kognitive Diversität

Wer ein Gehirn hat, hat Vorurteile! -Punkt!

Klischees über Klischees

Frauen können nicht einparken, Männern geht es immer nur um Sex, Benz-Fahrer haben die eingebaute Vorfahrt, Naturwissenschaftler sind auf der zwischenmenschlichen Ebene unbeholfen, Mädchen sind nicht gut in Physik und Jungs sind nicht gut in Sprachen, schlanke Frauen sind zickig und dicke lustig… Ich könnte sie beliebig fortsetzen, diese Liste von Vorurteilen. Ich bin übrigens Stewardess, oder wenigstens war ich das über einen ziemlich langen Zeitraum meines Lebens. Was sagt das über mich aus? Wahrscheinlich nichts, außer, dass ich offensichtlich gerne reise und mich unter Menschen wohl fühle. Dennoch spielt Schubladendenken eine große Rolle in unserem Leben. In der Business-Welt nennt man diese Schubladen inzwischen Unconscious Bias, die unbewusste Voreingenommenheit, die maßgeblich darüber entscheidet, wie wir unser berufliches Umfeld wahrnehmen, wen wir sympathisch finden und unterstützen und wem wir misstrauen. Basierend auf unserer unbewussten Voreingenommenheit treffen wir Entscheidungen, manchmal sogar richtungsweisende Entscheidungen. In Bewerbungsgesprächen beeinflussen sie uns ebenso wie in Meetings oder Beurteilungssituationen. Ist das Fair? Nein! Kann das für eine Unternehmen in der Gesamtbetrachtung von Nachteil sein? Ja! Sollten Organisationen sich mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen? Auf jeden Fall! - Aber wie? Vielleicht, indem sie die Existenz dieser Voreingenommenheit zunächst einmal uneingeschränkt akzeptieren und auch verstehen, dass diese Form der Voreingenommenheit keineswegs unprofessionell ist und auch nicht weggezaubert werden kann. Hierfür ist es sicher hilfreich zu verstehen, woher dieses Schubladendenken kommt.

Vorurteile als Überlebensstrategie

Um zu verstehen, warum Menschen gerne und vor allem auch unbewusst in Schubladen denken, ist es hilfreich ein paar Jahre zurück in die Steinzeit zu reisen. Hier waren diese Vorurteile eine wichtige Überlebensstrategie. Denn wenn der Steinzeitmensch einem Säbelzahntiger begegnete, überprüfte er für gewöhnlich nicht, ob es sich bei diesen speziellen Säbelzahntiger vielleicht um ein ausgesprochen freundliches Exemplar seiner Gattung handelte. Beim Anblick der Rund 20 Zentimeter langen Säbelzähne war unser Steinzeitmensch gut beraten nicht lange nachzudenken und die Flucht zu ergreifen.

Ich gehe davon aus, dass die Steinzeitmenschen, die vorher noch überprüfen wollten, oder dieser Säbelzahntiger nicht doch vielleicht nett ist, weil sie es unfair fanden, alle Säbelzahntiger in eine Schublade zu stecken, gefressen wurden und so ihre von differenzierter Betrachtung geprägte Gene nicht weitergeben konnten.

Im Umgang mit Angehörigen fremder oder feindlicher Stämme griff dieser Mechanismus übrigens auch.

Das heißt also ursprünglich waren Vorurteile überlebenswichtig. Klar hängt unser Überleben heute nicht mehr von der Flucht vor Raubkatzen ab (also zumindest im Regelfall). Nichtsdestotrotz hat unser Gehirn sich über Jahrmillionen das Schubladendenken als Erfolgsstrategie abgespeichert und auch der beste Business Trainer wird das unseren Gehirnen nicht abtrainieren.

Guter Rat ist teuer! -Selbstreflexion ist jedoch kostenlos

Warum und wo überall in unserem Leben Vorurteile glasklare Nachteile mit sich bringen, weil sie unseren Horizont und unser Denken einschränken, muss ich sicher nicht noch einmal wiederholen. Vielmehr sollte uns die Frage umtreiben, wie wir damit umgehen sollen, dass wir ein Stück weit von Vorurteilen gesteuert werden. Der erste wichtige Schritt ist wie gesagt, sich selbst einzugestehen, dass auch wir nicht frei von Vorurteilen sind. Punkt! Wer ein normal funktionierendes Gehirn hat, hat Vorurteile! Habe ich das für mich verinnerlicht, kann ich mich im nächsten Schritt auf die Suche nach meinen eigenen Vorurteilen machen. Selbstreflexion braucht keinen Trainer und kostet kein Geld. Alles was wir dafür brauchen, ist die Einsicht, nicht alles was wir den lieben langen Tag so denken, auch uneingeschränkt zu glauben. Wer sich selbst mutig hinterfragt wird dabei ganz sicher auch Muster erkennen. Ich zum Beispiel habe ein Thema mit kleinen, zierlichen, mädchenhaften Frauen. Sie hatten bei mir sehr lange einen wirklich schweren Stand. Dieses Schubladenmuster habe ich dem Umstand zu verdanken, dass ich bereits mit drei Jahren einen Kopf größer war als alle anderen dreijährigen Mädchen im Kindergarten. Gab es Streit um ein Spielzeug musste ich mir immer anhören, dass ich doch vernünftig und nachgiebig sein solle, immerhin sei ich doch die Große! - Fuck! Ich war drei! Aber auf diese Weise hat mein kluges Gehirn gelernt, das kleine Mädchen immer das bekommen, was sie wollen und deshalb weniger durchsetzungsfähig und leistungsstrak sind wie große Frauen! Verrückt ist, dass die durchsetzungsfähigste, leistungsstärkste junge weibliche Führungskraft, die ich momentan begleiten darf, eine zauberhafte, mädchenhafte, kleine Frau ist! -Eine verflixte Urgewalt, die so viele in den Schatten stellt und so ausdauernd kämpfen kann.

Es hilft also, bewusst Gegenbeispiele für Vorurteile zu suchen. Dabei darf ich mir auch helfen lassen. Das ist noch einfacher als Selbstreflexion, wenn ich nur offen dafür bin. An dieser Stelle kommen kognitiv diverse Teams ins Spiel. Wie großartig, wenn ich Menschen um mich herum habe, die andere Denkmuster haben und mir vielfältige Angebote unterschiedlicher Perspektiven machen. Wie gesagt, ich muss einfach nur offen dafür sein. Denn Diversity ist so viel mehr als Menschen unterschiedlicher Herkunft willkommen zu heißen oder Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung oder Identität zu respektieren.

Und jetzt gehts in die Sommerpause!

Mit diesem wunderschönen Gedanken geht es für mich in eine kurze und späte Sommerpause. Die Ex-Stewardess fliegt natürlich weit, weit weg! Neue Kulturen kennenlernen, neue Welten entdecken und den eigenen Horizont erweitern. Ich freue mich auf eine Auszeit im wunderschönen Sansibar. Die kreative Pause wird mir gut tun, um mit neuen Ideen und vollen Akkus zurück zu kommen.

Den nächsten Blog gibt es am 08. Oktober. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit.

Eure Constance

Alle geleich und alle gut?

Mit Nichten! Wer ein Gehirn hat hat Vorurteile. -Oder warum sind Kicker-Figuren alle männlich?

Diversität und Gemeinschaft - wieviel ich passt ins wir?

Diversity - denn ett mutt watt mutt…

Diversity! Das Thema! Es ist so wichtig und auch so politisch korrekt, divers zu sein, vielfältig, bunt, tolerant; hinsichtlich Kultur, sexueller Orientierung, Geschlecht, körperlicher Besonderheiten, etc… Als Unternehmen von Welt ist es schon rein aus PR Gesichtspunkten unabdingbar, das Thema Diversity möglichst prominent zu platzieren. Und natürlich muss mindestens eine Frau in den Vorstand…

Alles irgendwie etwas viel Politik für den Coach. Nicht falsch verstehen, ich liebe die Welt in bunt und finde, man sollte noch nicht einmal darüber nachdenken müssen, was uns Menschen unterscheidet. Man sollte alle und jeden, die gesamte Bandbreite, wohlwollend und dankbar annehmen. So gesehen sollte Diversity einfach kein Thema sein, getreu dem Motto: “appreciating the difference - vive la difference “!

Aber sei’s drum! Aus der Coach-Perspektive interessiere ich mich im Zusammenhang mit Diversität für zwei Aspekte:

  1. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation als Voraussetzung für High Performance.

  2. Kognitive Diversität innerhalb eines Teams oder einer Organisation aus Voraussetzung für Konflikte und der damit verbundenen Low Performance.

Diversität als Chance

In unserer dynamischen, sich stetig verändernden, unübersichtlichen, vernetzten und verrückten Welt ist es inzwischen in weiten Teilen der Wirtschaft zum gemeinsamen Verständnis geworden, dass ein Mensch allein nicht in der Lage ist, sich den Überblick zu verschaffen, den es für möglichst gute Entscheidungen unbedingt benötigt. So wurde und wird das Team zunehmend zum Star unserer Arbeitswelt. Warum einer für gewöhnlich immer weniger sieht, als zwei? Das hat erst einmal rein physiologische Gründe: Dankenswerterweise hat die Evolution uns mit einer Vielzahl an Wahrnehmungsfiltern ausgestattet, die dafür sorgen, dass wir nicht vor lauter Reizüberflutung wahnsinnig werden und uns verloren fühlen. De Facto werden sogar nur etwa fünf Prozent all dessen, was unsere Sinne einsammeln, von unserem Gehirn auf eine bewusste Wahrnehmungsebene verarbeitet. Oder anders herum: 95 Prozent all dessen, was ist, wird rausgefiltert. Ganz schön viel, oder? Da könnte man doch wirklich froh und dankbar sein, wenn man ein Team hat, in dem jede und jeder ein bisschen was anderes wahrnimmt, damit wir uns gemeinsam ein größeres Bild puzzeln können. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir alle unterschiedliche Wahrnehmungsfilter haben. Hier kommt Diversität ins Spiel, denn wenn wir uns sehr vereinfacht anschauen möchte, wie sich unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter entwickeln, dann kommen hier Einflussfaktoren, wie Erziehung, Werte, Erfahrungen, soziokultureller Hintergrund, Bevorzugungen, Dinge, die wir ablehnen, ethisch-moralische Einstellungen, etc. ins Spiel. Tja, und je unterschiedlicher wir sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter voneinander abweichen und wir uns so im Team eine breitere Wahrnehmung der Situation erarbeiten können, als wir es als Individuum könnten. -Ganz nebenbei ist das auch bei aller Technisierung ein guter Grund dafür, nach wie vor mindestens zwei Piloten in ein Cockpit zu setzen.

Diversität als Gefahr

So weit so gut. Nun hat man also ein kognitiv diverses Team, in dem ein jeder Dinge unterschiedlich wahrnimmt, einordnet und dann wohl auch sehr “divers” agiert, wenn es um das weitere Vorgehen geht. Ein riesiges Konfliktpotenzial innerhalb des Teams, aber auch mit möglichen Schnittstellen oder Stakeholdern. Im besten Fall irritiert es nur, wenn A links herum und B rechts herum möchte. Zusätzlich zur Irritation kann ein von außen betrachtet unkoordiniertes Vorgehen aber auch schnell zur allgemeinen Verunsicherung führen. -Ein absoluter Performance-Killer! Das sagt unter anderem auch die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson, die immer wieder ausführlich erklärt, dass eine subjektiv empfundene psychologische Sicherheit die Grundvoraussetzung für Höchstleistungen ist. Tja, dann eben nur Mittelmaß! Vielleicht reicht das ja sogar!

Richtig unschön wird es, wenn unterschiedliche Wahrnehmungen diverser Protagonisten zu handfesten Konflikten führen. Dann reicht es noch nicht mal mehr für Mittelmaß.

Und nun? Diversität managen!

Die Frage, die sich nun stellt, ist wie man als Organisation mit diesem Dilemma umgehen kann. Wir brauchen unterschiedliche, vielseitige, diverse Mitarbeiter. Gleichzeitig brauchen wir aber auch gut funktionierende Teams, die sich vertrauen, offen miteinander umgehen und die Unterschiedlichkeit der einzelnen Teammitglieder nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrnehmen.

Bei all dieser Unterschiedlichkeit, die zwar für Farbe im Alltag sorgt, jedoch auch trennend wirken kann, braucht es etwas, das eint, etwas gemeinsames, eine gemeinsame Identität. Und nein, ein gemeinsamer Unternehmenskodex, der irgendwo an der Wand hängt, ist dabei nicht ausreichend. Es muss auf jeden Fall transparent gemacht werden, wie Teams diese häufig sehr abstrakten Leitfäden umsetzen möchten, konkret, auf Arbeitsebene. Darüber gilt es zu sprechen! Welche Werte einen uns? Wie setzen wir diese im täglichen Tun gemeinsam um?

Der Teamidentitätsprozess

In der letzten Woche durfte ich eine Gruppe von Führungskräften durch diesen wie ich finde sehr spannenden, aber auch fröhlichen Prozess begleiten. Der Teamidentitätsprozess stellt den Abschluss meines dreimonatigen Leading out Loud Circles dar, den die Gruppe gerade durchlaufen hat. In diesem Zirkel geht es über drei Monate hinweg zum einen darum, Kommunikation als Führungs-Tool in einem hybriden Setting kennenzulernen. Vor allem aber sollen die Teilnehmenden lernen, ihre Kolleginnen und Kollegen als Ressource wahrzunehmen. Der Fokus des Zirkels liegt auf der Unterschiedlichkeit und auf der Chance, die aus dieser Unterschiedlichkeit resultieren, und die die Gruppe aus Führenden zu einem Team von Führungskräften werden zu lassen, bzw. um die Teambildung weiter zu tiefen. Nach drei Monaten mit Fokus auf Diversität soll es abschließend um eine gemeinsame Team- und auch Führungskultur gehen.

Der Teamidentitätsprozess beginnt damit, dass jeder Teilnehmende sich eine Metapher, ein Bild für das Team einfallen lässt. Diese unterschiedlichen Metaphern werden nun Schritt für Schritt konsolidiert, diskutiert, neu geformt, bis am Ende diese eine Metapher übrigbleibt, mit der sich jeder und jede aus dem Team identifiziert. Im nächsten Schritt wird diese Metapher mit Leben gefüllt: Wie sind wir? Was macht uns aus? Was sind unsere Teamwerte? Natürlich muss darüber gesprochen werden, wie diese Werte gelebt werden, welche es noch klarer und deutlicher zu leben gilt. Hier hat das Team die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, was sie in Zukunft konkret tun möchten, um diese Werte nicht nur zu leben, sondern auch, in Falle von Führungsteams, transparent zu machen, welche Werte ihre jeweilige Führungskultur ausmachen. Das hat den zauberhaften Nebeneffekt, dass die Führungskräfte auch nach außen bei aller Diversität als geschlossenes Team auftreten. -Ein wahrer Booster für die psychologische Sicherheit, das Level an Vertrauen, innerhalb eines Teams.

Denn es geht nicht nur um Diversität!

Wenn ich einen Wunsch hätte, dann wäre dieser, dass nicht nur in Organisationen, sondern auch gesellschaftlich nicht nur die Bedeutung von Diversität, sondern auch die Bedeutung von Gemeinschaft immer wieder in den Fokus gerückt wird. Lasst uns nicht nur darauf schauen, was uns unterscheidet, sondern auch darauf, was uns eint. Gibt es momentan denn etwas Wichtigeres? Bei aller Diversität sind wir doch Kinder dieser Erde, Ethnie: Mensch, Kultur: Menschlichkeit! Unser aller Tränen sind salzig, die, die wir vor lauter Glück weinen ebenso wie die, die unsere Traurigkeit ausdrücken. Wir wollen lieben, geliebt werden und wünschen uns eine bessere Welt für unsere Kinder… Sollte das nicht ausreichend sein für ein echtes Wir-Gefühl? - Für Nähe und Solidarität?

Genießt diesen warmen, sonnigen Sonntag. Genießt die Unterschiede und freut Euch über die Gemeinsamkeiten!

Eure Constance

Die Welt ist bunt…

Und doch ist sie eine Welt, unsere Welt, unsere gemeinsame Welt!