Psychlogical Safety

Next Level Führung: Vulnerable Leadership als Frage zur und Antwort auf die schöne neue Welt im Business

Wieviel Persönlichkeitsentwicklung darf ich als Coach erwarten?

Ich gebe zu, als ich zum ersten Mal in einer Überschrift zu einem Artikel über erfolgreiche Führung gelesen haben, dass der neuste, heißeste Scheiß nun “Vulnerable Leadership” sei, war ich nur mäßig begeistert. Reicht es nicht, wenn ich mit Begriffen wie Servant Leadership, Humble Leadership, Managerial Coaching und True Leadership um mich schmeiße? Irgendwann werfen mich die Führungskräfte, die ich begleite, einfach raus! -Und ich könnte es verstehen. Wieviel “Changeability” darf ich als Coach und Consultant erwarten und wann überspanne ich den Bogen?

Aus Neugier habe ich trotzdem weitergelesen und ja, es stimmt, das Thema Verletzlichkeit taucht in den letzten Monaten zunehmend als DIE Führungsqualität immer wieder auf, egal ob in Fachartikeln, Konferenzen oder Podcasts. Es scheint, als sei diese Eigenschaft besonders in Krisen oder Situationen mit hoher Dynamik und Komplexität von großem Nutzen.

Verletzlich und stark zu gleich?

Natürlich ist die Frage berechtigt, ob ich gerade in Krisen nicht eher eine Führungskraft benötige, die stark vorweg geht und mir so Sicherheit gibt. Kann mir jemand, der sich verletzlich zeigt das Gefühl von Sicherheit geben? Keine Ahnung! Ich formuliere die Frage mal anders: Kann mir jemand, der ebenso fehlbar ist, wie ich selbst es bin, das Gefühl von Nähe oder Nahbarkeit geben? Und gibt mir das dann zusätzliches Vertrauen? Und wächst über dieses Vertrauen auch mein subjektiv empfundenes Sicherheitsgefühl an? Noch eine Frage habe ich: Braucht es nicht verdammt viel Mut und Stärke, seine eigenen Unzulänglichkeiten offen zu teilen?

Entlastung durch Verletzlichkeit

Während der Corona-Pandemie hat der Abwesenheitsagent einer weiblichen Führungskraft bei Microsoft für einiges an Aufsehen gesorgt. Es war zu lesen, dass die Dame im Homeoffice arbeite, was in ihrem Fall bedeute, dass sie in einem Haus voller pubertierender Teenager und Eltern sei, die abwechselnd in Lebenskrisen geraten. Arbeiten bedeute für sie gerade, Mails dreimal lesen zu müssen um sie zu verstehen. Aus diesem Grunde bitte sie um Geduld hinsichtlich ihrer Antwort.

Die Intention diese Abwesenheitsnotiz war natürlich, sich selbst zu entlasten und Raum zu schaffen, indem ein glasklares Erwartungsmanagement betrieben wurde. Smarte Taktik. Denn wer sich nicht ständig schützen und verteidigen muss, hat mehr Zeit für seine eigentliche Arbeit. Was jedoch zusätzlich passierte war, dass viele Kollegen sich durch diese Nachricht direkt an ihre eigenen Homeoffice-Situation erinnert fühlten. Es kam also zu einem ausgezeichneten Identifikationsangebot, was unglaubliche Nähe aufbaut. Zusätzlich hat die Verfasserin sich als Mensch erlebbar gemacht, auch für alle “Nicht-Eltern”, was ebenfalls Nähe aufbaut.

Diese Form der Selbstoffenbarung erfordert natürlich verdammt viel Mut, neigen wir Menschen doch dazu uns lieber auf mögliche negative Konsequenzen unseres Handelns zu fokussieren. Natürlich kann es auch passieren, dass Selbstoffenbarungen negativ aufgenommen werden, jedoch wiegen die positiven Effekte besonders im organisationalen Kontext deutlich höher.

Wie wirkt sich Vulnerable Leadership aus?

Im Prinzip ist Vulnerable Leadership, bzw. die dahinterstehende Verletzlichkeit eine der Säulen für das, was die Harvard-Professorin Amy C. Edmondson als Psychological Safety beschreibt. Diese subjektiv empfundene Sicherheit auf Ebene jedes Mitarbeitenden ist die absolute Voraussetzung dafür, dass Organisationen nachhaltig erfolgreich in einem dynamischen und komplexen Umfeld agieren können. Nicht zu Letzt das Projekt “Aristoteles”, mit dem Google seinerzeit bewiesen hat, dass der Unterschied zwischen besonders erfolgreichen und eher durchschnittlichen Teams das Level der subjektiv empfundenen Sicherheit der einzelnen Teammitglieder war, hat diesen Zusammenhang glasklar bewiesen. So wird Psychological Safety zunehmend zu einem Heiligen Gral der Unternehmen. Denn Hochleistung ist natürlich das was alle wollen und so fragen sich die Wirtschaftsorganisationen auch zunehmend, wie man die Rahmenbedingungen dafür schaffen kann, dass sich diese sagenumwobene Psychological Safety auch in ihren Reihen einstellt. Tja, liebe Unternehmen, legt euch vulnerable Führende zu. Professor Adam Grant hat hierzu gemeinsam mit seinem damaligen Doktoranden Constantinos Coutifaris eine Studie mit Führungskräften durchgeführt, in deren Rahmen sie die Probanden in vier Gruppen einteilten. Die erste Gruppe war aufgerufen, ihre Teams regelmäßig um Feedback zu ihrem Verhalten zu bitten. Gruppe zwei musste ihren Teams von negativen Feedbacks, die sie selbst von ihren Führungskräften bekommen haben, erzählen. Gruppe drei sollte beides tun und Gruppe vier war die Vergleichsgruppe, die nicht anders machen sollte als bisher. Nach einer Woche waren keinerlei Veränderungen messbar, nach einem Jahr jedoch war eine deutlich verbesserte subjektiv empfundenen psychologische Sicherheit bei denjenigen Teams messbar, deren Führungskräfte von eigenen Misserfolgen berichteten. -Unabhängig davon, ob diese Führenden noch zusätzlich um Feedback gebeten haben, oder nicht.

Nun braucht es also Leader mit Mut

An der Universität in St. Gallen kam man in einer ähnlichen Versuchsreihe zu ähnlichen Ergebnissen. Der verantwortliche Professor Wolfgang Jenewein kam über diese Arbeit zu der Empfehlung, Unternehmen sollen bei der Auswahl ihrer Führungskräfte vor allem darauf achten, Menschen einzustellen, die mutig genug sind, sich verletzlich zu zeigen. Jenewein nennt das “Egostärke”. Konkret benennt die Studie aus St. Gallen, dass es Chefs brauche, die in der Lage seien, mit eigenen Fehlern offen und transparent umzugehen und Zweifel oder kritische Situationen im Unternehmen anzusprechen. Zusätzlich müssten die Führungskräfte verfügbar sein und sich Zeit für ihre Teams nehmen. Nur ganz am Rande erwähnt, leiten die Forschenden aus ihrer Arbeit klar ab, dass Frauen diese Form von Egostärke und Empathie deutlich häufiger mitbringen als Männer… Jenewein geht sogar so weit, Unternehmen zu empfehlen, aus benannten Gründen Frauen bewusst in Richtung Führungspositionen zu fördern.

Weinende CEOs im Townhall mit 500 Mitarbeitenden?

Wie weit darf diese Verletzlichkeit jedoch gehen? Wo sind Grenzen? Ich stelle mir ein Townhall mit dem CEO meines Unternehmens vor, der angesichts der wirtschaftlichen Lage coram publico in Tränen ausbricht. Nein, das fühlt sich nicht gut an, Identifikationsangebot hin oder her. Ich würde sofort von Angst und Sorgen überflutet werden. Beruhigend fände ich jedoch, wenn dieser CEO in seinem Team aus Führenden offen sagen würde, wenn er Hilfe braucht oder nicht weiterweiß.

Wie finden Führende nun also die richtige oder angemessene Balance zwischen Verletzlichkeit und Stärke? Tja, wahrscheinlich ist es am Ende ein großer Lernprozess, der ganz sicher viel Mut braucht, um sich auszuprobieren und seinen eigenen und damit auch authentischen Weg zu finden.

Beispiele gibt es inzwischen einige. Mit CultureAmp, einer Australischen Plattform für Employee Experience, gibt es inzwischen sogar ein Unternehmen, das den Mut zur Verletzlichkeit als Basis für den Verhaltenskodex des Unternehmens gewählt hat, und zwar ganz bewusst. So werden Mitarbeitende immer wieder ermutigt, Ideen zu äußern, ohne Angst davor zu haben, dass es falsch sein könne, denn scheitern gehört zur Firmenkultur. Es entsteht eine wirklich offenen Feedback-Kultur aus der wiederum eine transparente Fehlerkultur entsteht. Denn eine jede offene und ehrliche Fehlerkultur setzt voraus, dass nicht nur das Lernpotenzial von Fehlern anerkannt wird, sondern auch der subjektive Schmerz des Scheiterns.

Tja, so beginnt auch der lange Weg hin zur lernenden Organisation mit einem ersten kleinen Schritt, der so simpel und so unglaublich schwer ist, wie die Worte “ich kann nicht mehr und brauche Hilfe…”.

Habt einen wunderschönen Sonntag.

Eure Constance

Die ideale Führungskraft

Wie sieht sie aus?

Wer bin ich und wer will ich sein? -Über Coaches, Krieger und Forscherinnen

Freiheit im 21. Jahrhundert

Das 21. Jahrhundert: das Jahrhundert, in dem ein Comedian, der einen Präsidenten spielt, nicht nur Präsident wird, sondern offensichtlich drauf und dran ist, zum ersten großen Freiheitskämpfer dieses Jahrhunderts zu werden. Es ist so beeindruckend und schmerzhaft zugleich. Wer bin ich und wer will ich sein? Studenten und Hausfrauen werden zu Kriegern und Kriegerinnen. Schüler werden zu Logistikfachleuten und Großmütter bauen Molotowcocktails…

Es ist das Leben mit all seinen Herausforderungen, den schönen und den herzzerreißenden, das uns zu dem werden lässt, was wir sein möchten oder sein müssen. Manchmal bleibt uns keine Wahl. Manchmal braucht es einfach nur eine Extraportion Mut. Und manchmal bleibt uns keine Wahl, als einfach mutig zu sein.

Wer meinen Blog schon länger kennt, weiß, dass ich hier und da aus gegebenem Anlass meine Agenda ändere, um mir zu erlauben, das zu kommentieren, was in der Welt passiert. Ich bin der Meinung, eine klare Haltung ist unabdingbar. Diese Woche bin ich allerdings hin und her gerissen. So viel wurde über diesen schrecklichen Krieg, aber auch über diesen unglaublichen Leader geschrieben. Auch hätte ich die Worte nicht, die ich als angemessen einstufen würde. Das menschliche Leid ist so groß. Es gibt Augenblicke, in denen ich mir vorstelle, ich würde in der U-Bahn sitzen, selbst kämpfen, versuchen mein Kind zu trösten, das sich gerade von seinem Papa verabschieden musste, der eben noch IT Spezialist war und jetzt in den Krieg zieht. Krieg in Europa, im 21. Jahrhundert! Es ist mir unbegreiflich, wie es so weit kommen konnte. Jedoch fühlt es sich in Teilen auch an, wie als wäre alles mit klarer Ansage passiert. Der Mediator in mir ist wort- und sprachlos. Denn was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es keinen Frieden geben kann, wenn einer unbedingt den Krieg will. So stehe ich da, schaue von außen zu, schockiert von jeder neuen Nachricht, vor allem aber komplett hilflos. Wer bin ich und wer will ich sein?

Wenn Träume wahr werden

Während die Welt Kopf steht, schäme ich mich fast ein wenig darüber, dass ich gleichzeitig auch unglaublich viel Grund habe zu feiern. Am liebsten würde ich es in die Welt herausschreien: Ich bin jetzt Forscherin in Sachen psychologischer Sicherheit und am vorläufigen Ziel meiner Träume! Am Tag, an dem in der Ukraine die ersten Bomben fallen, lese ich es schwarz auf weiß, zum ersten Mal! Die Umfrage der Pre-Study ist fertig:

Einverständniserklärung zur Teilnehme an einer Forschungsstudie: “Führung und psychologische Sicherheit in Teams - eine multidisziplinäre Feldstudie”

Ziel und Hintergrund

Unsere Studie erforscht die psychologische Sicherheit vonseiten der Führungskräfte, sowie die erlebte psychologische Sicherheit der dazugehörigen Teams. Hierbei sind Fehlerkultur, Feedbackkultur und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten von besonderer Relevanz. Darüber hinaus erforschen wir, wie Führungskräfte ihre Leitungsposition wahrnehmen. Als Führungskraft oder Teammitglied wurden Sie als möglicher Teilnehmer dieser Studie ausgewählt…

Es kann also losgehen! Und unter “Das Forschungsteam” steht alphabethisch an dritter Stelle “Constance Ratazzi-Nelles”. Wer bin ich und wer will ich sein? Ich bin jetzt also eine Forscherin! Ich könnte vor stolz platzen, da ich mir diese Studie zu meinem Herzensthema schon so lange wünsche. Nun darf ich sogar elementarer Teil davon sein! Wow! Und während ich also dabei bin, vor Stolz zu platzen, meldet sich diese quietschende Stimme aus den Untiefen meines Geistes und erklärt mir sehr deutlich, dass ich vor allem eines sei: eine Hochstaplerin! Denn eine Forscherin sei ich sicher nicht!

Die Stimmen in meinem Kopf

Ich fühle mich gut 15 Monate zurückversetzt. Denn damals hat mich diese Stimme schon einmal dazu gebracht, ihr einen meiner Artikel zu widmen: “Der Agile Coach, der keiner ist…” Als ich vor einem guten Jahr angefangen habe, als Agile Coach zu arbeiten, war das strenggenommen und aus Sicht dieser quietschenden Stimme reinste Hochstapelei. Klar hatte ich einige Kompetenzen, die ein Agile Coach haben sollte, auch ohne, dass ich ein entsprechendes Zertifikat habe. Jedoch war da ein Teil von mir, der eigentlich nur darauf gewartet hat, ertappt zu werden, ertappt dabei, dass er nicht gut genug ist, fehl am Platz oder was auch immer. Das war eine aufregende Zeit und gerade zu Anfang brauchte ich jeden Tag diese Extraportion Mut. Ob ich heute sagen würde, dass ich wirklich ein Agile Coach bin? Auf jeden Fall. ich finde sogar, ich bin ein recht guter Agile Coach! Denn ich kann alles sein, was ich will!

Nun möchte ich also Forscherin sein! OK! Mit diesem Wunsch oder dieser Entscheidung ist nun auch wieder diese Aufregung zurück! Vor jedem Treffen mit meinen Mit-Forscherinnen der Uni in Maastricht hofft ein Teil von mir, bloß nicht als fehl am Platz ertappt zu werden. Ich möchte klug wirken und auf keinen Fall etwas “Doofes” sagen, ich möchte verstehen, ohne sicher sein zu können, dass ich das fachliche Wissen dafür wirklich mitbringe. Ich bin Coach, von mir aus auch agile, aber ein Studium der Psychologie ist für mich so weit weg wie der Mond!

Zum Glück ist diese quietschende Stimme nicht allein in meinem Kopf unterwegs. Gleichzeit ruft da eine tiefe und ruhige Stimme, dass diese Studie so sehr mein Thema ist, weil ich mich nun schon so lange genau damit beschäftige, und zwar ganz praktisch, mit echten Menschen, im echten Austausch. Diese Stimme sagt mir, dass ich so unglaublich viel Wertvolles zu diesem Thema beizutragen habe. So habe ich nun wirklich die Möglichkeit mein Herzensthema breiter aufzustellen. Ich darf wachsen und andere wachsen lassen, denn ich kann alles sein, was ich will! Und für dieses Jahr habe ich mich entschieden, nicht nur Coach, sondern auch Forscher zu sein!

Freiheit im 21. Jahrhundert

Vielleicht ist genau das mein größtes Glück: ich wurde im 20. Jahrhundert in eine freie Gesellschaft geboren, in der ich sein kann, was ich will. Alles was es braucht ist Mut, viel weniger Mut, als ihn Freiheitskämpfer und Kriegerinnen brauchen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, dieser quietschenden Stimme in meinem Kopf, die stets versucht mich vor Blamagen zu schützen, zu sagen, dass ich ihr dankbar war und bin, aber dass ich sie momentan einfach nicht mehr brauche, denn ich bin frei, sogar frei mich zu blamieren.

Und während ich nun über diese Freiheit, meine Freiheit, nachdenke, stelle ich mehr und mehr fest, dass die Erfüllung meines Traums keineswegs das Ziel ist. Vielmehr ist das nur der Anfang. Noch mehr wird kommen und ich werde ganz sicher noch mehr sein können, vielleicht sogar irgendwann einmal Autorin!

Auch für die mutigen Menschen in der Ukraine wünsche ich mir, dass das nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang für sie ist. Ich hatte das Privileg in eine freie und demokratische Gesellschaft geboren zu werden. Ich musste nie dafür kämpfen und ich darf trotzdem Teil dieses exklusiven Clubs sein, der sich EU nennt. Wenn dieser Club mehr ist, als eine geopolitische und wirtschaftliche Interessengemeinschaft, wenn diese EU auch eine Wertegemeinschaft ist, dann frage ich mich, ob es momentan irgendein Volk mehr verdient hätte, Teil dieses Clubs zu sein. Meine Gedanken wandern immer zu den Menschen in der Ukraine und zu all jenen auf der Flucht. Dann wandern sie weiter zu den Menschen Russlands, zu all jenen, die dieses Vorgehen verurteilen, jedoch nicht die Freiheit haben, offen sprechen zu dürfen, die nicht sein können was sie wollen… und wahrscheinlich ist genau das das Problem: könnten alle Menschen sein, was sie wollen, dann könnten sie vor allem auch friedlich sein…

Das muss für heute reichen.

Genießt Euren Sonntag, umarmt Eure Liebsten und seht Euch an wie frei Ihr seid!

Eure Constance

Wer bin ich und wer will ich sein?

Denn Freiheit bedeutet auch die zu sein, die ich sein möchte! Coach und Forscherin, Träumerin und Weltenveränderin