Personalentwicklung

Der Gatte bitte zum Jahresgespräch! - Personalentwicklung ab jetzt auch im Privatleben?!

Leader as Coach! Personalentwicklung 2.0

Mit zunehmendem Fokus auf Kennzahlen, Excel-Tabellen und Performance-Indikatoren scheint Personalführung und die damit zusammenhängende Personalentwicklung irgendwie zu einer Art Stiefkind der Chefetagen geworden zu sein. Zum Glück gibt es ja Personalabteilungen, die helfend unterstützen. Hier findet man an der Spitze dann häufig studierte BWLer oder Juristen, die sich dadurch qualifizieren, die Rechtslage genaustens zu kennen, oder die Zahlen im Griff zu haben. Rechtlich einwandfrei wird nun also mittels Stechuhr die Arbeitsleistung der Mitarbeiter im Stundentackt gemessen. Ebenso einwandfrei und strukturiert glaubt man nun auch die Potenzialentfaltung eines jeden Mitarbeiters vollumfänglich gestalten zu können. Wie ein Mantra hallt die Notwendigkeit der Nutzung des Humanvermögens durch die Unternehmensflure. Seinen Klimax findet dieser Prozess der Mitarbeiterentwicklung im Jahresgespräch. Wer meinen Blog schon länger liest, weiß, dass ich hierzu ein gespaltenes Verhältnis habe. Ich finde Feedback unglaublich wichtig. Ich finde sogar Feedback und Feedback-Formate sind die Basis erfolgreicher Zusammenarbeit. Wie um alles in der Welt hunderttausende kluge Personaler und Chefs zu der Überzeugung gelangt sind, dass man mittels regelmäßig gemessener Key-Performance-Indikatoren und einem meistens sehr verkrampften Gespräch alle zwölf Monate Menschen dabei helfen kann, ihr Potenzial voll zu entfalten ist mir allerdings schleierhaft. In der Planwirtschaft der Deutschen demokratischen Republik gab es im Arbeitsgesetzbuch von 1977 ein vergleichbares Konzept zur “allseitigen Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit”! Lustig, oder? Oder wahrscheinlich nicht! Ich muss trotzdem gerade lächeln.

Gleicher Prozess, neues Setting

Um selbst zu erspüren, wie (wenig) zielführend ein ebensolcher Prozess sein kann, habe ich mich, angeregt durch den großartigen Frank Dopheide und seinem Buch “Gott ist ein Kreativer, kein Controller” (absolute Leseempfehlung, so ganz nebenbei!), entschieden, diesen Prozess zur Potenzialentfaltung mal in einem anderen Kontext zu nutzen und meinen Mann zum Jahresgespräch gebeten. Etwas mehr Struktur und Effizienz kann zuhause ja auch nicht schaden.

So platziere ich mich also auf Augenhöhe gegenüber meinem Manne am Esstisch, lege einen Ordner auf den Tisch und hebe vielsagend die rechte Augenbraue. Mein Mann ist mit einem Coach verheiratet und somit einiges an Kummer gewöhnt. “Was wird das?”, fragt er. “ Das Jahresgespräch und deine Zielvereinbarung für das nächste Jahr, Schatz!”. Hat sein Auge etwa gerade gezuckt? Egal!

Um von Anfang an entsprechende Aufmerksamkeit zu bekommen, beginne ich mit dem 360 Grad Feedback: Ich präsentiere feierlich eine allumfassende Leistungsbewertung inklusive der Einschätzung meines Bruders, seiner Eltern, seiner Kinder, der Ex-Frau, dem Nachbarn, dem Gitarren-Kumpel, der Yoga-Lehrerin und meiner besten Freundin. Insgesamt gilt hierbei je detaillierte, desto aussagekräftiger. Der Gatte zeigt sich verwirrt bis ungehalten, aber hört ausgesprochen aufmerksam zu. Ein Auge zuckt immer mal wieder, definitiv. Ich kann es genau sehen.

Natürlich habe ich vorher alle spitzen Gegenstände und potenzielle Waffen aus der Wohnung entfernt. Gar nicht so ohne, so ein Jahresgespräch…

Anschließend leite ich zu den Key-Performance-Indikatoren über. Gelernt ist gelernt! Um hierbei zu einer realistischen Leistungseinschätzung zu gelangen und um eine mögliche Abweichung zwischen Selbst- und Fremdbild darzustellen, bediene ich mich marktüblicher Benchmarks. Natürlich müssen alle KPIs auch zu unserem ganz eigenen Set-Up passen, denn jedes Team funktioniert auf seine eigene und individuelle Art und Weise. Aber ein paar Punkte funktionieren immer und machen mir das Leben auch etwas leichter. Man kann ja nicht jedes Mal alles ganz individuell festlegen. Ein paar fixe Größen sind schon hilfreich. Es geht ja auch um Vergleichbarkeit! Frank Dopheide hatte ein paar gute Ideen, die ich natürlich gerne übernehme.

KPIs - oder das Ende der Ehe, äh, der Individualität

Ich beginne mit dem LQ-Faktor, also den Leadership-Qualitäten: hier gilt es zu sagen, dass mein Mann sämtlich relevanten Stakeholder, also mich, seine Kinder, seine Mutter, den Gitarren-Kumpel und seinen besten Freund alles in allem sehr gut führt. Kleine negative Abweichungen sind bei der Führung unseres Hundes Kurt festzustellen. Hier zeigt er sich wahlweise zu nachsichtig oder zu ungeduldig. Dafür zeigt er überdurchschnittliche Führungsqualitäten, wenn es darum geht Menschen an Telefonhotlines schwindelig zu diskutieren. Diskussionen bezüglich des Hundes ersticke ich im Keim. Immerhin handelt es sich um ein Feedback, dass es natürlich anzunehmen gilt! Das Auge meines Mannes zuckt stärker…

Als nächstes besprechen wir den SpW Wert, also “Sex pro Woche”, als Indikator für die aktuelle Markattraktivität. Selbstverständlich werden hierbei individuelle Faktoren wie Beziehungsphase und Familienplanung, sowie die Anwesenheit eines Hundebabys berücksichtigt. Ich denke ihr seht es mir nach, wenn ich die Ergebnisse in einem vertraulichen Rahmen belasse. Immerhin wurde das Augenzucken beim Gatten kurzzeitig weniger!

Beim Thema ProIA, also den Proactive Initiative Assignments bin ich gerne wieder etwas transparenter, gilt es doch zu beleuchtet, wie es um den Mut meines Mannes bestellt ist, etwas Neues auszuprobieren. Ein großer Pluspunkt ist hier, dass er sich in diesem Jahr entschieden hat, einen neuen Job auszuprobieren und hierbei sogar ausgesprochen erfolgreich war und ist. Auch begibt sich mein Mann zunehmend auf kulinarische Wagnisse. OK, getriggert durch den neuen Thermomix, über den wir später noch werden reden müssen. Aber die neue Experimentierfreudigkeit beim Kochen ist trotzdem bemerkenswert! Bleiben wir also zunächst bei den Pluspunkten: immerhin war der Gatte mit mir im Yoga-Retreat, hat sich auf das Abenteuer Hund eingelassen, außerdem beschäftigt er sich zunehmend auch mit Soft Skill Themen und New Work. Ich muss sagen, ich bin ausgesprochen zufrieden und würde mich hier sogar zu einem “Over-Performed” hinreißen lassen. Ich frage mich, warum das Auge meines Mannes trotzdem noch zuckt und die Sehschlitze enger zu werden scheinen! Das war ein klares Lob! Egal! Weiter im Text, äh der Struktur…

ProIA führt uns zwangsläufig zu SoKo, den sozialen Kompetenzen. Hierbei ist positiv herauszustellen, dass mein Mann nicht nur die üblichen Wege zum Pflegen sozialer Kontakte nutzt (also direkte Ansprache), sondern auch jede Form der technologisch unterstützen Kontaktaufnahmen. So telefoniert er regelmäßig mit seiner Mutter, die (erwachsenen) Kinder werden per WhatsApp kontaktiert und auch mit meinem Teil der Familie wird ein positiver und regelmäßiger Austausch gepflegt. Um mit meinem Cousin zweiten Grades den Kontakt zu pflegen hat er sogar so eine WhatsApp-artige App installiert, die es mit dem Datenschutz etwas genauer nimmt. Eben diese App nutzt er auch zur Kontaktpflege mit dem Freund meiner besten Freundin! Außerdem hat mein Mann die Wohnung seines Schwagers (also meines Bruders) gestrichen und seinen beiden Kindern beim Umzug geholfen. Außerdem möchte ich in Hinblick auf die SoKo-Werte unbedingt noch festhalten, dass in besagtem Yoga-Retreat auch meine beste Freundin mit Partner dabei war. Hier agierte er sehr integrierend und stets freundlich. Auch war seine Initiative zum gemeinsamen Gin-Yoga mit den anderen männlichen Begleitern des Retreats bemerkenswert. Ich erkläre meinem Mann also feierlich, dass ich auch diesen Bereich als klar “over-performed” einschätzen würde und frage ob das auch seiner Wahrnehmung entspreche… Sollte es mich stutzig machen, dass er nicht antwortet, dafür aber die Lippen aufeinanderpresst und mich durch winzig kleine Sehschlitze anstarrt? Das Auge zuckt übrigens immer stärker! Egal, man muss da eben einmal im Jahr durch und außerdem ist Feedback ja wohl ein Geschenk! Das haben wir alle gelernt!

Kommen wir zu unserem nächsten KPI, dem NFQ, dem New Friends Quotienten! Hier lässt sich sagen, dass es ihm gelungen ist, eine solide neue Freundschaft aufzubauen, die er auch proaktiv pflegt. Es handelt sich übrigens um ein Mitglied der Gin-Yoga-Connection. In Anbetracht der schwierigen Umstände durch Corona und Kontaktsperren will ich ihm das dieses Jahr durchgehenlassen. Allerding geben ich an dieser Stelle bereits zu verstehen, dass sich dieser Punkt im nächsten Jahr verbessern muss und wir das auch selbstverständlich in den Jahreszielen, die es im nächsten Schritt zu vereinbaren gilt, festhalten werden. Vorher müssen wir uns aber unbedingt noch die QRs anschauen… Die zuckenden Sehschlitze meines Mannes verengen sich zusehends. Ich glaube es kommt auch etwas Dampf aus der Nase und die Ohren sind tief rot, fast wie bei einem Tasmanischen Teufel!

Egal! Zu den QRs, den Quick Results: Erfreulicherweise ist das ein Bereich, der sich sehr eindeutig darstellt, geht es doch um den messbaren Umgang mit Finanzen. Leider ein eher unerfreuliches Thema! Ich beginne mit dem bereits angesprochenen Thermomix, der eine sehr spontane und nicht notwendige Ausgabe seinerseits darstellt. Natürlich erwidert er, dass ich ja auch davon profitiere. Aber darum geht es an dieser Stelle nicht! Betrachtet man den Kosten-Nutzen-Faktor wäre es durchaus möglich, klassisch zu kochen, mit etwas Übung auch mit einem vergleichbaren Ergebnis! Ferner gilt es festzustellen, dass die Ausgaben für Lebensmittel zu hoch sind. Im Rahmen eines professionellen Einkaufsverhaltens erwarte ich eine klar nachvollziehbare Kostendiskussion mit dem Lieferanten. Dazu liegt mir nichts vor. Ferner gab es teure technische Ausstattung, ohne zwingende Notwendigkeit und die alte Technik wurde dem Sohn sogar kostenfrei überlassen. Ein derartiges Verhalten ist ausgesprochen wenig ressourcenorientiert. Ich mache keinen Hehl daraus, dass es hier sofort und noch im laufenden Jahr zu Anpassungen kommen muss, um wenigstens mit einem blauen Auge davon zu kommen. Eine sofortige und restriktive Ausgabenkontrolle muss her, auch in Hinblick auf die Weihnachtsgeschenke (meines natürlich ausgenommen!). Und natürlich ist das ein Punkt, den wir im Zusammenhang mit der Zielvereinbarung für das nächste Jahr genaustens anschauen müssen.

Welch brillante Überleitung zur Zielvereinbarung meinerseits! So etwas kann man nicht lernen… Aber Moment! War das gerade die Wohnungstür, die mit einem lauten Knall ins Schloss gefallen ist?

Der Hund steht verdutzt im Flur und ich daneben! Weg ist er! Und das obwohl ich mir einen so tollen Entwicklungsplan ausgedacht habe, mit super SMARTen Zielen: alle Ausgaben werden vorher mit mir besprochen, damit mein Mann durch meine Unterstützung lernen und wachsen kann, das Yoga-Retreat für Fortgeschrittene ist gebucht, weil mein Mann etwas Höhenangst hat, habe ich ihm einen Fallschirm-Tandemsprung organisiert (man muss ja auch mal raus aus der Komfortzone), da er nicht tanzen kann, wollte ich ihm einen Tanzkurs anbieten (lateinamerikanisch versteht sich; weil kulturelle Vielfalt essenziell ist), da mein Mann augenscheinlich gerne telefoniert, könnte er auch noch regelmäßig mit einer meiner Tanten telefonieren, um meinen Teil der Familie bestmöglich in sein tägliches Tun zu integrieren, und so weiter und so fort…

So gut, strukturiert und auch ein ganzes Jahr im Voraus geplant und dann ist mit einem großen Knall alles hinfällig! Ganz schön dynamisch und komplex eine solche Partnerschaft!

Denn der Mensch passt in keine Excel-Tabelle

Keine Sorge, natürlich würde ich ein solches Gespräch niemals mit meinem Mann führen! Niemals! OK, wir führen regelmäßig Gespräche um an unserer Beziehung zu arbeiten, um unsere Team-Performance zu verbessern. Das ist nicht nur OK, sondern auch wichtig, um zu wachsen, zu lernen! Aber niemals würde ich meinen Mann und unsere Beziehung in ein derart enges Korsett packen. Menschen gehören nicht in Excel-Tabellen! Privat nicht und meiner Meinung nach auch nicht im Job. Natürlich müssen Unternehmen eine Möglichkeit habe, ihren Mitarbeitern Ziele zu setzen, deren Performance wahrzunehmen und ggf. eine Richtung anzupassen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen permanenten Prozess (wie in einer guten Ehe) und nicht um einen jährlichen Verwaltungsakt. Denn Menschen die einem wichtig sind, sollte man auch entsprechend behandeln. Das bedeutet in erster Linie, man ist in einem permanenten Austausch, gibt Feedback, erfragt sich Feedback, versteht Problemräume und agiert empathisch und mit Verständnis.

Ich weiß, diese Jahresgespräche gehören inzwischen zur DNA fast aller Unternehmen. Deshalb könnte man ja damit anfangen, dass Führungskräfte darauf achten, dass nichts, was im Jahresgespräch auf den Tisch kommt, nicht bereits zuvor in einem natürlichen, vertrauten Setting angesprochen wurde. Hat den schönen Nebeneffekt, dass man permanent im Austausch bleibt, ganz so wie in einer guten Ehe! Vielleicht nimmt das diesen furchtbaren Gesprächen auch ein wenig die Schwere… Nur so eine verrückte Coach-Idee!

Habt einen zauberhaften zweiten Advent. Für den Fall, dass ihr eure Jahresgesprächen noch vor euch habt: toitoitoi! -Und probiert das auf keinen Fall zuhause aus!

Eure Constance

Wenigstens der Hund hört zu…

Aus der beliebten Rubrik: Bitte nicht zuhause versuchen!

Working Out Loud - So viel mehr als nur eine Methode

Und was ist das jetzt schon wieder?

Das Wissen, besonders Hoheits- oder Exklusivwissen, Macht ist, ist altbekannt! Mit diesem Leitsatz hat mein alter Herr mich quasi durch die Schule getrieben! Später, in Business-Umfeld entwickelte sich daraus die Idee, dass derjenige, der sein Wissen für sich behält, einen Wissensvorsprung hat und sich dadurch gegenüber anderen profilieren kann. Tatsächlich ist diese Einstellung durch die zunehmende Dynamik unseres Arbeitsumfeldes, nicht zuletzt durch die immer weiter um sich greifende Digitalisierung, Vergangenheit. In Zeiten des World Wide Webs haben sich die Vorzeichen radikal geändert. Zum einen ist es so, dass durch eine immer größer werdende Dynamik die Halbwertszeit unseres Wissens stetig abnimmt. Zum anderen ist es so, dass durch das Internet nicht mehr derjenige einen Vorteil hat, der sein Wissen für sich behält, sondern derjenige, der sein Wissen teilt. Für all die offenen Fragen unserer Welt gibt es schon lange nicht mehr diese eine Lösung. Vielmehr ist es so, dass der Austausch in unserer vernetzten Welt dazu führt, dass man sich gemeinsam, über Unternehmens- oder Bereichsgrenzen hinweg, einen Lösungsweg erarbeitet, indem man Wissen austauscht, oder sich Zugang zu Personen oder Institutionen erarbeitet, die zunächst unerreichbar schienen. Im Prinzip sind wir alle “Influencer”, vernetzt mit anderen “Influencern”, die sich gegenseitig unterstützen und weiterbringen.

Der Erste, der diese Grundidee unter dem Begriff “Working Out Loud” in die Welt gekippt hat, war der IT-Berater Bryce Williams, der im Jahr 2010 einen Blogartikel unter der Überschrift “When will we start to work out loud? Soon!” veröffentlichte. Williams beschäftigte sich mit der Notwendigkeit der “Social Collaboration”, bzw. des “Collaborative Learnings” in einem komplexen und dynamischen Umfeld. Hierbei ging es ihm zunächst vor allem darum, das eigene Wissen, die eigenen Erfahrungen und die eigene Arbeit sichtbar und transparent zu machen, damit möglichst viele andere davon profitieren können. Im Prinzip steckt in diesem Ansatz auch die Grundidee der sogenannten Lernenden Organisation, mit der sich Amy C. Edmondson schon viele Jahre zuvor beschäftigt hat. Im Kern also nichts Neues, aber konsequent und sehr praxisnah auf die Welt der sogenannten New Work angewendet.

Vom Mindset zur Methode

Es war ein weiterer Berater, John Stepper, der die Idee des Working Out Loud, also der konsequenten Transparenz und Vernetzung, zu einer echten Methode ausgebaut hat. Hierzu hat er zunächst die fünf Grundprinzipien des “WOL” formuliert:

  1. Visible Work: die eigene Arbeit sichtbar zu machen und Ergebnisse zu teilen und zwar nicht der Selbstdarstellung wegen, sondern um andere weiterzubringen und zu unterstützen.

  2. Growth Mindset: die eigene Arbeit kontinuierlich verbessern, indem man Feedback und die Erfahrungen anderer aktive nutz und einbindet.

  3. Generosity: großzügig Wissen zu teilen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten und damit das eigene Netzwerk nachhaltig zu stärken.

  4. Relationships: ein soziales Netzwerk aufbauen (wir sind wieder bei den “Influencern”) um interdisziplinäre und nachhaltige Beziehungen zu etablieren, die jeden Einzelnen im Netzwerk weiterbringen.

  5. Purposeful Discovery: eine zielgerichtete Zusammenarbeit, was so viel bedeutet, dass ich mein Ziel, meinen Purpose, kenne und weiß, wie ich die Ressourcen meines Netzwerks nutzen kann, um dieses Ziel zu erreichen und mir gleichzeitig bewusst ist, welchen Beitrag ich leisten kann, um mein Netzwerk zu stärken und voranzubringen.

Aus diesen Grundprinzipien entwickelte Stepper schließlich den sogenannte WOL-Circle, in dem sich Gruppen von etwa fünf Teilnehmenden über einen Zeitraum von zwölf Wochen einmal pro Woche für eine Stunde zusammensetzen um gemeinsam und voneinander zu lernen, wie man am effektivsten teilt und sich vernetzt. Zusätzlich geht es darum, gemeinsam die jeweils individuell für die zwölf Wochen gesetzten Ziele zu erreichen. Hierbei steht jede Woche unter einer neuen Überschrift, die von “Vertrauen schaffen” in Woche eins, über “Mache es zur Gewohnheit” in Woche zehn, bis hin zu einem bewussten Abschluss in Woche zwölf führen. -Eine wie ich finde wundervolle Struktur für ein effektives Peer-Coaching!

Von der Methode zurück zum Mindset

Die Methode hat inzwischen Einzug in die Personalentwicklung vieler namhafter Unternehmen, wie zum Beispiel IBM oder Daimler gehalten. Allerdings ist die Grundidee von WOL keinesfalls auf Großkonzerne beschränkt. Im Gegenteil! Working Out Loud unterstützt die Vernetzung der Mitarbeitenden und deren Wissensaustausch untereinander unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Ich persönlich würde sogar weiter gehen und behaupten, dass Working Out Loud noch nicht einmal an Unternehmensgrenzen gebunden ist, oder gebunden sein sollte. Ich nehme mich selbst mal als Beispiel und schaue mir mein über die Jahre hinweg gewachsenes Netzwerk aus Trainern, Coaches, Mediatoren, (agilen) Beratern, Personalern und so weiter an und schon während ich darüber nachdenke, wird es mir ganz warm ums Herz! Ja, ich finde ich bin verdammt gut in dem was ich tue! Jedoch muss auch gesagt sein, dass ein absoluten Hauptgründe dafür, dass ich so gut in meinem Job als Berater, Coach, Trainer bin, ist dass ich mich rasant und stetig weiterentwickle und das tue ich vor allem, in dem ich mich immer wieder mit anderen austausche. Dabei bin ich wahnsinnig dankbar dafür, dass mein Netzwerk nur allzu bereitwillig Ideen, Konzepte, Tools, Ansichten, Perspektiven mit mir teilt. Das geht so weit, dass wir Arbeitsmaterial teilen und ich gebe mein Bestes, um meinen Beitrag in diesen großartigen Mastermind-Gruppen zu leisten und eben auch großzügig zu teilen. Klar sind wir irgendwie alle Konkurrenten. Klar könnte man das so sehen! Allerdings bin ich nur so erfolgreich geworden, wie ich heute bin, weil ich jeden anderen Trainer oder Coach vor allem als Kollegen gesehen habe und sehe. Ich habe immer unterstützt und ich bin heute da, wo ich bin, weil auch ich immer unterstützt wurde. Und so reite ich weiter auf meiner coolen Welle durch diesen unübersichtlichen, schnelllebigen und chaotischen Ozean der sogenannten New Work und bin dabei wirklich tiefenentspannt. Ich muss nämlich keine Angst haben etwas zu verpassen oder zu übersehen! Weiß ich doch, dass ich als einzelner Coach ohnehin nicht in der Lage bin, diesen Ozean zu überblicken. Aber gemeinsam mit meinem Netzwerk bekommen wir das hin und “empowern” uns gegenseitig, damit wir auch weiterhin in der Entwicklung und somit eben auch immer auf dem neusten Stand bleiben! Die Idee von Working Out Loud, das gemeinsame Lernen, ist hierbei ein zuverlässiger Leuchtturm, der jedem von uns dabei hilft, die Richtung zu halten, bzw. die Orientierung nicht zu verlieren.

Und was macht der Coach aus “Working Out Loud” -zurück zur Methode…

Da ich natürlich auch im Rahmen meines Blogs gerne teile, möchte ich euch zum Ende hin noch flott verraten, warum ich heute ausgerechnet über Working Out Loud schreibe. Ich verkünde ja immer wieder, dass ich in meinen Artikeln am Wochenende das zusammenfasse, was mich in meiner Arbeitswoche beschäftigt hat. In der letzten Woche hat mich das Thema Führungskräfte beschäftigt. Konkret ging es darum, Führungskräfte zu stärken und ihnen in dem Chaos, unserer dynamischen, komplexen und unübersichtlichen Arbeitswelt einen Fixpunkt zu geben, damit sie wiederum diese Sicherheit an ihre Mitarbeitenden weitergeben können. Mir geht es schon seit Langem nicht mehr nur darum, Führungskräfte zu entwickeln oder zu coachen (was auch immer das jetzt genau bedeuten soll). Vielmehr ist es meine Idee Führungskräfte in Führungsteams, bzw. Teams aus Führungskräften zu formieren, damit sie sich gegenseitig die Unterstützung und die Sicherheit geben können, die es braucht, um das Schiff sicher durch den alltäglichen Sturm zu steuern. Meine Idee ist es, Führungskräfte in Working Out Loud Circles zusammenzufassen, damit sie so zwölf Wochen lang mit einer Stunde Zeitinvest pro Woche in den Austausch und die Entwicklung als Team aus Führungskräften kommen und dabei auch gleichzeitig an ihrer ganz individuellen Sichtbarkeit und Kommunikation arbeiten. Mal schauen, ob das funktioniert. Auch in agile Strukturen erleben ich es auf Führungsebenen immer wieder, dass Wissen eben doch als Macht gesehen wird, besonders wenn einem alle anderen Machtsymbole durch eine agile Transformation genommen wurden, oder weil man völlig berechtigt vor allem auch an die eigene berufliche Weiterentwicklung denkt und glaubt sich gegen andere durchsetzen zu müssen. Die Krux ist jedoch leider, dass man es einfach nicht alleine schafft, sich durchzusetzen. - Nicht in diesem dynamischen und komplexen Umfeld, in dem wir uns inzwischen bewegen und das wir alleine beim besten Willen nicht überblicken können. Ja, Wissen ist Macht, aber nur wenn wir es teilen! Deshalb wollte ich meinen Ansatz übrigens auch “Leading Out Loud” (LOL) nennen! Ich dachte, ich hätte endlich das Konzept, das mir Ruhm und Ehre verschafft… Dachte ich! Es gibt aber schon so etwas Ähnliches! -Weiß ich dank des World Wide Webs und weil Menschen dort eben alles teilen! Mist, mal wieder zu spät!

Keine Ahnung, ob ich das mit dem “Working/Leading Out Loud Circle” umsetzen werde, bzw. ob die betreffenden Führungskräfte mitmachen! Und ich verrate euch noch ein Geheimnis: ich hab das mit dem Circle noch nie als Coach durchgezogen! Ich kenne die Theorie. Die Praxis ist mir noch fremd! Jedoch habe ich auch hierfür jemanden in meinem Netzwerk gefunden, der mir weiterhelfen kann! Natürlich könnte Heike ihre Erfahrungen mit dem Circle für sich behalten, um sich im Wettbewerb mit mir einen Vorteil zu verschaffen. Macht sie aber nicht, weil wir am Ende doch gar nicht im Wettbewerb sind und sie vielleicht ja auch davon profitieren kann, wie ich das Grundprinzip weiterentwickle, bzw. anpasse! Ich freue mich auf jeden Fall auf den Austausch und darauf von Heike zu lernen und zu gegebener Zeit meine Neuerungen mit ihr zu teilen! Ein Hoch auf die Agilität, also das agile Mindset, nicht die Methoden… Ihr wisst schon…

Teilt und lernt! Seid laut dabei! Und habt einen schönen Sonntag!

Eure Constance

Wie ein Leuchtturm

Wenn geteiltes Wissen Richtung und Struktur schenkt

Das Gehirn, das Gehirn... Der Trainer und das Gehirn - Die Grundideen der Neurodidaktik, nicht nur für Trainer und Coaches

“Alles neu…” - braucht Geduld

Ich weiß, ich wollte eigentlich von meinem Onboarding im neuen Job berichten, aber ehrlich gesagt wäre das momentan in zwei Sätzen erklärt. Da ich meine technische Ausstattung erst kommenden Montag bekomme, konnte ich diese Woche noch nicht wirklich viel tun. Ich hatte schon Kontakt mit einigen Kollegen. Das war sehr schön, weil ich mich unglaublich willkommen und warm aufgenommen fühle. Allerdings musste ich mir schon ein paar Mal sehr deutlich sagen, dass ich gut bin und weiß was ich tue, habe ich mich doch an der ein oder anderen Stelle ziemlich planlos gefühlt. Ich hatte wenig bis keine Ahnung, worüber im Call gesprochen wurde und auf die Frage, ob ich denn Fragen hätte, musste ich erstmal zugebe, dass ich momentan sogar zu wenig darüber weiß, was im Rahmen der Einarbeitung auf mich zukommt, um einigermaßen sinnhafte Fragen zu formulieren. Das sind tatsächlich Momente zum Genießen! Tja, ich habe es so gewollt. Aber ich habe mich entschieden ruhig zu bleiben, nicht nervös zu werden. So ist das eben, wenn man etwas ganz Neues anfängt! Dafür erinnere ich mich immer mal wieder an meine Fähigkeiten und Ressourcen. Genau so kam ich dann auch zu meinem Blog-Thema in dieser Woche. Denn worin ich wirklich extrem gut bin, das ist meine Rolle als Trainer im Lehrsaal. Meine Seminare und Workshops sind gut, schlüssig und kurzweilig. Dem Feedback folgend erreiche ich meine Teilnehmer, was mich natürlich mächtig stolz macht. Klar könnte das an meinem Charisma liegen. Aber ich glaube, es liegt in erster Linie daran, dass ich mein Handwerk verstehe und ein elementarer Teil dieses Handwerks ist für mich das Thema Neurodidaktik. Es ist unser Gehirn, das lernen soll, deshalb müssen wir Trainer, Coaches, Personalentwickler, Führungskräfte darüber nachdenken, was das Gehirn braucht, um lernen zu können. Das ist keine Raketenwissenschaft. Eigentlich ist es sogar recht einfach. Deshalb gibt es für euch diese Woche einen kurzen und knappen Überblick über das Thema Neurodidaktik! -Und ich verrate einige meiner wertvollsten Trainer-Geheimnisse! Viel Spaß dabei!

Lernen ist ein physiologischer Vorgang

Lernen ist im Prinzip nichts anderes als organisches Wachstum: unser Körper bildet neue synaptische Verschaltungen zwischen den Nervenzellen unseres Gehirns oder stärkt bereits vorhandene Verbindungen. Für dieses Wachstum braucht der Körper ausreichend Nährstoffe, genügend Schlaf, Bewegung (ja, Bewegung!) und die Stimulation möglichst vieler Sinneskanäle. So bilden sich mühsam neue Verschaltungen, die zu Anfang noch sehr instabil sind und auch gerne wieder kollabieren (deshalb vergessen wir). Aus diesem Grund sollte sich jeder Trainer oder Coach den Grundsatz “weniger ist mehr” sehr deutlich bei der Konzeption eines Seminars hinter beide Ohren schreiben. Klar kann ich in einen Tag drei Millionen Methoden in flotter Taktung packen. Und wahrscheinlich werden die Teilnehmer ausgesprochen positiv rückmelden, dass es abwechslungsreich war. Aber war es denn auch nachhaltig? Hundert neue instabile Synapsen, die nach drei Tagen alle wieder verpuffen, sind nicht halb so wertvoll, wie drei bleibende Lektionen, die der Teilnehmer sich mitnimmt. Also, Abwechslung und Kurzweiligkeit ja, aber dabei muss man sich als Trainer stets bewusst sein, was die Kernaussagen des Seminars sind und dabei ist weniger eben mehr!

Das Gehirn als Socializer

Der Neurobiologe Joachim Bauer schrieb: “Die stärkste Motivationsdroge für den Menschen ist der andere Mensch!” Lernen wird dann besonders effektiv, wenn es in eine soziale Situation eingebettet ist. Dass Gruppenarbeiten hierfür ein gutes Tool sind, ist hinlänglich bekannt. Um den sozialen Austausch zu initiieren, ist es zudem hilfreich, sich etwas mehr Zeit für die Vorstellungsrunde zu nehmen. Unsere Gehirne werden es uns danken. Sie fühlen sich gleich viel wohler, wenn sie wissen, mit wem sie es zu tun haben und können sich dann auch viel besser auf die Schulungsinhalte konzentrieren. Außerdem bietet es sich im Soft Skill Bereich an, die im Lehrsaal erlebte soziale Interaktion in Hinblick auf die realen sozialen Systeme der Teilnehmer zu reflektieren.

Der Sinn des Lebens

Unser Gehirn ist das einzige unserer Organe, das Bedeutung und Sinn erzeugt. Es ist sogar so, dass das Gehirn nicht funktionieren kann, wenn es keinen Sinn erkennt. Entweder schaltet es ab, oder es entwickelt sich ganz eigene Hypothesen, um arbeiten zu können. Was bedeutet das für mich als Trainer oder Coach? Es bedeutet, dass ich mir ganz genaue Gedanken darüber machen muss, welche Rolle meine Schulungsinhalte im realen Arbeitsleben und in der Unternehmenswelt meiner Teilnehmer spielen. Als Trainer sollte ich das bereits im Rahmen der Auftragsklärung in Erfahrung bringen.

Sinn bedeutet Muster

Für unser Gehirn bedeutet Sinn nicht nur, dass man mit dem Vorgestellten etwas anfangen kann, sondern auch, dass man auf bekannte Muster aufbauen kann. Als Trainer versuche ich bereits im Vorfeld in Erfahrung zu bringen, was der Wissensstand meiner Teilnehmer ist und worauf ich inhaltlich aufbauen kann. Aber auch im Seminar habe ich bereits eingangs die Möglichkeit, meine Teilnehmer direkt zu befragen. Und selbst im Verlauf des Seminars kann ich meine Teilnehmer vortrefflich einbinden, wenn ich feststelle, dass mein Inhalt womöglich schon bekannt ist. Dazu muss ich meinen Teilnehmern natürlich zuhören und dann Raum geben.

Ohne Emotionen geht gar nichts

Um die synaptischen Verbindungen bilden zu können, die uns als Muster bewusst werden, benötigt unser Gehirn die ein oder andere Zutat, die sogenannten Neuromodulatoren. Zu nennen wären hier bestimmte Hormone, wie zum Beispiel Noradrenalin oder Endorphin, dass nur zur Verfügung steht, wenn das Gehirn sich in einem (positiven) Erregungszustand befindet. Tja, deshalb muss eine erfolgreiche Schulung Spaß machen und ein guter Trainer begeistern können. Keine Angst, ein gutes Training muss nicht als Kasperletheater gestaltet werden. Es ist nicht nur das akute Glücksgefühl, das uns lernen lässt, sondern auch die Erkenntnis, dass wir das im Rahmen der Schulung dargestellte Tool zukünftig nutzen können, um in Situationen, die uns bisher verunsichert haben, sicherer und erfolgreicher agieren zu können, wie zum Beispiel beim Kennenlernen von Feedbackleitfäden oder dem Stufenmodell der Deeskalation.

Das Gehirn braucht das große Ganze

Klar könnte ich meinen Teilnehmern das Stufenmodell der Deeskalation kurz theoretisch erklären und dann davon ausgehen, dass sie es gelernt haben… Ich habe seinerzeit sehr viel übers Surfen (also auf dem Wasser) gelesen. Man könnte sagen theoretisch habe ich es gelernt. Mein erstes Mal auf einem Brett endete in einem Desaster, oder sollte ich sagen an einem Felsen?! Wie kann das sein? Ganz einfach, ich habe die Detailinformationen zwar verarbeitet, habe meinem Gehirn mit meinen Büchern jedoch nie die Möglichkeit gegeben die Details in eine komplexe Situation zu transferieren. Als Trainer gebe ich meinen Teilnehmern mit Hilfe möglichst komplexer Lernzielübungen die Möglichkeit, sich auf diesen Transferweg zu begeben. Wie oft beten mir meine Teilnehmer alle Aspekte guter Kommunikation in der Theorie ausführlich vor und eine halbe Stunde später, während einer komplexen und vielleicht auch etwas stressigen, auf jeden Fall aber lebensnahen Lernzielübung hört man sich nicht mehr zu, spricht in Rätseln oder nur in halben Sätzen, setzt voraus, dass das Gegenüber schon wissen würde, was gemeint sei und so weiter und so fort. Erst in der Reflexion dieser Übung beginnt das wirklich lernen, weil das Gehirn anfängt, den Transfer zu leisten, der für nachhaltiges Lernen und die Fähigkeit das Gelernte auch praktisch anzuwenden notwendig ist.

Lernen durch gerichtete und periphere Aufmerksamkeit

Lernen durch gerichtet Aufmerksamkeit sollte klar sein: der Teilnehmer folgt aufmerksam den Ausführungen des Seminarleiters. Aber was hat es mit peripherer Aufmerksamkeit auf sich? Wisst ihr was Priming ist? In der Psychologie bezeichnet man das Erreichen einer Reaktionstendenz durch unbewusst aufgenommene Reize als Priming. Mein gesamtes Umfeld, der komplette Lernraum, hat Einfluss auf das Lernverhalten meines Gehirns. -Jedes Poster an der Wand, die kleine “Blutzucker-Bar” hinten in der Ecke, die Vorhänge, die Stifte, das lächelnde Männchen, das ganz unscheinbar unten rechts auf der Power Point oder der Flipchart zu finden ist… Alles! Als Trainer, Coach oder Mediator ist es elementar wichtig, mir Gedanken über die Raumgestaltung zu machen, zum einen, weil ich so sehr clever Lernanreize setzen kann, zum anderen aber auch um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, in der das Gehirn optimal entspannt und damit maximal effizient lernen kann.

Bewegung - Bewegung - Bewegung

Im Prinzip haben wir zwei Arten von Gedächtnis, die wir beide gleichermaßen stimulieren müssen, um nachhaltige Lernerfolge zu erzielen. Das eine ist in meiner Vorstellung das Gedächtnis, in dem die über unsere Sinneswahrnehmungen aufgenommene Reize abgespeichert werden, also alles das, was ich sehe, höre, rieche, schmecke, fühle. Im anderen Gedächtnis wird alles das abgespeichert, was ich erfahre. Diese Teile unseres Gehirns, in dem Erfahrungen abgespeichert werden, werden vor allem durch Bewegung aktiviert werden. Zu nennen wären an dieser Stelle das episodische Gedächtnis, das real erlebte Situationen speichert, das prozedurale Gedächtnis, das sowohl motorische, aber auch soziale Aktionen zur Routine werden lässt und das emotionale Gedächtnis, das Erfahrungen mit emotionaler Relevanz besonders markiert oder abspeichert. Je mehr Hirnregionen ich mit meinen Seminaren anspreche, desto nachhaltiger wird mein Seminar, weil es gleich in mehreren Hirnregionen abgespeichert wird. Keine Angst, das bedeutet nicht, dass jetzt alle die Feedbackregeln tanzen müssen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, meine Teilnehmer körperlich zu aktivieren. -Zum Beispiel, indem sie selbst an der Flipchart arbeiten, oder sich während einer Partnerreflexion im Haus bewegen dürfen, oder, oder, oder… Hier ist Kreativität gefragt. Ich kann euch nur dazu ermutigen, euch ein eigenes Repertoire für eure Seminare zu erarbeiten. Es lohnt sich.

Auch das Gehirn wird nicht jünger

Lernen ist entwicklungsabhängig. Im Kontext Schule oder Universität spielt dieser Umstand keine Rolle, da die Lernenden weitestgehend auf einem vergleichbaren Entwicklungsstand sind. In der Erwachsenenbildung oder im Unternehmenskontext hat man es häufig auch in Hinblick auf das Alter der Teilnehmer mit sehr heterogenen Gruppen zu tun. Hierbei gilt es zu beachten, dass die sogenannte Neuroplastizität, also die Geschwindigkeit, in der neue Verbindungen zwischen unseren kleinen grauen Zellen gebildet werden, mit dem Alter abnimmt. Das ist einfach so. Es stimmt nicht, dass das Gehirn irgendwann ausgelernt hat. Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall. Aber das Lernen selbst dauert eben etwas länger. Auch die Annahme, dass die Konzentrationsfähigkeit im Alter nachlässt, ist so nicht richtig. Oft zeigen ältere Menschen sogar eine verstärkte Fähigkeit, sich länger konzentrieren zu können, allerdings wird man im Alter anfälliger für Ablenkungen, da die Fähigkeit des Gehirns, Interferenzen zu unterdrücken mit der Zeit nachlässt. Hinzu kommt, dass im Alter der Cortisol-Spiegel ansteigt, während der Dopamin-Spiegel sinkt. Ersteres führt zu erhöhter Stressanfälligkeit und zweites führt dazu, dass man nicht mehr jedem kleinen Motivations-Stöckchen hinterher springt. Wenn ich mir darüber bewusst bin, kann ich mir das alles als Trainer sogar zu nutzen machen, indem ich die jüngeren Teilnehmer von der Ruhe und der Erfahrung der älteren Teilnehmer profitieren lasse. Im Gegenzug können die jüngeren Teilnehmer die Älteren ein Stück weit mitziehen und begeistern. Im Soft Skill Bereich funktioniert das aus meiner Erfahrung sprechend ganz großartig. Im Hard Skill Bereich ist es je nach Thematik eine Überlegung wert, möglichst homogene Lerngruppen zusammenzustellen. Wichtig ist jedoch, dass ich all dem komplett wertfrei gegenüberstehe. Jede Entwicklungsstufe und jedes Alter hat Vor- und Nachteile. Als Trainer ist es niemals meine Aufgabe, dies zu bewerten, sondern mein Seminar so zu gestalten, dass es zu einer bestmöglichen Lernerfahrung für meine Teilnehmer wird.

Angst und Lernen gleichzeitig geht nicht

Um nachhaltig zu lernen, muss mein Gehirn das eben Gelernte und Erfahrene vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis überspielen. Verantwortlich hierfür ist der sogenannte Hippocampus, der bei einer zu hohen Konzentration an Stresshormonen einfach seinen Dienst versagt. Außerdem haben wir ja bereits gelernt, dass wir unter anderem das Glückshormon Endorphin benötigen, damit sich Neurotransmitter bilden. Keine Sorge, man muss seine Teilnehmer jetzt nicht in Watte packen. Ein gesundes Level an Stresshormonen, diese positive Aufregung, die wir alle sicher kennen, ist sogar gut für unsere Leistungsfähigkeit, weil sie uns ausgesprochen wach und aufmerksam sein lässt. Hier macht die Dosis das Gift und um die Dosis nicht zu überschreiten, ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass während des Seminars eine vertrauensvolle und entspannte Atmosphäre herrscht. Hierbei reicht es nicht, den Teilnehmern zu versprechen, dass das Gesagte nicht nach außen getragen wird. Als Trainer ist es wichtig sich nahbar zu zeigen, den Teilnehmern auf Augenhöhe zu begegnen und nicht den großen, allwissenden, einschüchternden Supertrainer zu spielen, der den unwissenden Teilnehmern schon auf die Sprünge helfen wird. Gelingt mir das, werden die Gehirne meiner Teilnehmer automatisch Oxytocin ausschütten, was nicht nur dafür sorgt, dass die Teilnehmer sich wohlfühlen. Zusätzlich stimuliert Oxytocin unser Motivationszentrum und motivierte Teilnehmer wünscht sich doch jeder Trainer!

Jeder Jeck ist anders

Jedes Gehirn ist einzigartig und jede Persönlichkeit ist individuell! -Und das ist wundervoll, gut und genau richtig so. Es geht nicht darum, menschlichen Einheitsbrei zu kochen! In einer komplexen und dynamischen Welt geht es darum, möglichst heterogene Teams zu formen, die gemeinsam erfolgreich sind. Deshalb ist für mich als Trainer das Wichtigste überhaupt, dass sich meine Teilnehmer bewusst darüber werden wer sie sind und wie sie funktionieren. Erst wenn es mir gelingt, dass meine Seminarinhalte die Identitätsebene meiner Teilnehmer erreichen, werden meine Seminarinhalte auf einer höheren Ebene sinnstiftend. Hört sich hochtrabend an? Ja, stimmt! Ist aber gar nicht so schwer. Ich muss meine Teilnehmer dabei unterstützen, nicht nur die reinen Themen theoretisch zu reflektieren, sondern diese Themen auf sich und ihre individuelle Persönlichkeit zu beziehen. Dazu muss ich meinen Teilnehmern zum einen Zeit geben (also bitte keine übertrieben vollgepackten Tage). Und wenn ich noch mehr möchte (und ich möchte immer noch mehr!), kann ich meine Teilnehmer zum Beispiel mit Persönlichkeitsmodellen (wie zum Beispiel dem Big Five Modell), mit Tests, die bei der Einordnung der eigene Persönlichkeit helfen (wie zum Beispiel Selbsttests zum Kommunikationsstil, oder einer Übung zum Johari-Fenster), oder mit Gruppenübungen zur Selbstreflexion (wie zum Beispiel einer Gruppenübung zur Riemann-Thomann-Matrix) bei ihrer individuellen Selbstreflexion unterstützen.

Das war ganz schön viel, aber es gibt noch mehr

Puh, das war jetzt ein rasend schneller Überblick über die Grundideen der Neurodidaktik. Elf kleine Häppchen, direkt hintereinander serviert! Solltet ihr mehr wollen, kann ich euch eine meiner persönlichen Bibeln sehr ans Herz legen. Es folgt unbezahlte Werbung: im Buch “Neurodidaktik für Trainer” erfahrt ihr noch mehr darüber, wie ihr eure Trainings mit kleinen Tricks und Kniffen unter Berücksichtigung der neusten Erkenntnisse der Gehirnforschung effektiver und erfolgreicher gestalten könnt.

Irgendwann, noch relativ am Anfang meiner Trainerkarriere, habe ich mich recht intensiv gefragt, für wen ich das, was ich tue, mache. Und klar bin auch ich, genauso wie sicher die meisten meiner Trainerkollegen, eine kleine Rampensau. Aber als Trainer muss ich mir im Klaren darüber sein, dass ich meine Seminare nicht für mich, sondern für meine Teilnehmer gebe. Ich möchte, dass meine Teilnehmer sich wohlfühlen, Spaß haben und sich weiterentwickeln. Das ist es mir wert, mir immer wieder viele Gedanken darüber zu machen, welche Möglichkeiten ich habe, meine Seminare nicht nur inhaltlich, sondern auch didaktisch so zu gestalten, dass jedes einzelne Seminar etwas Besonderes ist, nicht nur für mich, sondern auch für meine Teilnehmer. Genau das macht mir unendlich viel Spaß und ich bin jetzt schon gespannt, wann ich im Rahmen meines neuen Jobs wieder Seminare und Workshops konzipieren und im Lehrsaal stehen darf.

Eure Constance

PS: Ich kann es nicht sein lassen! Abschließend möchte ich euch noch meinen Lieblings-Fun-Fact rund um unser Gehirn mitgeben: Teil unseres Emotionshirns ist die sogenannte Amygdala, das Angsthirn, also im Prinzip unser persönlicher Katastrophen(schutz)beauftragter. Wenn der anspringt, wird es für gewöhnlich wild und irrational, da er nur zwei Prinzipien kennt: Kampf oder Flucht! Diese Amygdala gehörte irgendwann im Laufe der Evolution mal zum Riechhirn. Ja, auf einer früheren Entwicklungsstufe gab es das mal. Der Profi nennt es Rhinencephalon. Inzwischen hat sich das Gehirn neu organisiert. Was aber geblieben ist, ist dass unsere Amygdalas eine besondere Verbindung zu Gerüchen haben. Gerüche sind bis heut die einzigen Sinneswahrnehmungen, die einen ungefilterten VIP-Zugang zu unserem Angsthirn haben. Schon mal darüber nachgedacht, mit ätherischen Ölen, die so dezent sein dürfen, dass wir sie bewusst gar nicht wahrnehmen, die Katastrophen(schutz)beauftragten eurer Teilnehmer zu entspannen? Läuft! Ehrlich! Auch im Coaching und der Mediation! It’s chemistry!

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Damit das gelernte nicht im tiefen Wald der Hirnwindungen verloren geht…

Didaktik fürs Gehirn