Entwicklung

Fail fast, fail forward? - Vorsicht vor der (positiven) Pauschalisierung von Fehlern!

Der Fehler zum Glück

“Fail fast, fail forward!” - Mit diesem Mantra bewegt sich die New Work-Bewegung nun schon seit Jahren durch die Business-Welt. Inzwischen scheint es weitverbreiteter Konsens, dass Fehler nicht nur OK sind, sondern den ultimativen Weg zum Erfolg unweigerlich flankieren. Hört man den guten alten Thomas Alva Edinson sagen “Ich bin nicht gescheitert. Ich habe 10.000 Wege gefunden, die nicht zum Ziel geführt haben.”, dann möchte man dem uneingeschränkt zustimmen, haben seine sogenannten Fehler und sein sogenanntes Scheitern doch zu legendärer Innovationskraft geführt. Aber ganz so einfach ist es eben doch nicht und dieses zauberhafte Fehler-Mantra ist aus diesem Grund auch nur eine Seite der Wahrheit. Und die andere Seite der Wahrheit kann wie so häufig ganz schön gefährlich oder kontraproduktiv sein!

Denn Fehler ist nicht gleich Fehler

Nicht alle Fehler sind gleich. Und nicht alle Fehler führen uns wie Edison mehr oder weniger direkt hin zur nächsten Innovation. Aus diesem Grund sind auch Unternehmen sehr gut beraten ihre Fehler möglichst genau zu analysieren, denn selbstverständlich waren es nicht die Wege, die nicht ans Ziel geführt haben, die Edisons Erfolg flankierten, sondern das, was Edison daraus gelernt hat. Fehler sind OK, aber feiern sollten wir die daraus resultierende Lernkurve, so es sie gibt!

Bei der Analyse von Fehlern unterscheide ich gerne in vier Kategorien:

Meine erste Kategorie ist der Flüchtigkeitsfehler, der häufig aus fehlender Fokussierung resultiert. Und nein, Flüchtigkeitsfehler sollte man nicht unbedingt feiern. Lernen kann man trotzdem aus ihnen. Denn kommt es in Teams, Organisationseinheiten, oder gar ganzen Organisationen zu einer Häufung von Flüchtigkeitsfehlern, ist es ratsam die Gesamtbelastung zu betrachten und zu schauen, auf welche Aufgaben man seinen Fokus legen möchte und welche Rahmenbedingungen es dafür zu schaffen gilt. Hierbei sollte klar priorisiert werden und natürlich muss eine rote Linie gezogen werden, die der realistisch möglichen Leistung entspricht. Kanban macht das ganz wunderbar mit den WIP-Limits, den Work-in-Progress-Limits, vor.

Meine zweite Kategorie sind die “Vogel-Strauß-Fehler”. Diese passieren häufig und sind so unglaublich menschlich. Wir legen alle Energie in eine Aufgabe oder in Projekte, die wir in absoluter Perfektion erledigen möchten, weil es uns ach so wichtig ist… Und dann geht es schief! Verdammt! Und jetzt? - Aufstehen, Krönchen richten und weiter im Text? Oder alternativ Kopf in den Sand wie dieser afrikanische Laufvogel. Auf jeden Fall nicht mehr drüber sprechen, war das Scheitern doch zu schmerzhaft. So schmerzhaft, dass man am liebsten nicht mehr darüber sprechen möchte, geschweige denn das Scheitern analysieren und daraus lernen. Menschlich absolut nachvollziehbar. Wäre das Edisons Ansatz gewesen, würde heute sicher niemand mehr seinen Namen nennen.

In einer Welt, in der wir den Fehler einfach nur feiern, kann aus “Fail fast, fail forward.” auch ganz schnell ein “Fail fast, move forward.” werden. Was fehlt ist die Lernkurve!

Die dritte Fehlergruppe ist die der Abwürgefehler (Stalling Mistakes in Englisch). Was bedeutets das? Es gibt Situationen, in denen Menschen sich so sehr auf den perfekten Prozess fokussieren, dass sie sich selbst abwürgen. Das heißt, sie erreichen nicht das erwünschte Ziel oder den gewünschten Outcome, sondern scheitern unterwegs. Man könnte auch sagen, sie bleiben liegen. Dieses Phänomen tritt häufig auf, wenn es Menschen entweder an Sicherheit, echtem Empowerment, oder Selbstbewusstsein mangelt, oder sie sehr perfektionistisch veranlagt sind. An dieser Stelle gilt es eine Kultur der Sicherheit zu schaffen, ggf. in Kombination mit kognitiv diversen Teams. Abgesehen davon ist die Lernkurve begrenzt, da man ja nicht abschließend sagen kann, ob der Weg der richtig war, oder wenn nicht, was man daraus für den nächsten Versuch lernen kann.

Kommen wir zur vierten Kategorie, der Königsdisziplin unter den Fehlern: Die sogenannten Entwicklungsfehler (oder Stretched Mistakes in Englisch). Diese vierte Gruppe sind die einzigen Fehler, die sich nicht vermeiden lassen und die auch nicht vermieden werden sollten. Entwicklungsfehler entstehen, wenn wir etwas Neues, Unbekanntes ausprobieren und ähnlich wie Edison nicht direkt den richtigen Lösungsweg einschlagen. In einer dynamischen, komplexen und mehrdeutigen Welt sind diese Fehler unvermeidbar, wenn wir versuchen uns weiterzuentwickeln. Naturwissenschaftliche Forschung basiert von Beginn an auf diesem “Trail and Error” -Prinzip. Und ja, hier wird sich auch über jede Möglichkeit, die man fortan ausschließen kann gefreut. Hierbei ist es wichtig zum einen zu analysieren an welcher Stelle genau man die falsche Abzweigung gewählt hat und was genau man daraus für den nächsten Versuch lernt und deshalb anders macht. Natürlich ist es in einer Organisation oder einem Team auch wichtig, diese Erkenntnisse zu teilen, damit nicht jeder einzelne diesen Fehler erst selbst machen muss, sondern sich direkt auf die nächste Möglichkeit fokussieren kann. So nähert man sich über das Ausschlussprinzip mit jedem Scheitern dem tatsächlichen Lösungsweg. Aus diesem Grund ist jeder dieser Fehler eine Party wert! Außerdem erfordern diese Fehler eine Menge Mut. Schritte ins Unbekannte zu wagen ist jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung, die in einer Kultur der psychologischen Sicherheit leichter fallen als in einem Umfeld aus Druck und Angst. Nur wenn ich das Gefühl habe, dass es sicher ist, diese Fehler zu machen, werden ich den Schritt in die neue Richtung auch tatsächlich gehen. Und nur wenn ich spüre, dass mein Scheitern tatsächlich als Chance für den nächsten Schritt bewertet wird, werde ich mein Scheitern auch teilen und gebe so einem Team oder einer gesamten Organisation die Chance mit mir gemeinsam zu lernen. So entstehen im Idealfall ganze lernende Organisationen, die mit Sicherheit die einzig wirklich langfristig erfolgreiche Organisationsform in einer Zeit sein werden, die vor allem durch Dynamik, Komplexität und fehlender Eindeutigkeit geprägt ist.

Fehlerkultur beginnt bei mir

Natürlich taucht immer wieder die Frage auf, wie denn eine solche Kultur entsteht. An dieser Stelle sei mir der Verweis auf meinen letzten Artikel erlaubt. Denn Kultur ist nur in einem sehr geringen Anteil der Rahmen, den mir eine Organisation vorgibt. Kultur ist das, was Individuen (er-)leben. In meiner beruflichen Praxis sind mir schon mehr als einmal Organisationen oder Organisationseinheiten begegnet, die perfekte Rahmenbedingungen vorweisen konnte. Alles war da, um Themen offen anzusprechen, Fehler zu teilen, Feedback zu geben. Es ist aber einfach nicht passiert. Denn natürlich muss ich Menschen dabei unterstützen, sich diesen neuen Rahmen der New Work Strukturen auch zu erschließen. Tatsächliches Empowerment entsteht nicht, indem ich Menschen sagen, dass sie nun empowered sind. New Work needs Inner Work! Und der Prozess dieser inneren Arbeit dauert mindestens mehrere Monate, wenn nicht sogar mehrere Jahre. Aus diesem Grund sollten wir Transformationen nicht vorschnell als gescheitert erklären, sondern deren Menschen bewusst unterstützen. Denn auch eine offene Feedback- oder Fehlerkultur will gelernt und in Ruhe erprobt werden.

Zum Schluss noch ein Buchtipp

Ich kann natürlich noch nicht sagen was genau die von mir so verehrte Harvard-Professorin Amy C. Edmondson in ihrem neusten Buch “Right Kind of Wrong: The Science of Failing Well” beschreibt, da es erst am 5. September erscheinen wird. Aber wie auch schon mit der “Angstfreien Organisation” legt die Autorin den Finger an den Puls der Zeit. Fehlerkultur und in diesem Zusammenhang vor allem die daraus resultierende Lernkultur wird sicher eines der Topthemen der sehr nahen Zukunft sein.

Meine Ausgabe von Amys Buch ist bereits vorbestellt. Heute muss noch einmal eine andere Lektüre zum Kaffee am Sonntag herhalten. Letzte Woche bin ich in diesem Zusammenhang übrigens fatal an unserer Kaffeemaschine gescheitert. -Tasse unter den falschen Auslasser gestellt! Diagnose “Flüchtigkeitsfehler aus Übermüdung”! Wird mir diese Woche nicht nochmal passieren.

Eure Constance

Elektrisches licht sei auch nicht durch die stetige Verbesserung der Kerze entdeckt worden, sagte Oren Hariri.

Innovation braucht den Mut etwas substantiell Neues und Unbekanntes auszuprobieren. Dabei sind Fehler unvermeidbar und zeigen uns den richtigen Weg.

Nokia wer??? Human Factors Tod eines Weltmarktführers

Als die Handys smart wurden

Wer aus der Generation Ü-40 hatte irgendwann einmal ein Handy von Nokia? Ich hatte zwei. Mein erstes Handy überhaupt war von Nokia, lila mit Antenne. Auch sein Nachfolger, blau-grau ohne Antenne, war vom damaligen Weltmarktführer in Sachen Mobiltelefon. Ich war mit beiden Handys sehr zufrieden. Das zweite fand leider ein sehr tragisches Ende in einer südafrikanischen Waschmaschine… Der Nachfolger war von der Konkurrenz, obwohl ich eigentlich lieber wieder ein Handy meiner Lieblingsmarke gehabt hätte. Irgendwie gab es aber nichts neues, innovatives von Nokia mehr. Ich landete bei Samsung. Heute habe ich Apple, aber auch eher durch Zufall. Unbezahlter Werbeblock hiermit beendet.

So wie mir ging es damals vielen Kunden in den Mobilfunkgeschäften. Komisch, Nokia war Jahre lang der heißeste Scheiß in Sachen Handy. Weltmarktführer mit einem Marktanteil von fast 25 Prozent Ende der 90er Jahre. Doch plötzlich ist Nokia verschwunden. Ich erinnere mich noch schemenhaft an die Proteste, als 2008 das Nokia Werk in Bochum geschlossen wurde. Der Weltmarktführer verschwand und andere standen schon bereit, um in die freiwerdende Lücke zu springen. Natürlich ist es in derart schnelllebigen und innovationsbasierten Branchen nicht unüblich, dass selbst Weltmarktführer von anderen Unternehmen überholt werden. Der schnelle, sang- und klanglose Niedergang der Mobilfunksparte von Nokia ist dennoch bemerkenswert, nicht nur weil der Marktwert des Unternehmens selbst innerhalb weniger Jahre um 75 Prozent sank. Was nach außen wie ein rasanter Niedergang aussah, war in Wirklichkeit der schleichende Human Factors Tod, der inzwischen gut beleuchtet und aufgearbeitet wurde. Dieser schleichende Prozess bei Nokia ist ein sehr gutes Beispiel, aus dem andere Organisationen formidabel lernen können, wenn sie denn wollen.

Das Ende einer Erfolgsstory

In den frühen 2000er Jahre brachte Nokia alles mit um zum Beherrscher des exponentiell wachsenden Smartphone Marktes zu werden. Die großen Erfolge der näheren Vergangenheit legten die wirtschaftliche Basis für Investitionen in die Zukunft und mit seinem Betriebssystem Symbian war Nokia zunächst auch auf einem scheinbar guten Weg.

Warum war Nokia nicht in der Lage, seine PS auf die Straße zu bringen, um Apple und Co. zu zeigen, wo der Hammer hängt? Hervorgerufen durch ein, ich möchte es mal temperamentvolles Management nennen und durch den eng umkämpften Markt, der als stetige Drohkulisse genutzt wurde, herrschte im gesamten Unternehmen eine angsterfüllte emotionale Atmosphäre, die zu einer gewissen Trägheit im gesamten Unternehmen führte. So jedenfalls stellten es Professor Dr. Quy N. Huy und der Executive Director der internationalen Industrie- und Handelskammer Finnland Timo O.Vuori im “Administrative Science Quarterly 61.1” heraus.

Weil der Fisch für gewöhnlich von Kopf stinkt…

Wie konnte es soweit kommen? Dass der Fisch immer vom Kopf stinke, ist eine altbekannte Weisheit, die so nicht immer richtig ist. Um die angsterfüllte Atmosphäre und deren Auswirkungen bei Nokia zu verstehen, ist es jedoch wichtig, “oben” anzufangen. Der für einen Finnen offensichtlich recht heißblütige Vorstandsvorsitzende Olli-Pekka Kallesvuo war bekannt dafür, seine Mitarbeiter regelmäßig aus voller Kehle anzuschreien und eine Managementebene tiefer war man sich einig, dass man Olli-Pekka besser nur das mitteilte, was er auch hören möchte. Von Problem wollte Olli-Pekka übrigens nichts hören, nie! Auch Olli-Pekkas Stellvertreter war aus aus ähnlichem Holz geschnitzt. Man sagte ihm nach, dass er während Meetings regelmäßig so heftig mit der Faust auf den Tisch schlug, dass das Obst auf dem Tisch abhob. Alles das konnte man im bereits erwähnten Administrative Science Quarterly nachlesen. Leitende Führungskräfte, die mit den Anforderungen und der Kultur nicht mithalten konnten oder wollten, wurden als öffentlich “Loser” bezeichnet, als Low-Performer und sie “setzten ihren Ruf aufs Spiel”. Man hielt also besser den Mund und unterwarf sich den Regeln des Spiels.

Ich glaube ich muss nicht weiter beschreiben, wie es um die Gefühlslage der leitenden Führungskräfte bestellt war. Cholerische Chefs und panische Angst vor der innovativen Konkurrenz aus dem Silicon Valley! Klar dass die Nerven hier dauerhaft blank lagen und der Druck natürlich nach unten weitergegeben wurde. Daraus resultierend hatten die Manager auf mittlerer Führungsebene Angst davor, schlechte Nachrichten weiterzugeben. Stattdessen lieferten sie regelmäßig einen etwas zu optimistischen Ausblick auf die technologischen Features des zu entwickelnden Smartphones und versäumten es, zwingend notwendige Investitionen in die Entwicklung komplexer Innovationen einzufordern. Ein Manager erklärte: “In der Abteilung für Forschung und Entwicklung bei Nokia gab es die Kultur, dass man die obere Ebene zufriedenstellen wollte. Man wollte gute Nachrichten und keine Realitätsprüfung.” (Dieses Zitat entspringt ebenfalls den Auswertungen der Herren Huy und Vuori).

Die Folgen psychologischer Unsicherheit

Nokia befand sich in einer sich schnell verändernden Branche, in der Erfolg vom Wissen, der Kommunikation, der Kreativität, der Innovationskraft und vor allem der Zusammenarbeit der Mitarbeiter abhängig war. Der geneigte Leser meiner Blogs hat inzwischen sicher verstanden, dass kreative und innovative kognitive Fähigkeiten im Zustand von Angst nicht möglich sind. Auch ein angemessenes Fehlermanagement, bzw. eine daraus resultierende Lernschleife ist unmöglich, wenn ich Angst davor habe, Fehler und Missstände zu melden. Alles das führt uns zu dem von mir regelmäßig bearbeiteten Thema der psychologischen Sicherheit und zu der von mir so geliebten Amy Edmondson aus Harvard! Selbstverständlich kann man nicht sagen, dass psychologische Sicherheit Nokias Erfolg in einer derart hart umkämpften Branche nachhaltig gesichert hätte. Aber nur in einer Kultur der psychologischen Sicherheit können die Mitarbeiter, die als Humanvermögen eines Unternehmens über die letzten Jahrzehnte zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, ihr volles innovatives und kreatives Potenzial nutzen. Und nur in einer Kultur der psychologischen Sicherheit können leitende Führungskräfte und das Top-Management wissen, wo das Unternehmen wirklich steht, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können.

Was den Finnen ihr Olli-Pekka ist den Deutschen ihr Martin

Natürlich könnte man jetzt sagen, die spinnen die Finnen. Aber das ist kein finnisches Problem. Der Dieselskandal rund um Volkswagen, der den großen Martin Winterkorn in die Knie gezwungen hat, ist ja noch immer in aller Munde. Ich kann mich noch daran erinnern, wie Winterkorn erklärte, dass er von nichts wusste und sich auch keines Fehler bewusst war. Klar, der arrogant, überhebliche Autokrat Winterkorn stellt natürlich einen medienwirksamen Bösewicht dar. Das verrückte ist, dass ich ihm voll und ganz glaube. Er wusste von nichts! Warum? Weil alle Angst vor ihm hatten. Und natürlich glaubte er, alles richtig gemacht zu haben. Immerhin wurde er von einem gewissen Ferdinand Piech ins Amt befördert, weil er so war wie er und deshalb Kontinuität im Führungsstil versprach. Aber was war das für ein Führungsstil? Ich erzähle mal eine Szene nach, die so auch auf YouTube anzuschauen ist: auf der Automobilmesse in Frankfurt 2011 stellt Hyundai eine geräuschlose Lenkwelle vor. Als Winterkorn das sieht, schreit er seinen Chefdesigner Bischoff an und faltet ihn encora Publikum, weil VW diese für fast unmöglich gehaltene Innovation nicht gelungen war. Die Umherstehenden übten sich in betretenem Fremdschämen. Chefdesigner Bischoff verteidigte Winterkorns Verhalten interessanterweise später in einem Interview. Klar würde sein Chef durch die Decke gehen, wenn etwas aus seiner Sicht schief liefe, allerdings sei sein Chef privat ein echt Guter und Sozialer, der sich sehr für das persönliche Schicksal von Menschen interessiere. Aber es geht doch nicht darum, ob jemand ein guter Mensch ist, sondern ob es ihm als Chef gelingt, so zu führen, dass es dem Erfolg des Unternehmens zuträglich ist. Bei VW herrschte, ähnlich wie bei Nokia, ein Klima der Angst und als Winterkorn den Ingenieuren das Unmögliche befahl, nämlich die Stickstoffemission der Dieselmotoren unter das magische US-Maß zu senken, haben diese sich nicht getraut, zu sagen, dass es technisch nicht möglich sei. Lieber haben sie aus Angst vor Konsequenzen und Arbeitsplatzverlust angefangen zu schummeln. Und natürlich wusste Winterkorn nichts, weil alle Angst vor ihm hatten. Am 24. September 2015 schrieb Aufsichtsratsmitglied Bernd Osterloh in einem Brief an die Belegschaft: “In Zukunft brauchen wir ein Betriebsklima, in dem Probleme nicht verheimlicht werden, sondern offen mit Vorgesetzten geteilt werden können. Wir brauchen eine Kultur, in der es möglich ist, mit dem Vorgesetzten über die beste Handlungsweise zu diskutieren.” Entscheidet selbst: wärt ihr in der Lage, offen mit einem Chef Probleme zu diskutieren, der öffentlich Kollegen anschreit? Ich nicht! Winterkorn ist jetzt wohl Privatier.

Keine Sorge, mein Mitleid mit den unwissenden Martins und Olli-Pekkas dieser Welt hält sich in Grenzen. Ja, sie wussten nichts und ja, sie waren von den Entwicklungen sicher selbst am meisten überrascht. Aber sie haben es sich all die Jahre einfach viel zu leicht gemacht. Klar sorgt so ein Angst-Regime dafür, dass man als Führungskraft einen lauen Lenz schieben kann. Wenn ich nur gemeldet bekomme, dass alles läuft, ist doch alles easy. Keiner wird gerne mit Problemen konfrontiert, die einem dann noch Arbeit machen. Aber so läuft das nun mal. Nur so kann ich wissen, was in meinem Unternehmen oder in meiner Abteilung vor sich geht. Erfolg stellt immer nur eine Momentaufnahme dar und vielleicht brodelt es in diesem Moment schon gehörig unter der Oberfläche. Der Human Factors Tod eines Unternehmens ist ein langsamer, stiller, aber nachhaltiger Tod. Dabei ist er vor allem jedoch eins: vermeidbar! Deshalb ist mein Mitleid bei all den Menschen, die auf diese Art und Weise in eine existenzbedrohende Situation gekommen sind. Bei den Müttern, die ihren Kinder erklären müssen, dass sie nicht an diesem Ausflug mit den Freunden teilnehmen können. Bei denen, die in der Schlange der örtlichen Tafel stehend versuchen, ihre Würde zu wahren. Manager und Führungskräfte haben eine Verantwortung, die weit über Bilanzkurven und Börsenkurse hinausgeht. Sie tragen Verantwortung für Menschen. Es gibt Dinge, die sind unvermeidbar, ja! Der Human Factors Tod gehört aber nicht dazu!

Bad Leadership

Eigentlich habe ich mich immer nur damit auseinandergesetzt, was gute Führung ausmacht. All jene von euch, die mir bei Instagram folgen (kleiner Werbeblock in eigener Sache: klicke hier) haben sicher mitbekommen, dass ich mir ein neues Buch gekauft habe: Bad Leadership. Ich habe es noch nicht gelesen, aber ich glaube tatsächlich, dass man sich dem Thema Führung sinnvollerweise von beiden Seiten nähern sollte. Führung ist so unglaublich wichtig und machtvoll, egal ob Servant Leadership, bad Leadership, oder was auch immer. Außerdem bin ich mir ganz sicher, dass auch Martin und Olli-Pekka nicht entschieden haben, schlechte Führungskräfte zu sein. Es ist einfach passiert, während sie, wie jeder andere auch, versucht haben, ihr Bestes zu geben. Deshalb ist der Mut, sich selbst zu hinterfragen und zu reflektieren vielleicht die wichtigste und mutigste Führungseigenschaft.

Eure Constance

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Nokia wer???

Wie das Smartphone von Nokia wohl gewesen wäre…? Und wenn Nokia auf der Erfolgsspur geblieben wäre…? Was wäre dann aus Apple und Co. geworden…?

Warum unser Gehirn Spaß braucht, oder Hawking und ich

Mysterien und Naturwissenschaft

Seit ich vor zwei Monaten meinen ersten Blog online gestellt habe, muss ich feststellen, dass es zwei Themenbereiche gibt, die auf ganz besondere Resonanz stoßen: zum einen sind das die Artikel, die sich mit Fliegen, Flugzeugen und Flugsicherheit beschäftigen. Ich muss zugeben, ich kann das sehr gut verstehen. Fliegen ist auch für mich nach über zwanzig Jahren in der Branche etwas Faszinierendes. Ja, ich habe mich mit Aerodynamik beschäftigt, aber dieser Moment, wenn dieser riesige, Tonnen schwere Blechvogel Vollgas gibt, alles rattert und vibriert und plötzlich hebt er ab, elegant und schwerelos… Das ist für mich bis heute jedesmal besonders, irgendwie etwas mysteriös und unfassbar. Oder wie Piloten es mir immer wieder augenzwinkernd erklären: “It’s magic!”

Der zweite Themenbereich, der auf besonderes Interesse stößt, ist sicher nicht minder unfassbar und mysteriös: das menschliche Gehirn scheint viele von euch genau so zu faszinieren, wie mich. Je intensiver ich mich mit unserer Blackbox da oben auseinandersetze, desto größer wird auch meine Faszination. Es gibt zwei Aspekte rund um unser Gehirn, die mich gelegentlich fast in eine Art Demut vor der Schöpfung versetzen: erstens ist es das unglaubliche Zusammenspiel zwischen unseren unterschiedlichen Gehirnregionen, das uns so erfolgreich durch die Evolution getragen hat und zweitens ist es der Umstand, dass die Speicherkapazität unserer Festplatte da oben nicht begrenzt ist. Ja meine Damen und Herren, im Gegensatz zu euren hochtechnisierten Endgeräten jeder Marke, wird euer Gehirn euch niemals melden, dass ihr jetzt eure Speicherkapazitäten erschöpft habt. Warum das so ist, damit möchte ich mich in den nächsten Minuten beschäftigen. Aber vor allem möchte ich mich damit beschäftigen, welche Rolle der Spaß, oder positive Emotionen überhaupt, für unsere Gehirne und deren Lernfähigkeit spielen.

Die Idee des lebenslangen Lernens

Wenn man sich fragt, wann und wo wir lernen, kommen einem als erstes die altbekannten Institutionen wie Schule, Universität und weitere Ausbildungsinstitutionen wie Berufsschulen in den Sinn. Gräbt man tiefer, wird einem klar, dass hier nur ein Bruchteil unseres Lernen stattfindet. Denn vielmehr ist es so, dass wir immer und permanent dazulernen, zum Teil unbewusst (durch neue Erfahrungen und unbekannte Situationen), zum Teil bewusst (durch das Lesen von Büchern verbunden mit persönlichem Interesse, durch Hobbies, die Auseinandersetzung mit anderen Menschen). Obwohl es für den Begriff des lebenslangen Lernens nie eine offizielle, allgemein gültige Begriffsdefinition gab oder gibt, fasst der Begriff des lebenslangen (oder lebensbegleitenden) Lernens beide Teilbereiche zusammen. Erstmals thematisiert wurde dieses Konzept im Jahr 1962 auf der damaligen UNESCO-Konferenz in Hamburg. Die Europäische Union hat genau das im Jahr 1996 wieder aufgegriffen und dieses Jahr auch zum europäischen Jahr des lebensbegleitenden Lernen gemacht. Ziel war es, Menschen zu individuellem und selbstbestimmtem Lernen anzuregen und sie somit zu einer optimalen Bewältigung aller Lebensherausforderungen zu ermächtigen. Gute Idee, wie ich finde.

Die Forschungsergebnisse, die diesem Konzept zu Grunde liegen, sind dass unser Gehirn nicht nur immer weiter lernen kann, sondern auch muss, um sich immer weiter sicher in unserer Umwelt orientieren zu können. Fehlende Orientierung kann im schlimmsten Fall sogar zu psychischen Problemen führen, auf jeden Fall aber zu Unsicherheit, Überforderung und Stress, weshalb das lebenslange Lernen auch in der heutigen Unternehmenslandschaft eine immer größere Rolle spielt. Unternehmen sind gut beraten, die Weiterbildung oder Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen und zu fördern, denn unsichere, gestresste und überforderte Mitarbeiter werden wohl kaum in der Lage sein, kreative, schnelle und außergewöhnlicher Ergebnisse zu liefern.

Die Physiologie des Lernens

Aber was ist denn nun eigentlich Lernen, physiologisch gesehen? Und was hat das alles mit Spaß zu tun?

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…’cause girls just wanna have fun…

Gestern das Gehirn mal auf ein Gläschen Sekt eingeladen, nur so zum Spaß!

Wenn wir uns mit der Physiologie des Lernens beschäftigen, kommen wir um einige Eckdaten rund um unser Gehirn nicht herum. Unser menschliches Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Neuronen. Diese Basisausstattung haben alle Gehirne dieser Welt gemeinsam, meines, wie auch das von Stephen Hawking. Leider muss ich aber hier unumwunden zugeben, dass mein, wie ich finde recht solide arbeitendes, Gehirn nicht annähernd die Kapazitäten aufweist, wie es das des genialen Physikers Hawking aufwies. Kommen wir also zu den Unterschieden und dem, was im Endeffekt unser Wissen ausmacht.

Unsere Neuronen sind mit sogenannten Nervenfortsätzen (den Dendriten) und Achsenzylindern (den Axon) ausgestattet. Das sind im Prinzip die Sender und Empfänger unserer Neuronen. Lernen bedeutet vor allem, zwischen diesen Sendern und Empfängern ein möglichst großes und komplexes Netz an neuronalen Verbindungen im Gehirn aufzubauen, welches keine Grenzen oder Limits hat. Den Begriff der Synapse kennt der ein oder andere sicher noch aus dem Bio-Unterricht (oder ganz aktuell aus dem Home-Schooling unkontrollierbarer Teenager). Das ist es also, was meine Blackbox von der von Stephen Hawking unterscheidet. Es ist davon auszugehen, das Hawkings Netz an neuronalen Verknüpfungen deutlich komplexer war, als es bei mir der Fall ist. Der Umstand, dass ich noch am Leben bin, treibt mich jedoch gelegentlich in eine leichte Form des Größenwahns, denn immerhin habe ich noch die realistische Chance, ein wenig aufzuholen. Vielleicht deshalb, oder auch einfach nur, weil es mir als Trainer wichtig ist, ein gutes und nachhaltiges Training zu gestalten, habe ich begonnen, mich damit auseinander zu setzen, was ich dazu beiragen kann, dass das Bilden von neuen neuronalen Verbindungen bestmöglich unterstützt wird.

Optimiertes Lernen

Jetzt kommen wir also endlich zum Spaß für unser Gehirn. Damit sich eine neue neuronale Verbindung in unserem Gehirn überhaupt bilden kann, benötigen wir sogenannte Neurotransmitter. Eine Voraussetzung dafür, dass sich diese Neurotransmitter in unserem Gehirn bilden, ist das Vorhandensein von Endorphinen, körpereigenen Opiaden, die wir auch gerne als Glückshormone bezeichnen. Wie der Name Glückshormon nahelegt, spukt dieses Hormon auch nur durch unser Gehirn, wenn wir uns wohl fühlen, glücklich sind, Spaß haben. Auch wenn ich das jetzt alles sehr vereinfacht dargestellt habe, ist es Fakt, dass wir ohne Glückshormone nicht lernen! Funktioniert nicht! Punkt!

Was dieses Wissen für mich als Trainer bedeutet, ist recht simpel: meine Workshops müssen Thematiken behandeln, die meine Teilnehmer spannend finden, ich muss für Abwechslung, Interaktion und Spaß sorgen und vor allem sollte ich dafür Sorge tragen, dass in meinem Lahrsaal eine von Vertrauen und Sicherheit geprägte Arbeitsatmosphäre herrscht. Ja, ich weiß, wir sprechen von Schulungsereignissen und nicht von Wellnesstagen. Aber wenn ich möchte, dass meine Schulungen nachhaltig sind, ist das der beste und einfachste Weg!

Spannender finde ich, den Fokus ein wenig zu erweitern und weg von meinen Trainings und Workshops zu schauen, was diese Erkenntnisse im Blick auf das Thema Personalentwicklung bedeuten. Die für mich wichtigste Erkenntnis ist, dass das der sichere Tod für alle Schulungen nach dem Gießkannenprinzip sein muss. Ja, natürlich kann ich ein Kommunikations- oder Teambuildingseminare anbieten, für alle Mitarbeiter einer Abteilung oder eines Unternehmens. Wahrscheinlich sollte ich das sogar unbedingt tun, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Ich muss mir dabei aber bewusste sein, dass diese Maßnahmen zwar Wissen schaffen, aber Maßnahmen zur wirklichen Weiterentwicklung eines Mitarbeiters sollten deutlich individueller und bedarfsorientierter sein. Im besten Fall gibt hier sogar der betreffende Mitarbeiter den Weg vor. So kann ich mir als Unternehmen dann auch sicher sein, dass die entsprechenden Maßnahmen auf den denkbar fruchtbarsten Boden fallen und nicht im Nirvana verpuffen.

Unternehmenskultur für glückliche Gehirne

Der mit Abstand spannendste Aspekt rund um unser neuronales Spaßbedürfnis ist für mich jedoch schließlich der direkte Zusammenhang mit dem von mir so geliebten Thema der Unternehmenskultur. In Anbetracht der Tatsache, dass unser Gehirn eigentlich mal darauf ausgelegt war, sich in steinzeitlichen Höhlensystemen zu orientieren, ist es unfassbar, wo unser Gehirn uns gesellschaftlich, technologisch, kulturell und persönlich hinkatapultiert hat. Alles das haben wir der Lernfähigkeit und dem Lernwillen unseres Gehirns zu verdanken. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass, wenn wir unserem Gehirn die Möglichkeit zu lernen und sich weiterzuentwickeln nehmen, wir auch die Orientierung verlieren, uns zurückziehen, ab in in Höhle. Ein Zustand, den ich als Unternehmen bei meinen Mitarbeiter keinesfall antriggern sollte, z.B. durch das (vielleicht sogar bewusste) Streuen von Angst oder Unsicherheit (beides frisst gnadenlos auch das letzte einsame Endorphinchen auf). De Facto sollte ich diesen Zustand sogar tunlichst verhindern. Hierbei halte ich es für empfehlenswert, sich total altmodisch an der Bedürfnispyramide nach Maslow zu orientieren. Der gute Abraham Maslow hat schon in den 1940er Jahren verdammt anschaulich dargestellt, was das Gehirn so unter Spaß versteht. In seiner Bedürfnispyramide kommt direkt auf Stufe zwei das Sicherheitsbedürfnis. Der Mensch, und somit auch der Arbeitnehmer, möchte sich als aller erstes sicher fühlen (und sicher ist hier eben das Gegenteil von ängstlich). Dieses Sicherheitsgefühl, dass die Harvardprofessorin Amy Edmondson in diesem Zusammenhang als Psychological Safety beschreibt, ist die Basis meiner Entwicklungs- und Leistungsfähigkeit. Diese Sicherheit wird auch nicht durch ausschweifende Weihnachtsfeiern oder Teamevents ersetzt. Das kommt nach Maslow nämlich erst auf Stufe drei, der Stufe, in der es um soziale Bedürfnisse geht. Maslows Stufe vier geht direkt an alle Chefs: Wertschätzung! So einfach, aber irgendwie auch so kompliziert! Wenn ich mich als Unternehmen schließlich um diese drei Stufen gekümmert habe, sind die Gehirne meiner Mitarbeiter optimal auf Weiterentwicklung und dazulernen eingestellt und davon profitiere ich als Unternehmen ungemein.

Mmmmmm…. Vielleicht hatte Hawking am Ende einfach nur das Glück, dass sein Endorphinhaushalt nie von Wirtschaftsunternehmen beeinflusst wurde! Wie dem auch sei, mein Gehirn möchte jetzt ein Gläschen Wein, glaube ich. Es erzählt irgendetwas von Spaß… Es sagt es ist Sonntag!

Eure Constance