Krisenstab

Führung in Extremsituationen - Agilität an ihren Grenzen?

Agilität - Allheilmittel für alle Fälle?

Agilität und agile Führung oder Servant Leadership sind absolute Trendthemen unserer Zeit. Beides wird nur zu gerne als Allheilmittel für diese so gnadenlose, unbeständige, dynamische und komplexe VUKA-Welt beschrieben. Aber wie viel VUKA darf es denn sein, bis die Ansätze von Agilität und agiler Führung gegebenenfalls an ihre Grenzen kommen, weil eine Situation zu dynamisch wird und am Ende eben doch einer die Verantwortung übernehmen muss?

In der Grundidee von Agilität geht man davon aus, in einem Umfeld navigieren zu müssen, das von hoher Unsicherheit, Komplexität und Dynamik geprägt ist. Auch jede Extremsituation oder Krise ist geprägt von Unsicherheit, Komplexität und Dynamik. Man denke nur an Corona, eine weltweite Extremsituation, die man so noch nie zuvor erlebt hat. Wenn Agilität und agile Führung nun bedeutet, sich flexibel und schnell auf eine neue Situation einzustellen um folglich auch entsprechend schnell zu handeln, dann ist ein agiles Mindset tatsächlich eine Grundvoraussetzung, um in Extremsituationen überhaupt erfolgreich führen zu können. Wer in einer solchen Situation nicht flexibel reagiert und führt, indem er darauf vertraut, dass alle Mitarbeiter eigenverantwortlich, in Teams mit einem hohen Grad an Selbstorganisation reagieren, wird vermutlich scheitern. Die sozialistische Planwirtschaft des Topdown-Managements ist hier zum Scheitern verurteilt.

Agilität an ihren Grenzen

Allerdings erreichen Teams in extremen Situationen oder Krisen häufig sehr schnell die Grenzen der Selbstorganisation. Tobt der Sturm so heftig, dass er droht die Segel zu zerreißen, agieren selbstorganisierte Teams wahrscheinlich zu zögerlich. Was es in dieser Situation braucht sind klare Ansagen und Leitplanken, so wie Handlungsanweisungen und jemanden, der Verantwortung übernimmt. Eigentlich passt das ja überhaupt nicht in die schöne bunte Welt der Agilität. Auf der anderen Seite finde ich, dass es sehr wohl zur Grundidee von Agilität und Servant Leadership passt: Führung fällt situativ dem zu, der die besten Voraussetzungen, Kompetenzen oder die meiste Erfahrung für die jeweilige Situation mitbringt. In einer Studie zu High Performance Teams der TU Chemnitz wird diese Form von Führung als transformational bezeichnet und darf getrost als einer der Schlüssel zu High Performance gesehen werden. Eine der wichtigsten Voraussetzungen hierfür ist jedoch, dass Zuständigkeiten klar geregelt sind. Als Beispiel hierfür führt die Studie der TU Chemnitz unter anderem die Luftrettung an. Hier agieren Teams unterschiedlicher Experten gemeinsam innerhalb eines gesetzten Rahmens. Jeder hat seinen Fachbereich und es ist völlig klar wer den fliegerischen Hut auf hat, wer den medizinischen und wer die größte Kompetenz im Bereich der Rettungstechnik hat. Je nachdem, um was es gerade geht, wechselt die Führung in diesen Teams von einem zum anderen. Zusätzlich hat das Team gemeinsame Regeln, Vorschriften und Anweisungen.

Ein weiterer Aspekt, der Agilität in Extremsituationen an ihre Grenzen bringen kann, ist der Umstand, dass in agilen Umfeldern gerne bis zum Exzess gepredigt wird, dass es darum geht, immer und stets kreativ zu sein, Neues auszuprobieren, Experimente zu wagen, nicht auf bereits ausgetretenen Pfaden zu wandeln und sich stetig neu zu erfinden. Das ist großartig und dafür liebe ich die Idee der Agilität! Allerdings ist es in Extremsituationen und Krisen sinnvoll ein bereits trainiertes und jederzeit abrufbares Handlungsrepertoire zu haben, das einen schnell reagieren lässt, ohne große Denkprozesse. - Quasi eine Art erste Hilfe, die einem die Luft verschafft, um in zweiten Schritt schließlich kreativ sein zu können. Der Wert von Routinen, die Ruhe und Sicherheit im Zustand höchster Dynamik und Komplexität bringen, wird in agilen Strukturen noch häufig unterschätzt. Oft sind es diese Routinen oder auch einfach nur eine klare und bereits im Vorfeld festgelegte Priorisierung, die uns in besonderen Stresssituationen die kognitive Kapazität verschaffen, damit letzten Endes dann doch etwas Großartiges rauskommt.

Flugzeuge und agile Krisen

Ich muss gestehen, dass ich bei meiner Reise durch die Welt von New Work und Agilität immer und immer wieder daran erinnert werde, wo ich her komme und natürlich mache ich immer wieder den agilen Kardinalsfehler (und zwar mit voller Absicht, weil ich es für absolut richtig halte): ich vergleiche, stelle Parallelen fest, schaue mir an, wie man seit Jahrzehnten in der Luftfahrt Dynamik und Komplexität managt, Teams strukturiert und in die Eigenverantwortung und Selbstorganisation führt und natürlich auch, wie Führung in der Luftfahrt geschult und wahrgenommen wird. Natürlich ist die Definition von Erfolg in der Luftfahrt ganz anders als in einer Bank. Aber VUKA ist genau so dynamisch und komplex wie es Flugzeuge sind, die ziemlich flott auf 10 Kilometer Höhe um die Welt düsen! Hinzu kommt, dass sich in diesen Flugzeugen selbstorganisierte Teams befinden, die auf sich gestellt sind, agieren und entscheiden müssen und auch die Art der Führung, wie sie in der Luftfahrt geschult wird, ist nicht wirklich weit weg von dem, was man in agilen Strukturen Servant Leadership nennt. In flachen Hierarchien ist sich der Kapitän jederzeit bewusst, dass seine wertvollste Ressource seine Crew ist, weil einer alleine diese Komplexität der fliegenden Blechdosen niemals überblicken kann. Ein Kapitän ist darauf angewiesen, dass jedes Crewmitglied ein hohes Maß an Eigenverantwortung spürt und wahrnimmt (nennt man Neuhochdeutsch ja gerne Self-Leadership), sich dabei aber jederzeit als Teil eines Teams sieht und sich bewusst darüber ist, dass es in erster Linie immer um den Erfolg des Teams geht und nicht darum, sich selbst zu profilieren.

Ja, Flugzeuge sind anders als Banken und Erfolg sieht in beiden Bereichen ausgesprochen unterschiedlich aus. Aber die Faktoren auf menschlicher Ebene, die eine Organisation erfolgreich machen, sind überall die gleichen und ich stelle fest, dass ich in meiner agilen Welt vieles versuche noch klarer und deutlicher zu implementieren, dass ich auch als Human Faktors Trainer in der Luftfahrt immer wieder gepredigt habe: klare Priorisierung, absolute Transparenz, eine Kultur der psychologischen Sicherheit und eine Führung, die sich vor allem auch darum kümmert, dass das Team bestmögliche Voraussetzungen hat, um Leistung zu erbringen. Hierbei habe ich bereits in den ersten Monaten meiner agilen Reise festgestellt, dass auch agile Teams Leitplanken benötigen und dass man alles das, was sich standardisieren lässt, auch standardisieren und automatisieren sollten. Denn wenn plötzlich ein wirklich wilder Sturm zu toben beginnt, sind es die Automatismen, alles das, worüber wir nicht nachdenken müssen, was uns die kognitive Kapazität gibt, um in Krisensituationen kreativ agieren zu können.

Und Führungspersönlichkeiten braucht es überall

Und wie viel Führung braucht es denn nun in der agilen Welt? Diese Diskussion zwischen Alignment und Autonomy ist allgegenwärtig und was soll man einer Führungskraft, die gerne Servant Leader sein möchte, raten? Nicht einfach! Wobei, eigentlich doch! Wenn der Wind ganz sanft weht und dabei warm die Nase kitzelt, dann läuft der Laden, dann braucht dein Team niemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist. Im sanften, warmen Wind fühlt dein Team sich sicher, agiert routiniert und ist dankbar für den Raum, den du ihm lässt. Wird aus dem Wind ein Sturm, wird die Unsicherheit immer größer, liegen die Dinge anders. Wenn ich nicht mehr weiß, was in dieser unbekannten, dynamischen und vielleicht sogar beängstigenden Situation richtig und falsch ist, suche ich förmlich nach Führung. Lieber Servant Leader, in deiner Berufsbezeichnung steht nicht nur Servant, sondern auch Leader und wenn eine steife Brise anfängt dein Team durcheinanderzuwirbeln, dann ist Führung gefragt. Dann geht es darum, mit deinem Team und für dein Team Strukturen zu schaffen, Prioritäten zu setzen und vielleicht sogar mal darum, zu sagen, wie die Segel zu setzen sind. Keine Angst, das ist nicht “un-agil”. Agil ist zu sehen, was es wann braucht und entsprechend situativ zu agieren. Einen besseren Dienst am Team gibt es nicht! Also nur Mut, lieber Servant Leader!

Bei mir weht übrigens gerade gar kein Wind. Dafür scheint die Sonne und ich gehe wandern! Habt einen schönen Sonntag!

Eure Constance

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Die Ruhe vor dem Sturm?

Manchmal braucht es einen Kapitän auf der Brücke und keinen Kammerdiener

"Hast du was zu Leadership in High Performance Teams?"

Für Conny

“…Weil ich dachte, dass Krisenstäbe ja irgendwie auch High Performance Teams sind, aber auch agil sein müssen, weil eine Krise ja meist unsicheres Fahrwasser ist.” Liebe Conny, ich hoffe du verzeihst mir, dass ich diesen Beitrag ungefragt mir einem Zitat aus unserer Konversation von vor einer Woche einleite!

Ich habe in ziemlich vielen Aus- und Weiterbildung durchaus so einiges an wertvollem Wissen angehäuft, das meiner Weiterentwicklung definitiv zuträglich war und ist. Etwas, was für mich mindestens genauso wertvoll ist, ist mein Netzwerk, all die wundervollen, bunten und spannenden Menschen um mich herum, die mir immer wieder eine wertvolle neue Perspektive auf alles das bieten, mit dem ich mich beschäftige. Manchmal war es schlicht und ergreifend der Zufall, der mir mein Netzwerk beschert hat. In Connys Fall wurden wir quasi verkuppelt und das war ausgesprochen gut. Momentan darf Conny den aufkommenden Frühling im fernen Maastricht genießen, wo sie sich mit ihrer Doktorarbeit auseinandersetzt. Das Kernthema sind Krisenstäbe. Und ja, ich musste Conny rechtgeben, erfolgreiche Krisenstäbe sollten in der Tat agil arbeiten, oder wenigstens mit einem agilen Mindset zur Tat schreiten, da Krisen selbstverständlich immer von einer hohen Dynamik gepaart mit einer anständigen Portion Komplexität geprägt sind. Ohne ins Detail gehen zu wollen, ist die gegenwärtige Corona-Krise ein gutes Beispiel für Dynamik, Komplexität, Abhängigkeiten und Unberechenbarkeit. Die Ausgangssituation verändert sich ständig, schnelle Entscheidungen wollen getroffen, aber auch immer wieder überprüft und revidiert werden. Schon vor zwei Wochen habe ich mit einigen Agile Coach Kollegen darüber nachgedacht, ob denn die Krisenstäbe der Bundesregierung auch Kanban-Bords haben und wie diese wohl aussehen.

Führung und High Performance

Ich habe Conny schon vor einer Woche versprochen, mich sehr bald mit dem Thema Führung in High Performance Teams zu beschäftigen. In der letzten Woche hat dieses Thema in meiner neuen agilen Welt derart an Fahrt aufgenommen, dass es tatsächlich schon heute so weit ist.

Bevor ich das Thema in die Agilität einbette, beschäftige ich mich erst einmal damit, was Führung generell für High Performance Teams bedeutet, zumal Agilität für mich ein Weg ist, High Performance zu erzeugen. In meinen Betrachtungen zu High Performance Teams beziehe ich mich gerne und immer wieder auf die sogenannte H!PE-Formel, eine empirische Analyse von Hochleistungsteams der TU Chemnitz, durchgeführt von Prof. Dr. Pawlowsky und Dr. Steigenberger. Was mir an eben dieser Studie besonders gut gefällt, ist, dass man Teams aus ganz unterschiedlichen Bereichen herangezogen hat und so eine wirklich gute Bandbreite darstellen konnte und kann. Analysiert wurden Teams aus High Risk Bereichen wie Medizin, Luftfahrt, Luftrettung, Feuerwehr, aber auch weltbekannte Orchester und Teams aus der Gourmetküche, so wie Sportteams aus so unterschiedlichen Bereichen wie dem Segeln, der Formel 1 oder dem Profifußball, um nur einige zu nennen.

Was alle Teams in Hinblick auf Führung gemeinsam hatten, war, dass Führung klar vorhanden, benannt und erkennbar war. Die Art und Weise wie geführt wurde, war von Bereich zu Bereich unterschiedlich. In der Gourmetküche zum Beispiel wurde ein von transformativen Führungsansätzen geprägter Führungsstil wahrgenommen. Das heißt, der Führende führt indem er Vorbild und Mentor für seine Mitarbeiter ist und diese fachlich stetig weiterentwickelt. Im Gegenzug dazu akzeptieren die Mitarbeiter eine klar erkennbare Hierarchie. Der transformative Führungsstil tritt besonders häufig in Teams mit deutlichem Kompetenzgefälle auf und hat zum Ziel, jedes Teammitglied bestmöglich weiterzuentwickeln um die Team Performance so stetig zu verbessern.

Der transformativen Führung steht die transformationale Führung, wie sie zum Beispiel in der Luftrettung gelebt wird, gegenüber. Hier tritt Führung besonders in Einsatzsituationen in den Hintergrund. Führung übernimmt die Person, die für die jeweilige Situation die größten Kompetenzen mitbringt, unabhängig von der formalen Hierarchie. So wird Führung zu einer Art einem fluiden Konzept, das darauf basiert, dass zum einen jeder einzelne bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, zum anderen gibt es hinsichtlich der Arbeitsabläuft klare Rahmen, Vorgaben und Prozesse, definierte Leitplanken innerhalb welcher sich die Akteure bewegen dürfen.

In besonders leistungsfähigen kleinen und mittelständigen Unternehmen wurden vor allem transaktionale Anteile in der Führung beobachtet. Das bedeutet, hier beruht Führung auf Geben und Nehmen. Im Sport wurde häufig über die Definition eines gemeinsamen Ziels geführt, dem alles, auch individuelle Begehrlichkeiten, untergeordnet wurde.

Und am Ende geht es doch wieder nur um das Gefühl von Sicherheit

Das wirklich Interessante an der H!PE-Formel ist, dass es nicht die eine Art von Führung ist, die zwangsläufig zu High Performance führt. Häufig handelt es sich sogar um Mischformen der unterschiedlichen Führungsansätze, die erfolgreich machen. Die Basis für High Performance ist eben kurzgesagt das Vorhandensein von Führung! Aber Vorsicht! Die H!PE-Formel wäre nicht die H!PE-Formel, wenn es im Prinzip egal wäre, was man macht. Es gibt einen weiteren Aspekt, der ausgesprochen viel mit Führung zu tun hat und der eine absolute Voraussetzung für High Performance Teams ist: Vertrauen! In allen untersuchten Teams, unabhängig ihrer jeweiligen Form von Führung, wurde festgestellt, dass jedes Teammitglied, unabhängig seiner strukturellen Position, jederzeit das Gefühl hatte, Probleme offen ansprechen zu können und auch dem Vorgesetzten jederzeit offen Feedback geben zu dürfen oder Verbesserungen anregen zu können und dabei erst genommen zu werden. Die Harvard Professorin Amy C. Edmondson nennt dieses Gefühl von Sicherheit Psychological Safety. -Für sie DIE Voraussetzung für High Performance. Tja, und ich bin an dieser Stelle immer wieder in so einem Huhn-Ei-Dilemma, in dem ich mich frage, was zuerst da war: die Führung, die das Team positiv beeinflusst und somit das Gefühl von Sicherheit hervorruft, oder das Gefühl dieser Sicherheit, die eine auf Vertrauen basierende Führung hervorruft? Sagt ihr es mir! Ich bin da ratlos, gebe aber Führungskräften gerne immer wieder den Rat, sich nicht nur dahingehend zu reflektieren, was für eine Art Führungskraft sie sind: kooperativ, hierarchisch, Laissez-faire, Servant… Ich ermutige Führungskräfte darüber hinaus auch immer wieder sich zu fragen, wie sicher sich ihre Teams fühlen, wie es um die Vertrauensbasis bestellt ist.

Und jetzt wird es auch noch agil

Wie schon erwähnt, sehe ich Agilität als eine großartige Möglichkeit um Hochleistung zu generieren. Warum? Weil agile Strukturen zu der Erkenntnis gelangt sind, dass nur der Mensch gemeinsam im Team in der Lage ist, die Dynamik und Komplexität unserer schönen neuen VUCA-Welt zu managen. Der Mensch ist hier die wertvollste Ressource, das Humanvermögen eines Unternehmens und es gilt bestmögliche Voraussetzung für die Mitarbeiter zu schaffen, ihr gesamtes Potenzial auch nutzen zu können. Hierbei sind Führungskräfte elementar wichtig. In agilen Strukturen stellt man sich deshalb den Servant Leader, die dienende Führungskraft vor. Im Kern ist die H!PE-Formel hier gar nicht so weit weg, kommt sie doch zu der Erkenntnis, dass Führung zum einen eine klare Zielausrichtung fördern soll, zum andern aber auch eine wirkungsvolle Unterstützung aller Teammitglieder liefern muss, also das Team fördern oder dem Team dienen soll. Das schließt auch mit ein, dem Mitarbeiter Raum zu geben, sich zu entfalten. Wenn Unternehmen schon horrende Summen in Fachpersonal investieren und diesen Leistungsträgern dann bis ins Detail sagen, was zu tun ist, beißt sich die Katze ja auch irgendwie in den Schwanz. Ergo: Führung muss Raum lassen und auf die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter vertrauen, was uns wieder zu Edmondsons Psychological Safety führt. Spannend wird hier jedoch die Frage, wieviel Raum man seinen Mitarbeitern lassen sollte. Der schwedische Agile Coach Henrik Kniberg beschreibt, dass man einen Weg zwischen “Alignment” und “Autonomy” finden muss. Das hört sich in der Theorie einfacher an, als es sich in der Praxis darstellt. Denn Servant Leadership ist nicht nur Servant, sondern auch Leadership und zu viel Autonomie hat das Potenzial, Strukturen und Organisationen komplett zu torpedieren und von innen auszuhöhlen. Denn streng genommen sind Sinn, Zweck und Wesen von (Wirtschafts-) Organisationen nicht wirklich auf Agilität ausgelegt. Deshalb gilt es hier einen guten Mittelweg zu finden. Dieser Mittelweg führt mich zurück zu den Herren aus Chemnitz und der Luftrettung: weil Führung hierbei im alltäglichen Tun in den Hintergrund gerät und der jeweilige Experte für die jeweilige Situation die Verantwortung übernimmt, in Führung zu gehen. Dabei fühlt er sich durch vorgegebene und klar definierte Leitplanken und Prozesse gesichert und das Gefühl tiefen Vertrauens sorgt dafür, dass jeder einzelne Mitarbeiter Verantwortung übernimmt und proaktiv agiert. Ich persönlich glaube ja, dass Agilität in der praktischen Umsetzung noch einen weiten Weg zu gehen hat, um das Thema Führung wirklich glatt zu ziehen. -Zumal ja auch immer wieder Manager vom alten Schlag plötzlich zum Servant Leader werden sollen. Das ist verdammt viel verlangt. Hier braucht es Geduld, Unterstützung und eine ganz scharfe Rollenklärung… Und am Ende müssen auch die Mitarbeiter verstehen, dass Agilität eben doch nicht Anarchie bedeutet und man bei all der Autonomie eben doch nicht machen darf, was man will. Aus meiner Sicht wäre das ohnehin das Ende jeder Weiterentwicklung! Denn wenn der Mensch machen darf, was er will, wird er eines sicher nicht tun: sich freiwillig raus aus der Komfortzone begeben!

Und was ist denn nun mit den Krisenstäben?

Tja, liebe Conny, was machen wir denn jetzt mit deinen Krisenstäben? Wie sollte man die führen, damit es am Ende gut wird? Wenn wir uns mal anschauen, wie Krisenstäbe besetzt sind, ist es ja so, dass es sich hierbei um eine Gruppe aus unterschiedlichen Experten handelt, die sich für gewöhnlich auf Augenhöhe begegnen. Deren Knowhow kann man nur nutzbar machen, wenn man ihnen den Rahmen gibt, sich voll einbringen zu dürfen. -Ähnlich wie bei den heterogenen Teams in der Luftrettung. Würdest du mich also jetzt fragen, würde ich wahrscheinlich sagen, dass transformationale Führung der Weg zum Erfolg ist. Aber wie setze ich im Rahmen von Krisenstäben die dafür benötigten Leitplanken? Vielleicht indem ich die potenziellen Mitglieder von Krisenstäben entsprechend vorbereite und im Rahmen von Workshops die Leitplanken im Soft Skill Bereich setze, damit sie verstehen, was passiert, wenn heterogene Teams zusammenkommen, wo die Gefahren liegen und wo die großen Chancen. Und was Krisenstäbe in jedem Fall brauchen, ist einen gemeinsamen analytischen Entscheidungsfindungsprozess, klar, transparent, standardisiert… Gemeinsame Prozesse eben! Ich bin auf jeden Fall auf deine Forschungsergebnisse gespannt und ich freue mich sehr auf den Tag, an dem wir beide mal ins Sparring gehen und überlegen, wie Workshops aussehen könnten, die potenzielle Mitglieder von Krisenstäben auf ihren Einsatz vorbereiten um in der Akutsituation als Team ganz schnell zu High Performern zu werden. Und euch verspreche ich, auf diesem Kanal darüber zu berichten, wenn es so weit ist. Aber bis dahin wird sicher noch etwas Zeit ins Land gehen.

Und was ist mit euch?

Wie nehmt ihr Führung denn wahr? -An euch oder in eurer Organisation? Führt ihr selbst? Wie macht ihr das? Wie viel Psychological Safety herrscht in eurem Team oder in eurer Abteilung? Woran macht ihr das fest? Und wie würdet ihr euch Führung wünschen, wenn es in eurer Hand läge? Das sind Fragen, die mich gerade täglich umtreiben! Was ist gut und was ist schlecht? Fakt ist, dass Führung, führen und geführt werden, sich selbst ermächtigen und andere bewusst ermächtigen, ein nicht enden wollender Prozess ist und vor allem ist es eine Interaktion zwischen Führungskraft und Team. Deshalb ist man gut beraten, sich diesbezüglich immer wieder selbst zu reflektieren, wozu ich euch hiermit einladen möchte.

Eure Constance

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Follow the Leader!

Oder sollte es doch lieber der Leader sein, der dem Team folgt?