundäre Krankheitsgewinn oder keine Veränderung ohne Preis

In der Psychologie spricht man hier vom sekundären Krankheitsgewinn. Oft hat eine bestimmte Symptomatik Vorteile oder Vorzüge, die auf unterbewusster oder unbewusster Ebene dazu führen, dass an der Symptomatik festgehalten wird.

Auch im Coaching erlebe ich immer wieder, dass Veränderungen, die meine Kunden selbst wollen, nicht umgesetzt werden, weil die unerwünschte Thematik auf unbewusster Ebene gewisse Vorzüge mit sich bringt, die das Unbewusste nicht verlieren möchte. Aus diesem Grund finden im Rahmen professioneller und nachhaltig wirksamer Coaching-Prozesse immer wieder sogenannte Ökologie-Checks statt. Denn es gibt keine Veränderung ohne Preis. Bereits zu Beginn des Prozesses erarbeite ich mit meinen Kunden den primären und sekundären Gewinn der unerwünschten Symptomatik oder des unerwünschten Verhaltens um festzustellen, ob sie bereit sind, diesen Preis für die Veränderung zu zahlen. Passiert das nicht, kann der Mensch noch so hart am neuen Verhalten arbeiten, das Unterbewusste wird immer und immer wieder dazwischenfunken, weil es den Benefit resultierend aus dem Verhalten nicht aufgeben möchte. Getreu dem Motto: Ich will es ja nicht, aber ES macht es einfach mit mir…

So machtvoll schwach…

So haben die Schwachen ihr Umfeld also ziemlich machtvoll im Griff, nicht selten sogar Coaches oder Therapeuten und irgendwo tief in ihnen ist da eine Stimme, die sich dieses Mechanismus auch sehr deutlich bewusst ist.

Was bedeutet das alles für mich? Zum einen spüre ich in meiner Rolle als Coach immer mal wieder das Bedürfnis, mich zu kümmern oder helfen zu müssen. Aber es gibt hier noch eine andere Seite in mir. Seit frühster Kindheit triggern mich diese zarten, schwachen, kleinen, süßen Wesen auch immer wieder. Schon seit dem Kindergarten falle ich durch eine anständige Portion Selbstbewusstsein und den Fakt, dass ich gut einen Kopf größer bin, als die meisten, auf. Schon im zarten Alter von drei habe ich wohl unbewusst verstanden, dass diese Attribute jedoch mit Nichten zu meiner Überlegenheit beitragen. Kaum heulte eines dieser zarten Wesen, musste ich das Spielzeug abgeben. Begleitet wurde das von den wohlmeinenden Worten von Tante Eva: “Du bist doch schon so groß!”

Die Macht der Schwachen! Seitdem triggert sie mich und mit der Zeit hat sie mich fast neidisch gemacht. In mir drin gibt es eine Seite, die auch so gerne Schwach wäre, damit sich liebevoll und gut um mich gekümmert wird. Meine Schattenpersönlichkeit taucht tatsächlich hier und da, ganz heimlich und im ganz sicheren Rahmen auf und zeigt mich in all meinem Schwachsein, um unbewusst vielleicht dann doch die Macht, die diese Schwäche hat, auszuspielen. Ich befürchte mein Mann kann davon ein Lied singen, springt in ihm doch sofort Mitleid und Hilfsbereitschaft an. Es tut mir so leid Schatz! Das ist wahrscheinlich ganz schön manipulativ von mir! Manchmal möchte sich die Schattenpersönlichkeit einfach zeigen… Ich dachte mit dem Coach-Sein käme auch die persönliche Erleuchtung, aber dem ist offensichtlich (noch) nicht so.

Ich frage mich, ob ihr diese Macht der Schwachen auch kennt? Vielleicht sogar wie ich aus beiden Perspektiven? Wann nutzt ihr die eigene Schwäche selbstverständlich nur unbewusst aus um ein Ziel zu erreichen? Und wann lasst ihr euch durch die Schwäche anderer in eine bestimmt Aktion drücken? Keine Angst, alles das sind völlig normal Verhaltensweisen, die zum Menschsein dazugehören. Wenn ich darüber nachdenke ist es für mich in meiner Rolle als Coach ein großer Vorteil beide Seiten zu kennen. So weiß ich aus eigenem Erleben, wieviel Stärke sich in der Schwäche versteckt. Auch deshalb gelingt es mir in meinen Coaching-Prozessen inzwischen recht verlässlich nicht durch Mitleid getrieben an der Schwäche meiner Kundinnen und Kunden anzudocken, sondern an deren Stärke, an deren Ressourcen. Denn ich weiß, dass die Momentaufnahmen, die nichts als Schwäche oder Ohnmacht vermuten lassen, zum einen Momentaufnahmen sind und zum anderen war und ist es die Macht der eigenen Ressourcen, die meine Kundinnen und Kunden zu mir kommen lässt. Wirkliche Ohnmacht gibt es wahrscheinlich nur im Märchen und selbst Hänsel und Gretel haben die Hexe am Ende in den Ofen gesteckt!

Vielleicht hast du ja beim Lesen Lust bekommen gemeinsam mit mir an deinen eigenen Themen, Verhaltensweisen, deinem Stark- oder Schwachsein zu arbeiten. Gerne auch provokativ. Dann melde dich. Ab Mai wird bei mir wieder ein Platz auf meinen großartigen Coaching-Sesseln frei und ich habe gegenwärtig keine Wartelist! Wahrscheinlich sollte ich mich mal um mein Marketing kümmern…

Habt einen schönen Sonntag, ob stark oder schwach… Völlig egal.

Eure Constance

Unser Leben ist eine Reise, ein Weg immer dem Horizont entgegen

Keiner außer uns selbst geht diesen Weg, auch wenn wir manchmal ganz fest davon überzeugt werden, dass er einfach nur mit uns gegangen wird und wir keinen Einfluss auf die Richtung haben! -Stimmt nicht! Es ist und bleibt unser Weg!

Die Suche nach Ostereiern, Glück und dem Sinn

Frohe Ostern

Und? Schon Eier gesucht und erfolgreich gewesen?

Ich genieße mein langes Osterwochenende gerade in vollen Zügen mit Mann, Hund, Freunden und Familie. Ich habe in diesem Jahr sage und schreibe 36 Osternester gebastelt und gerade kommt mir nichts in meinem Leben sinnvoller vor als die Osterparty mit meinen Freunden gestern, die leuchtenden Augen ihrer Kids als ich ihnen zum Abschied ihre Osternester in die kleinen Hände gedrückt habe und der Ausblick darauf morgen das Haus voll mit Familie zu haben, gemeinsam Burger zu essen und den Tag vorbeiziehen zu lassen. Das ist Sinn, das hat Sinn und das macht mich sehr, sehr glücklich!

Aus diesem tiefen Gefühl von Glück und Sinnhaftigkeit ist die Idee zu diesem Artikel geboren. Warum nicht über den Sinn schreiben? - Zumal mich dieses Thema auch durch meine gesamte letzte Arbeitswoche begleitet hat.

Purpose! Purpose! Überall Purpose

Schon meine kurze Arbeitswoche vor Ostern hat wie gesagt mit dem Thema Sinn oder Purpose wie wir es Neuhochdeutsch im Business-Kontext nennen, begonnen. Ich wurde für die Master-Arbeit einer jungen Studentin, die im Dezember meinen Workshop an der Uni in Maastricht besucht hat, interviewt. Jana setzt sich in ihrer Arbeit mit der Bedeutung von Purpose im Rahmen von Business Coachings auseinander. Spannendes Thema. Ich bin schon jetzt auf ihre Ergebnisse gespannt.

Das Interview mit Jana hat mich dazu angeregt, mir die ganze Woche Gedanken zum Thema Purpose zu machen, die ich heute, an Ostern, mit euch teilen möchte. Zwar erscheint die Suche nach Ostereiern erfolgsversprechender oder wenigstens einfacher, als die nach dem Sinn. Man kann aber durchaus mal darüber nachdenken welche Bedeutung Sinn in unserem (Arbeits-) Leben hat.

Welche Rolle spielt Sinnhaftigkeit oder Purpose denn nun in meinen Business Coachings?

“Eine ausgesprochen große”, war meine spontane Antwort. Die Frage nach dem Wofür scheint dieser Tage allgegenwärtig. Es gibt Coaches, die sich sogar auf das Thema Purpose spezialisiert haben und viele Unternehmen betreiben einen immensen Aufwand nicht nur ihren Mitarbeitenden, sondern sogar sich selbst einen oft medienwirksamen, strahlend schönen Purpose zu geben.

Was ich als Coach regelmäßig erlebe, ist dass ich mit Menschen arbeite, die glauben ihren Purpose oder ihr Wofür gefunden zu haben und trotzdem mit diesem Purpose hadern, weil sie häufig vor allem gesellschaftliche Erwartungen erfüllen oder sich die Erwartungshaltung von Eltern, Freunden, Partnern zu eigen gemacht haben und nun glauben das sei ihr Purpose. Sie haben sich das Wofür, das ihnen übergestülpt wurde zu eigen gemacht. Parallel entwickeln sie getrieben von Heerscharen von Coaches wie mir auch noch ihren Purpose im Business-Kontext, der natürlich in den großen und fast schon spirituellen Purpose des jeweiligen Unternehmens passen muss. So beginnen sie ganz überfüllt von Sinnhaftigkeit sich daran abzuarbeiten…

In dieser Gemengelage ist die große Herausforderung für mich als Coach diesen Menschen, die sich selbst, ihr ganzheitliches Ich, mit ihrer Rolle im beruflichen Kontext verwechseln und sich Tag ein Tag aus bemühen in ein vorgegebenes Bild zu passen, dabei zu begleiten ihren wirklichen, eigenen, intrinsischen und unbeeinflussten Purpose zu finden. Hierbei führt uns die Reise häufig tief in Werte- und Glaubenssysteme und am Ende dieser Reise steht fast immer die Erkenntnis, dass der wahre Sinn des Lebens eine Dimension hat, die weit über unsere berufliche Tätigkeit hinaus geht.

Nicht falsch verstehen! Es ist durchaus hilfreich, dass unser Job uns in einer gewissen Weise erfüllt. Wir verbringen so viel Zeit damit zu arbeiten, dass es Sinn macht, sich in dieser Zeit mit Dingen zu beschäftigen, die als positiv empfunden werden, oder uns die Möglichkeit geben uns kreativ zu entfalten. Jedoch arbeiten die allermeisten von uns in erster Linie um die eigene Existenz zu sichern. Selbst ich, die ich meine Arbeit sehr liebe, würde sofort kürzertreten, hätte ich die finanziellen Mittel, um mehr Zeit mit meinem Mann, meiner Familie, meinen Freunden zu verbringen, um länger und öfter mit dem Hund spazieren gehen zu können, um häufiger zu reisen und mehr Zeit für meine Hobbies zu haben. Würde ich meinen “Purpose” primär über meine berufliche Tätigkeit definieren, würde ich mich wahrscheinlich in Teilen selbst belügen, da ein ganz elementarer Teil keine ausreichende Würdigung erfährt.

Ja, Purpose spielt im Business Coaching eine große und wichtige Rolle. -Manchmal eben auch um diesem Purpose im Business-Kontext zu entschärfen und den Fokus auf das große Ganze zu legen: Ich lebe nicht um zu arbeiten, ich arbeite um zu leben. Ich habe das große Glück eine Arbeit gefunden zu haben, die mir unendlich viel Spaß macht, aber meine Basis und das was mir wirklich wichtig ist und was mir die substanzielle Kraft gibt, in meinem Job Höchstleistung zu erbringen ist nicht der Purpose des Unternehmens für das ich arbeite und den ich durchaus mag. Vielmehr ist es die Liebe, Geborgenheit und das Gefühl der Zugehörigkeit in meinem Privatleben, es ist die Möglichkeit meine Neugier aufs Leben durch Reisen und Lernen zu stillen, die Möglichkeit gutes Essen und guten Wein genießen zu dürfen, zu tanzen und zu lachen. -Kurzum die Fähigkeit das Maximum an glücklichen und unbeschwerten Momenten aus meiner Verweildauer auf dieser Welt herauszuholen. An dieser Stelle muss ich an meinen Vater denken. Er ist schon lange Tod, fast 20 Jahre. Er starb als ich noch eine recht junge Stewardess war. Damals, als ich mich entschied Flugbegleiterin zu werden, war mein alter Herr zu tiefst erschüttert. Für ihn war es eine unangemessenen Verschwendung meiner intellektuellen und kognitiven Ressourcen. Als er von seiner Krankheit schon sehr gezeichnet war, saßen wir auf dem Krankenhausflur. Er hat ein Erdbeereis gegessen. Es war ein schöner Herbsttag und wir haben über den Sinn des Lebens philosophiert. In diesem Gespräch hat er sich mit meiner damaligen beruflichen Tätigkeit ausgesöhnt. Er hat mein Wofür verstanden. Er hat verstanden, dass ich von einer unglaublichen Neugier auf die Welt und die Menschen in dieser Welt getrieben war und keine andere Möglichkeit sah, diese Neugier zu stillen. Manchmal stelle ich mir vor wie es wäre, wenn er heute sehen könnte was aus dieser Neugier und aus mir geworden ist. Heute habe ich durch meine Arbeit als Coach eine andere Möglichkeit erschlossen, diese Neugier zu stillen. Ich denke es wäre OK für ihn!

Vielleicht ist der Sinn des Lebens zu leben… zu liebe und zu lachen…

Was mir einfach nicht gelingen will, ist das Thema Purpose isoliert von unserer eigenen Vergänglichkeit zu betrachten. Nicht nur weil sich der Todestag meiner Mama am letzten Donnerstag einmal mehr gejährt hat, bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich nicht ewig Zeit habe meinem Sinn oder meinem Purpose hinterher zu jagen. Und was, wenn ich sterbe, bevor ich mein großes Lebensziel erreicht habe? Würde mein Leben dann sinnlos gewesen sein? Eine schreckliche Vorstellung! Die Jagd nach dem großen Sinn und dem großen Glück kann ganz schön frustrierend werden. Es gibt sogar Studien die belegen, dass diejenigen, die am akribischsten nach Glück und Bedeutsamkeit suchen am unglücklichsten sind. So gesehen sollte man vorsichtig sein, wie groß oder unerreichbar man seinen Purpose schneidet. Denn besonders glücklich sind laut aktuellen Glücksstudien diejenigen, die nicht primär nach dem großen Glück, sondern nach der allgemeinen Zufriedenheit streben. Vielleicht sollte man das mit dem Sinn ähnlich halten.

Und zum Glück gibt es Viktor Frankl

Irgendwie führt mich all diese Sinnsuche immer wieder zum großen Viktor Frankl, diesem außergewöhnlichen Psychiater und Mensch, der als Vater der sogenannten Logotherapie (vom griechischen Lógos, zu Deutsch “Sinn” kommend), also der Therapie durch Sinn oder Sinnhaftigkeit gilt. Er ist sozusagen der Urvater der Bewegung die inzwischen selbst Unternehmen mit Sinnhaftigkeit übergießt. Er hatte die Fähigkeit Sinn selbst im Leid zu finden.

Frankl selbst hat den Holocaust überlebt und verzaubert mich bis heute mit seinem wohl berühmtesten Zitat: “Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In dieser Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.” Er war nie ein Gefangener. In seiner eigenen Logik, in seiner Sinnhaftigkeit war er zu jeder Zeit frei, da er jederzeit die Freiheit hatte, zu entscheiden wie er den Raum zwischen Reiz und Reaktion nutzt. So hat Frankl selbst dem Unaussprechlichsten seinen Sinn gegeben, da Sinn für ihn eng mit Selbstwirksamkeit verknüpft ist, die er sich niemals hat nehmen lassen.

Vielleicht liegt der große Sinn des Lebens darin, sich einfach nicht jagen zu lassen. -Weder von gesellschaftlichen Erwartungen oder den Vorstellungen Dritter, noch von dem Druck allem einen größeren Sinn geben zu müssen. Der Sinn ist stattdessen selbstwirksam zu gestalten. -Vor allem mit Blick darauf, dass wir den Faktoren im Außen nicht die Macht überlassen unsere Reaktionen zu bestimmen. Wir geben allem Sinn, wenn wir uns bewusst sind, dass wir die Freiheit haben, Verantwortung für unser Tun zu übernehmen.

Die meisten von uns dürfen über Ostern wahrscheinlich ein besonders langes Wochenende genießen und vielleicht wäre es ja ausgesprochen sinnvoll, diese Zeit bewusst, selbstwirksam zu erleben und zu gestalten, zu lachen, dankbar zu sein für die Menschen die wir lieben und die uns vielleicht sogar zurück lieben. Gibt es wirklich etwas, das größer ist, als diese kurzen, flüchtigen Momente, das Lachen und das warme Gefühl der Gemeinschaft? Ich arbeite gerne hart und leiste meinen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Beitrag um in Frieden und relativem Wohlstand auch weitere besondere Tage mit meiner Familie und meinen Freunden genießen zu können. -Purpose hin, Purpose her…

Vielleicht ist es mit dem Sinn des Lebens ja ähnlich wie mit dem Sinn des Universums. Douglas Adams hatte dazu in “Per Anhalter durch die Galaxis” eine ausgesprochen einleuchtende Theorie, die besagt, dass, “wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. -Es gibt eine andere Theorie nach der das schon passiert ist.”

Zu eine gewissen Teil ist mein Sinn wahrscheinlich die stetige Suche nach dem Sinn. Das hält mich neugierig, offen und in Bewegung. -Ganz ohne Druck, quasi per Anhalter durch mein Leben. Allerdings muss in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt sein, ob nicht gefundene oder übersehene Sinne mit der Zeit ebenso zu stinken anfangen, wie die nicht gefundenen oder übersehenen Ostereier?

Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Erfolg bei eurer Suche nach den bunten Eiern, dem Sinn und dem Glück. Habt ein zauberhaft sinnvolles restliches Osterwochenende!

Eure Constance