systemische Fragen

Weihnachtswunder und mehr: Die Wunderfrage als Coaching-Tool

Mein Weihnachtsgeschenk

In den letzten Jahren habe ich meinen letzten Artikel vor Weihnachten immer dazu genutzt eine kleine Anleitung zum “Selbst-Coaching” zu verschenken. Diese Tradition möchte ich in diesem Jahr gerne fortsetzen und habe entschieden, dieses Mal eine meiner liebsten Coaching-Tools mit euch zu teilen, auch weil es um Wunder geht und diese doch so wunderbar zu Weihnachten passen.

Steve de Shazer - Meister der Wunder

Die Methode, die ich gerne mit euch teilen möchte, ist Steve de Shazers Wunderfrage, die so viel mehr als nur eine Frage ist. Gemeinsam mit Insoo Kim Berg hat de Shazer diese lösungsorientierte Methode für kurzzeittherapeutische Ansätze schon in den 1980er Jahren entwickelt. Über die systemische Therapie hat die Wunderfrage sehr schnell Einzug ins Coaching gehalten.

Lehne dich zurück und entspanne dich…

Vielleich hast du ja gerade ein Thema, das du gerne gelöst hättest, oder ein Ziel, das du unbedingt erreichen möchtest. Das darf etwas ganz Kleines sein, aber auch gerne etwas ganz Großes. Wäre ich eine gute Fee, was dürfte ich für dich über Nacht wegzaubern, verändern oder neu hinzufügen? Welche eigene Verhaltensweise würdest du gerne ändern. Oder gibt es diesen einen Mensch, der dich immer wieder auf die Palme bringt, ohne dass du das möchtest? Ich weiß, da ist etwas. Nimm dir gerne einen Moment Zeit während du dich entspannt zurück lehnst und dein Thema findest.

Nun stell dir vor, heute Nacht passiert ein Wunder. Du wachst morgen auf und dein Thema hat sich gelöst, du hast dein Ziel erreicht. Schließe gerne für einen kurzen Moment die Augen und gehe durch deine Morgenroutinen, um für dich festzustellen, woran du als allererstes spürst, dass das Wunder eingetreten ist. Stehe auf, gehe vielleicht ins Bad um dich fertig zu machen, oder koch dir erstmal einen Kaffee oder Tee. Du putzt die Zähne, ziehst dich an, vielleicht machst du dir ein Frühstück, oder du gehst ohne Frühstück aus dem Haus. Gehe Schritt für Schritt durch deine ganz eigenen Morgenroutinen und beobachte an welcher Stelle du merkst, dass das Wunder über Nacht eingetreten ist. Reise danach gedanklich weiter durch deinen Vormittag. Woran merken die Menschen um dich herum, dass das Wunder eingetreten ist? Wer merkt es als erstes?

Schau dir die Szenen deiner Vorstellung ganz genau an. Was siehst du um dich rum? Welche Farben sind vielleicht besonders präsent? Gibt es etwas, das du hörst oder riechst? Hast du einen bestimmten Geschmack auf der Zunge? - Vielleicht Kaffee oder Tee, oder das Nutella Brot?

Du hast dein Ziel erreicht. Nimm deinen Körper einmal ganz genau wahr. Wie genau fühlt er sich an, nun, da du dein Ziel erreicht hast? Wo genau spürst du, dass du dein Ziel erreicht hast? Was hat sich in deiner Körperwahrnehmung verändert?

Und nun schau voller Stolz zurück, um den Weg zu betrachten, den du gegangen bist. Was war dein allererster kleiner Schritt hin zur Realisierung deines Ziels? Was war die erste kleine Veränderung, die du initiiert hast?

Vielleicht möchtest du dir diesen ersten Schritt kurz aufschreiben und dir deine Notiz anschließen noch einmal bewusst, Wort für Wort, durchlesen… Gibt es etwas, das dich davon abhält, diesen ersten Schritt gleich morgen zu gehen? - Wenn “nein” dann los! Worauf wartest du!? Wenn “ja” kannst du genau mit diesem Thema nochmals in die Wunderfrage einsteigen!

Die Wunderfrage: Viel mehr als eine Frage!

Ich nutze diese Methode oder Frage tatsächlich recht häufig und schon mehr als einmal habe ich das Feedback von sehr ausführlich gecoachten Menschen bekommen, dass sie diese Wunderfrage schon mehrfach in anderen Coachings gestellt bekommen haben, sie bei mir aber nun zum ersten Mal zu funktionieren scheine. Woran liegt das? Weil die Wunderfrage keine Frage ist, die man kognitiv beantworten kann. Vielmehr ist die Wunderfrage eine Methode, die dabei helfen kann, den Fokus vom Problem weg hin zur Lösung zu richten. Das Wichtigste hierbei ist aus meiner Sicht, nicht nur rein kognitiv zu arbeiten, sondern meinen Coachee ins Ganzheitliche erleben zu bringen. Es geht darum Bilder und Sinneswahrnehmungen zu konstruieren, die ein Lösungserleben ermöglichen. So unterstütze ich nicht nur einen Perspektivwechsel, sondern erhöhe mit einem einfach Trick die Wahrscheinlichkeit. dass mein Coachee sein oder ihr Thema auch wirklich angeht.

Das Gehirn und seine Eigenarten

Warum ist es so hilfreich, den Zielzustand in der Vorstellung in allen Details zu erleben? Ganz einfach: Weil unser Gehirn Erfahrungen in Form von Bildern, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäcken und Körpergefühlen abspeichert. Unser Gehirn unterscheidet hierbei prinzipiell nicht zwischen tatsächlich gemachten Erfahrungen und gut und detailreich konstruierten oder vorgestellten Erfahrungen. Ich verankere also den wundersamen Zielzustand tief in meinem Erfahrungsschatz und mach den gewünscht Zielzustand so greifbarerer und klarer.

Ein weiterer interessanter Aspekt hinsichtlich unseres Gehirns ist, dass Zeit keine natürliche Rahmenbedingung ist, sondern ein menschgemachtes Konstrukt darstellt. Wir Menschen haben uns Zeit und Zeitmessung als Möglichkeit zur Kategorisierung geschaffen, um unsere dynamischen und komplexe Welt zu sortieren, um die Dynamik und Komplexität unseres Alltags für uns zu reduzieren. Unser Gehirn kennt keine Maßeinheiten für Zeit. Auch eine detailliert konstruierte Erfahrung aus der Zukunft wird das Gehirn als Erfahrung abspeichern, als Erfahrung ohne zeitliche Kategorisierung. Und nun dürft ihr selbst einmal kurz überlegen, was der Unterschied ist, wenn ich eine herausfordernde Aufgabe zum ersten oder zum zweiten Mal mache… Genau, beim zweiten Mal fühlt es sich einfacher an, wirkt weniger einschüchternd oder sogar beängstigend. Und nun stellt euch mal vor, ihr habe dieses große Ziel, diese große Aufgabe und anstatt Sorge davor zu haben sagt euch euer Gehirn “Hey, kein Thema, das haben wir doch schon einmal gemeistert!”.

Weihnachten - Zeit für Wunder

Mit diesen Gendanken verabschiede ich mich in meine Weihnachtspause. Ich bin am 14. Januar mit meinem nächsten Blog zurück. Bis dahin wünsche ich euch allen eine friedliche Weihnachtszeit voller Wunder. Vielleicht habt ihr ja nun Lust bekommen, auch euer ganz eigenes Wunder zu initiieren.

Eure Constance

Wunder zu Weihnachten…

Habt einen wunderbaren, wundervollen, wunderschönen dritten Advent!

Systemische Fragen für mehr Leichtigkeit im Business-Alltag - Nicht nur für Führungskräfte und Projektmanager

Back to normal! Neulich bei der Arbeit

Bei mir gibt es in letzter Zeit im Job immer mehr Situationen, die sich wieder vorsichtig nach Normalität anfühlen. Die normalste Situation der letzten Woche war, als wir nach getaner Arbeit endlich mal wieder im Kollegenkreis zusammengesessen haben, um einen Feierabend-Sekt zu trinken und um dabei dies und das zu bequatschen. Mein Gott, war das mal wieder schön!

Dieser Austausch unter Kollegen dient nicht nur dem Zusammenhalt innerhalb des Teams, sondern hilft mir auch immer wieder, mein eigenes Repertoire an Lösungsstrategien für alle möglichen beruflichen Herausforderungen zu erweitern.

So haben wir also zusammengesessen und erzählt, was wir in den letzten Wochen und Monaten alles erlebt haben. Mir ist eine Situation im Kopf geblieben, in der Führung deutlich gefragt war. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, hat mich eine Kollegin erst sprachlos und dann wütend gemacht. Das typische “geht’s noch?” lag mir deutlich spürbar auf der Zunge und während ich so berichtete, spiegelte sich die identische Reaktion in den Augen meiner Zuhörer wieder. Als ich mit meinen Schilderungen am Ende war, kam schließlich die Frage wie ich mich in der Situation verhalten hätte. Ja, ganz einfach, anstatt (völlig zurecht) wütend zu reagieren, oder vielleicht etwas pädagogisch wertvoller, mitzuteilen, dass ich diese Situation nicht gut finde, habe ich die betreffende Kollegin einfach mal gefragt, wie sie denn glaube, dass ich diese Situation gerade erlebe und wie sie an meiner Stelle reagieren würde… Sie musste sich selbst eingestehen, dass das, was sie da grade getan hat, nicht gut war. Das selbst auszusprechen ist immer nachhaltiger, als es von jemand anderen gesagt zu bekommen und vor allem kostet es mich deutlich weniger Energie. Außerdem muss ich nicht aus der Hierarchie heraus tadeln, oder konstruktives Feedback geben, wie ich es lieber nenne!

“Du hast aber auch immer so Fragen…!” platzte es aus einer der Anwesenden heraus! Und ja, stimmt, ich hab da in der Tat immer so Fragen. Und diese Fragen machen mir das Leben an vielen Stellen leichter, weil diese Fragen einfach eine Menge Energie sparen und Situationen charmant lösen, die das Potenzial für sich im Kreis drehende Diskussionen haben.

Systemische Fragen als Geheimwaffe im Business-Alltag

Das erste Mal habe ich mich bewusst mit “so Fragen” im Rahmen meiner Ausbildung zum Mediator beschäftigt. Allerdings kann man systemische Fragen keineswegs nur im Rahmen von Mediationen, Coachings und Trainings einsetzen, sondern auch im ganz normalen Wahnsinn des Business-Alltags. Jeder kennt diese Situationen, egal ob in Meetings, Kundengesprächen oder Gesprächen mit Kollegen, in denen man sich eine gefühlte Ewigkeit im Kreis dreht und sich das Problem als schier unlösbar darstellt. Das passiert den besten Teams und den professionellsten Kommunikatoren. Jedoch haben die wirklich besten Kommunikatoren an dieser Stelle noch eine Geheimwaffe im Petto: systemische Fragen. Sie helfen, festgefahrene Situationen zu lösen und sorgen dafür, dass der Fragesteller auch noch die Gesprächsführung übernimmt. Denn wer fragt, führt!

Im Gegensatz zu anderen Fragearten geht es bei systemischen Fragen in erster Linie nicht darum, einen Zugewinn an Wissen zu erlangen, sondern vielmehr darum, sein Gegenüber zum Perspektivwechsel oder zum freien, kreativen Denken anzuregen.

Geheimwaffe mit Nebenwirkungen

Bei der Anwendung systemischer Fragen gilt es drei Aspekte zu bedenken, bzw. zu beachten:

  1. Sobald ich damit beginne systemische Fragen zu stellen, übernehme ich automatisch die Gesprächsführung. Entspricht das nicht der Hierarchie innerhalb meines Teams oder meiner Organisation, darf darüber nachgedacht werden, mit dem Chef im Vorfeld Rücksprache zu halten und sich ggf. Rückendeckung zu holen.

  2. Durch systemische Frage möchte ich eingefahrene Denkmuster auflösen. Deshalb sollte ich auch selbst ein hohes Maß an Flexibilität und Offenheit mitbringen. Hierzu ein sehr banales Beispiel aus meinen eigenen Versuchen, angemessen zu führen: Vor etwa einem Jahr habe ich mich sehr über einen Kollegen geärgert, weil er aus meiner Sicht völlig unnötig gegen eine total banale, aber für mich wichtige Regel verstoßen hat. Ich war wirklich wütend, weil ich sein Verhalten auch ein wenig als Angriff auf meine eigenen Autorität empfunden habe. Meine Standpauke war im Kopf schon zurechtgelegt. Da sich das Stellen von Fragen bei mir inzwischen schon halbwegs verselbstständigt hat, habe ich auch dieses Feedback-Gespräch mit einer Frage eingeleitet: “Was hat dich davon abgehalten, dich heute an Regel XY zu halten?” Die Antwort hat mich völlig aus dem Tritt gebracht! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass eine Erklärung kommen könnte, die alles in ein Licht rückt, in dem ich diesen eklatanten Regelverstoß total nachvollziehen konnte. Ich war eine ganze Weile sprachlos und ich hasse es, sprachlos zu sein. Also, wer offene Fragen stellt, muss auch mit allen möglichen Antworten rechnen und dafür offen sein!

  3. Systemische Fragen sollen zum nachdenken anregen. Deshalb muss ich meinem Gegenüber zum einen den Raum und die Zeit geben, sich zu reflektieren und zum anderen muss ich meine Fragen so stellen, dass mein Gegenüber sich nicht angegriffen fühlt. Eine wohlwollende und offene innere Haltung ist hierbei Grundvoraussetzung.

Systemische Fragen: ein Überblick

Innerhalb der systemischen Fragen gibt es unterschiedliche Arten von Fragen, die ich je nach Situation und Zielsetzung flexibel einsetzen kann. Hier ein kleiner Überblick über die wichtigsten Fragearten aus der Familie der systemischen Fragen:

  • Möchte ich einen Perspektivwechseln erreichen, oder festgefahrene Denkmuster aufbrechen, stelle ich eine zirkuläre Frage, wie zum Beispiel: „Wie würde XY sich fühlen, wenn Sie ihm mit dieser Einstellung begegnen?“, oder „Versuchen Sie sich, einen externen Beobachter vorzustellen: wie würde dieser nicht involvierte Beobachter in dieser Situation reagieren?“.

  • Stelle ich eine hohe, negativ behaftete Problemorientierung fest, können lösungsorientierte Fragen helfen, positives, lösungsorientiertes Denken anzuregen: „ Wie wurde in der Vergangenheit ein solches Problem gelöst?“, oder „Welche Faktoren sind für den Erfolg besonders wichtig?“.

  • Hypothetische Fragen sind hilfreich, wenn eine besonders kreative Problemlösung angetriggert werden soll: „Wie würde die Lösung aussehen, wenn Sie ein unbegrenztes Budget hätten?“, oder „Was würden Sie machen, wenn Sie keine Angst davor hätten, zu scheitern?“.

  • Möchte ich meinen Gegenüber dazu bringen, festgefahrenen Verhaltens- oder Denkensweisen zu reflektieren, sind Begründungsfragen hilfreich: „Welche Erfahrung liegt Ihrer aktuellen Meinung zugrunde?“, oder „Wie sicher sind Sie genau, dass dieses Problem auf diese Weise gelöst wird?“.

  • Um die Angst vor einem bestimmten Problem zu relativieren, oder um Fortschritte zu veranschaulichen, dienen skalierende Fragen: „Wie beurteilen Sie das auf einer Skala von eins bis zehn?“, oder „Im Vergleich zu früheren Problemen im gleichen Bereich, wo würden Sie dieses Problem einordnen?“.

  • Wenn ihr mutig seid, euer Gegenüber verblüffen und zum Nachdenken anregen möchtet, um eine Situation dadurch zu drehen, kannst du auch  paradoxe Fragen nutzen: „Was müssten Sie tun, damit Sie in jedem Fall scheitern?“, oder „Wie werden Sie den Kunden ganz sicher los?“. Vorsicht, hierbei ist es sinnvoll, den Gegenüber auf das kleine Gedankenexperiment vorzubereiten.

Nur Mut: einfach loslegen!

Welche Frageart für welche Situation am besten geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Insgesamt ist das immer abhängig vom Gesamtkontext und man darf an dieser Stelle durchaus spontan, flexibel und dem Bauchgefühl folgend vorgehen. Allerdings ist es dazu wichtig die Option systemischer Fragen in sein Bewusstsein zu implementieren und ab da ist es einfach nur Übung und Ausprobieren. Wie immer wird man in Situationen kommen, in welchen das mit den Fragen schon ganz gut funktioniert und manchmal wird es daneben gehen. Das ist Teil des Prozesses. Bei mir war es anfangs so, dass ich immer erst nach einer bestimmten Situation daran gedacht habe, dass ich diese Situation mit Hilfe von systemischen Fragen hätte viel einfacher, leichter, charmanter lösen können. Sollte es euch ebenfalls so ergehen, ist es sinnvoll, sich dann auch noch zu fragen, welche konkreten systemischen Fragen hilfreich gewesen wären. So rückt die Idee der systemischen Fragen immer deutlicher in unser Bewusstsein und wird irgendwann zum Selbstläufer. Also ran an den Speck und einfach loslegen!

Eure Constance

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Offen für Neues

Perspektivwechsel und Kreativität mit Hilfe systemischer Fragen